KULTUR
Bowies Lazarus: Heimweh nach der Milchstraße
Was macht ein Sterbender, der unsterblich ist? Er hinterlässt der Nachwelt ein Musical. Im Mai kommt David Bowies Musical Lazarus nach Österreich. Am Wiener Volkstheater herrscht Premierenfieber.
Text: Manfred Sax, Foto: Maximilian Lottmann
Gestatten: Günter Franzmeier, Katharina Klar und Christoph Rothenbuchner, Mitglieder des Wiener Volkstheater-Ensembles und Protagonisten des Musicals Lazarus von David Bowie und Enda Walsh. Sie stecken mitten in den Proben, auf einer sympathisch abgetakelten Bühne im 11. Bezirk, und haben wohl das, was man als perfekte Zeit verbuchen muss. Stell dir vor: Du hast wochenlang nichts anderes zu tun als von früh bis spät Bowie-Lieder zu singen und dich mit einem Bowie-inspirierten Musical-Plot zu befassen – und kriegst auch noch bezahlt dafür! So muss Leben gehen. So ging Leben bereits für die umwerfende Sophia Anne Caruso und Michael C. Hall (Dexter) in New York und London.
Allerdings geht es beim Musical Lazarus – Premiere am 9. Mai – darum, was für den letzten Wurf eines vor dem Ableben stehenden Kreativen Sache sein muss: um Sterblichkeit. „Ich bin ein sterbender Mann, der nicht sterben kann“, seufzt Thomas Jerome Newton, die Zentralfigur zum Stück. Was nun ein mit dem Bowie-Narrativ vertrauter Fan mühelos verstehen kann. Newton ist ein alter Bekannter. Ein Außerirdischer vom siebenten Stern auf der Milchstraße links, der Mitte der 70er Jahre auf unserem Planeten landete; auf der Kinoleinwand, gleich um die Ecke. Der von einem genialen Bowie verkörperte Newton war angereist, weil es hier Wasser gab. Das brauchte er, um seine am Heimatstern verbliebene Familie zu retten. Was ihm bekanntlich nicht gelang. Seine überlegene Intelligenz hatte gegen die von kleinlichen Emotionen gesteuerte menschliche Zivilisation keine Chance.
Und jetzt, 40+ Jahre später, ist Newton weiterhin mitten unter uns, in der körperlichen Hülle von Günter Franzmeier aus Wels. Ob Newton mittler Weile Emotionen versteht und Gefühle hat? Ja doch, meint Franzmeier, sein Newton ist frustriert und betäubt die Pein mit Gin. Das Skript will es, dass auch mal Hoffnung keimt, als ein angelisch angehauchtes Mädchen erscheint, ob real oder nur in Newtons Fantasie, sei dahingestellt. Dieses Mädchen, erzählt Katharina Klar, erinnert Newton an seine Tochter. Ms Klar spielt dieses Mädchen und wird den Klassiker ”(Is there) Life on Mars?“ singen. Gleich nach ihr wird Christoph Rothenbuchner auftreten und als Valentine eine sinistre Note ins Spiel bringen. Und danach, meinte der Kritiker des englischen Guardian nach Genuss des Originalstückes, „herzlichen Glückwunsch an jeden, der diesem Plot noch folgen kann.“ Aber das wird den drei Protagonisten des Volkstheaters hoffentlich am Hintern vorbei gehen, nicht annähernd dort, wo es weh tun könnte. Sie haben ein paar Monate mit dem Werk von Bowie gelebt.
Und was hast du gemacht?
Musical Lazarus by David Bowie & Enda Walsh, Regie: Milos Lolic, mit Günter Franzmeier, Katharina Klar, Christoph Rothenbuchner; 9.5.2018, Volkstheater Wien.