AKUT
Setze diese Zahlenreihe richtig fort…
Der Marsch des Landeshauptmanns: Eine gedankliche Reise von Monterey nach St. Pölten.
von Sarah Wetzlmayr
Als ich 2012 alleine in den USA unterwegs war, schrieb eine meiner vielen flüchtigen Bekanntschaften einen Song für mich. Das tötete die Flüchtigkeit, machte mich unsterblich (so dachte ich), denn in der Kunst liegt sie doch begraben, diese Unsterblichkeit. Als ich wieder daheim war, fand ich den fertig eingespielten Song auf Soundcloud. Mein Ego wuchs, trotz des schönen Liedes Minimalismus zu seinem absoluten Maximum an. Zwei Wochen später wollte ich der einzigen Ferundin, die ich bislang weder mit dem Song, noch mit meinem überschäumenden Ego beglücken konnte, dieses kleine, feine Stück Musik vorspielen. Doch Unfassbares war geschehen: Meine US-Bekanntschaft, die mich von einem fabelhaften Trip in Monterey auf direktem Wege zum größten Egotrip meines Lebens katapultiert hatte, schien den Song, MEINEN Song, von seiner Soundcloud-Page genommen zu haben. Einfach so war ich nicht mehr unsterblich und wollte einfach nur sterben.
Worauf ich eigentlich hinaus will, erahnt man an diesem Punkt des Textes nicht einmal, wenn man zu jener Sorte Menschen gehört die Rätsel wie „Setze diese Zahlenreihe richtig fort“ selbst während des täglichen Lebensmitteleinkaufs in Rekordgeschwindigkeit lösen können. Der Weg führt mich nämlich in die Niederösterreichische Landespolitik. Also nicht tatsächlich, sondern selbstverständlch nur innerhalb des streng abgesichterten Rahmens dieses Textes. Dem niederösterreichischen Landeshauptmann (auch oft „Landesfürst“ genannt), Erwin Pröll, der diesen Job macht seit ich denken kann, wird genau das nämlich nie passieren. Abgesehen von der Regelmäßigkeit unseres Haarwuchses trennt uns diese eine Sache ganz entscheidend voneinander. Der Landeshauptmann Erwin Pröll, der seit ich denken kann diesen Job macht und dabei auch irgendwie immer gleich ausgesehen hat, wurde in meinem Kopf irgendwie zu einer Manifestation der Unsterblichkeit. Doch im Gegensatz zu meiner, nur sehr temporären Unsterblichkeit wird seine tatsächlich für immer andauern: Denn der niederösterreichische Landeshauptmann bekam im Jahr 1986 (also noch 6 Jahre bevor er überhaupt Landeshauptmann wurde) vom Weinviertler Winzer Josef Zens einen Marsch geschenkt. Den gibt es, im Gegensatz zu meiner nur sehr kurz andauernden Manifestation der eigenen Unsterblichkeit, sowohl online als auch fein säuberlich auf Papier gedruckt. Und wir wissen ja alle, was das bedeutet, in einer Zeit in der sich dieses Internet garantiert nicht durchsetzen wird: Erwin Pröll wird in diesem Marsch für immer weiterleben. Das muss ich neidlos anerkennen, während ich hier sitze und versuche mich mit Googles Hilfe an nur eine einzige Zeile aus meinem Song zu erinnern.© Belvedere Musik