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Darf nicht gibt’s nicht – Zeit, sich mal was zu gönnen!

Wovon haben wir als Buben nicht geträumt, wenn wir mal groß sind. Wie wir uns nix scheißen werden und mit den Taschen voller Geld alles das machen, worauf wir gerade Lust haben. Und natürlich jede Menge kostspieliges Spielzeug sammeln. So. Jetzt sind wir in den besten Jahren, hätten die Mittel und die Möglichkeiten, so richtig auf die Kacke zu hauen, aber wir tun es nicht. Warum eigentlich?

Text: Markus Höller / Fotos: Maximilian Lottmann, Eryk Kepski, Billy Sax

Grade ist der Bausparer fällig, oder für die Verwegeneren unter uns: Das Krypto-Schweinderl ist reif zum Schlachten. Zeit, sich mal was zu gönnen. Was Spannendes, was zum Spielen und was zum Naschen, aber für Männer halt. Doch während man schon leise vor sich hin kichernd die allerneuesten Technik- und Motortrends durchforstet, kommt die Partnerin (die Frau, der Lebensabschnittspartner, die Freundin) um die Ecke und lamentiert. Über die Unzuverlässigkeit der rüstigen Familienkutsche und den grindigen alten Wäschetrockner. Ein langer Urlaub zusammen wäre doch mal nett. Und überhaupt, die armen Kinder. Schon fällt der sich eben noch als legitimen Nachfolger von Ferris Bueller sehende Mann in sich zusammen und lässt einen resignierenden Seufzer hochkommen, da hält er inne. Nein. Diesmal nicht. Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss. Schließlich hat Papa ja die besten Jahre seines Lebens Karriere, Partner und Familie gewidmet, da kann er jetzt ruhig mal zu seiner Midlife-Crisis stehen. Nachgesagt wird sie einem sowieso, also warum nicht danach handeln. Neudeutsch: Gönnung. Jegliche Appelle der besseren Hälfte mit Todesverachtung ignorierend ist es nun Zeit, gewisse Dinge einfach zu tun. Denn darf nicht gibt’s nicht. Träumen wird man ja noch dürfen, daher hier ein paar ausgesuchte Egotrips der feinsten Sorte, gewichtet nach den maßgeblichen Kriterien des Beziehungsbarometers.

Foto: (c) Eryk Kepski

Der Porsche
Klar bietet ein Van mehr Stauraum als ein Porsche, aber was nützt das übers Alpl? Niemand kann sich der Magie des Grollens eines Boxermotors aus Stuttgart entziehen. Sich in den Schalensitz plumpsen zu lassen und dann lächerlich übermotorisiert den geschundenen Bandscheiben jedes einzelne Schlagloch auf der West persönlich vorzustellen, das hat schon was. Schon klar, wenn statt des wirklich attraktiven und günstigen Ford S-Max Jungwagens – „du weißt schon, Schatz, der mit der Lenkradheizung“ – plötzlich das nur geringfügig teurere 997er-Cabrio vor der Tür steht, ist der Couchplatz für die nächsten Wochen fix gebucht. Aber sind wir uns mal ehrlich: Das Platzangebot ist doch wirklich nicht so schlecht. Da wo eine Palette Bier reinpasst, hat doch die Yogamatte auch Platz. Klar kann man den Beifahrerairbag deaktivieren, immer tun alle so, als wäre das nur ein Auto für Rabenväter. Selbst wenn die beste Argumentation nichts nützt, schlummert man trotzdem jeden Abend mit jenem glückseligen Lächeln ein, das nur gewisse Menschen ziert: diejenigen, die die 90°-Kurve hinten bei der Apotheke mit 55 nehmen können. Das ist es wert.

Preis: Kostspielig, aber dafür guter Wiederverkaufswert. ★★★★★
Haltbarkeit: Bis zum ersten großen Service oder Bandscheibenvorfall. ★★★★★
Streitpotenzial: Die Mutter aller Midlife-Crisis-Scheidungsgründe. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: Mit einer sportlichen Ausfahrt nach Venedig lässt sich viel Boden gutmachen. ★★★★★
Notmaßnahme: Auch wenn es schmerzt – ein romantischer Campingurlaub. Ohne Porsche.

Foto: (c) Maximilian Lottmann

Das Wochenende
Ein Wochenende in der Badehütte mit der Kollegin und ihrer Freundin am See. Hey, wenn es gratis ist?! Bonding ist das Zauberwort. Ja, die jungen Kolleginnen von heute könnten die Vorgesetzten von morgen sein, und mit der ungewissen Jobzukunft über die nächsten 20 Jahre muss man halt wirklich gute Kontakte knüpfen. Da würde es doch wirklich blöd ausschauen, wenn man die schon so oft ausgesprochene Einladung in die Schilfhütte am Neusiedler See einfach ausschlägt. Dass sie ihre beste Freundin dabeihaben will, klar, ist ja ihre Hütte. Warum dort nur Nacktbaden erlaubt ist, weiß keiner, aber bitte, was sollen die schon an einem schlaffen Dad Bod finden. Die sind ja noch jung und in der Blüte ihres Lebens, da würdigen sie unsereins doch keines Blickes. Väterliche Freundschaft nennt sich das, ja, und das ist auch der Grund, warum sie die Ehefrau nicht dabeihaben wollen, die kennen sie ja nicht mal. Ist eh so wenig Platz in der Hütte. Das ist jetzt wirklich kein Grund für Eifersüchteleien und Stutenbissigkeit. Natürlich gibt’s da nichts zu glotzen, schließlich will man ja dann nicht den ganzen Tag bis zur Wampe im Wasser stehen oder am Bauch liegen, ehschowissn. Aber ein bisschen Freizeit mit jungen Leuten in der Natur verbringen, was ist daran so schlimm? Nur weil die beiden vor ein paar Jahren noch aktiv gemodelt haben, wird daheim gleich ein Aufstand geprobt, als wäre man The Next Harvey Weinstein. Okay, Couch, eh klar, Kopfweh sowieso bis ­Weihnachten, aber ganz ehrlich: Schauen wird man ja wohl dürfen! Und das ist es allemal wert.

Preis: Einladungen schlägt man nicht aus! ★★★★★
Haltbarkeit: Sind ja nur drei Tage. ★★★★★
Streitpotenzial: Die Königsdisziplin der Eifersüchtelei. Wirkt lange nach. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: Aussichtsreich, aber nur, wenn der nächste Jahres-/Hochzeitstag alle Stückeln spielt. ★★★★★
Notmaßnahme: Ausführliches Bemängeln von Orangenhaut und Hängebrüsten bei den Kolleginnen. Ehefrauen laben sich an so was.

Foto: (c) Maximilian Lottmann

Der Zigarrenschrank
Wäsche kann man auch so trocknen, aber wie sollen die Montecristo frisch bleiben? Frisch gewaschene Wäsche und Zigarren haben so einiges gemeinsam. Sie riechen gut, sie verschaffen einem Wohlbehagen, sie trocknen irgendwann mal. Während das bei der Wäsche ja durchaus erwünscht und sinnvoll ist, bricht es einem bei Zigarren das Herz. Wenn die Cohiba oder Montecristo schon beim Anfassen raschelt wie ein Laubhaufen im Herbst, das ist echt übel. Da will man gar nicht wissen, mit welcher unbarmherzigen Schärfe der Rauch beim Paffen über die Zunge fährt – wie das Napalm am Surfstrand in „Apocalypse Now!“. Daher ist die Anschaffung eines großzügig dimensionierten Humidors ja geradezu Pflicht, will man nicht die ums teure Geld erworbenen Tabak-Kunstwerke aus der Karibik ungenießbar in die Tonne treten. Dann gibt es eben vorläufig keinen neuen Wäschetrockner, der Schutz der Investition hat Vorrang. Man stelle sich nur vor, der Vorgesetzte kommt zu Besuch; das Essen auf den Punkt gegart, der Wein ideal belüftet, der Single Malt rustikal wie ein schottischer Bracholder, und dann kredenzt man eine Zigarre, deren Bukett nur unwesentlich besser ist als das einer geschnorrten Smart im Bahnhofsbeisl? Die Schande! Wenn die Handtücher auf der Wäschespinne oder im Badezimmer hängen, stört das niemanden, aber diese Blöße will man sich nicht geben. Außerdem: So ein Zigarrenschrank braucht wesentlich weniger Strom als ein Wäschetrockner, also hilft so ein Teil gleich doppelt Geld zu sparen. Und dann heißt es immer, man kauft nur Schnickschnack und kann nicht wirtschaftlich denken. Vom dekorativen Mehrwert mal ganz ­abgesehen. Frauen lieben dekorativen Mehrwert.

Preis: Vielleicht teurer als Weißware, aber mit Sicherheit schöner. ★★★★★
Haltbarkeit: Praktisch unbegrenzt. ★★★★★
Streitpotenzial: Lässt sich mit gelegentlicher Hilfe bei der Wäsche in den Griff kriegen. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: Gut, solange man die Zigarren von der Wäsche fernhält. ★★★★★
Notmaßnahme: Der Partnerin ein Extrafach für Kosmetik einrichten.

Foto: (c) Billy Sax

Das Tschickpackl
Mit dem Einserschmäh auf Tauchstation gehen. Ultimativ riskant. Der Ursprung unzähliger Zoten, aber ganz ehrlich: Wer hat wirklich schon mal die Cojones gehabt, mit dem lockeren Spruch „Ich geh mal Zigaretten holen“ das Haus zu verlassen und Tage später mörderisch ramponiert wieder aufzutauchen – ohne in der Zwischenzeit erreichbar zu sein, versteht sich? Niemand. Es gibt nichts daran zu rütteln, das ist schon ein richtiger Arschloch-Move. Partner (und Kinder?) machen sich Sorgen, Freunde sind ratlos oder werden ohne ihren Willen gleichzeitig zu Mitwisserschaft und Stillschweigen genötigt, Suchaktionen werden gestartet. Nicht nett und zu Recht ein Grund für nachhaltigen Vertrauensverlust, Mordgelüste und Scheidungsabsichten. Auf der anderen Seite: Das könnte vielleicht das letzte Mal sein, dass man noch den Hauch jener wilden Tage spürt, als man sich mit grade mal 20 Lenzen frei von Verpflichtungen und Vernunft so richtig treiben ließ. Sich gönnerhaft ein Taxi rief und mit dem Fahrbefehl „Zum Salzgries“ ins Nachtleben stürzte, um nach einem amtlichen Blackout in einem völlig fremden Studentenheimzimmer aufzuwachen. Nur um ungeduscht noch eine Nacht auf der Insel zu versumpern und am nächsten Morgen ebendort neben der Hundewiese aufzuwachen, zwar ohne Geld, aber dafür im Besitz eines Rucksacks mit einer teuren Glasbong drin, Herkunft unbekannt. Auch das kann jetzt alles immer noch passieren! Man muss es nur geschehen und das Handy abgedreht lassen, die romantisch verklärten Orte der Jugend meiden, sich idealerweise an eine Partie Erasmus-Studenten anhängen und mitfeiern, bis der Arzt kommt. Keine Sorge, es wird schon nicht so arg wie in den „Hangover“-Filmen. Allerdings braucht man aber auch nicht zu erwarten, dass die zurückgelassene bessere Hälfte dann auch so verständnisvoll reagiert, wenn man heimkommt. Das ist dann leider weniger Hollywood, sondern eher Seiler und Speer.

Preis: Kommt drauf an, wie sehr und womit man sich wegschießt. ★★★★★
Haltbarkeit: Zwei Nächte, der Kater wirkt aber noch lange nach. ★★★★★
Streitpotenzial: Wie schon erwähnt, ultimativ üble Aktion. Nur für die ganz Harten. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: So was bekommt man jahrzehntelang vorgehalten. ★★★★★
Notmaßnahme: Unfall oder Überfall vortäuschen. Handy entsorgen.

Foto: (c) Maximilian Lottmann

Die Blubberwanne
Die Kinder haben eh so viel, Papa braucht auch ein wenig Entspannung. Auch wenn jeder früher von Whirlpool-Action à la Mötley Crüe in den 80ern geträumt hat, verschiebt sich der Grund für die Anschaffung eines Jacuzzi dann mit zunehmendem Alter von „mit Stripperinnen plantschen“ immer mehr in Richtung „einfach in Ruhe abhängen“. Was liegt daher näher, als sich vom Haushaltsbudget statt des monströsen Kinderklettergerüsts samt Schaukel im ohnehin viel zu kleinen Vorgarten einfach einen schicken Whirlpool zu gönnen? Eine Anschaffung mit echtem Mehrwert, die Kinder können auch drin baden, der Nah­erholungswert für Körper und Geist ist unbestreitbar und die Frau freut sich auch über die luxuriöse Überraschung mit durchaus romantischem Potenzial. Nein, tut sie nicht. Die armen Kinder, sie machen eh so wenig Bewegung, in der Schule ist der Sportunterricht ein Witz und jetzt sollen sie daheim auch noch faul im Wasser treiben? Und überhaupt, was das kostet. Und wer putzt das? Ist das überhaupt hygienisch? Und schon sitzt man in aller Stille alleine drin, Dosenbier in der Hand und fröhlich furzend. Die Kinder spielen eh lieber drinnen und der Frau ist ob der unabgesprochenen Anschaffung grundsätzlich die Lust auf Blubber, Prosecco und eventuell noch mehr vergangen. Stripperinnen ins Haus bestellen spielt’s auch nicht, also war das wirklich so eine gute Idee? Andererseits: Stille, Dosenbier, furzen. Im eigenen Jacuzzi. Case closed.

Preis: Auf Dauer jedenfalls günstiger als Thermenwochenenden. ★★★★★
Haltbarkeit: Macht auch im hohen Alter noch echt Freude. ★★★★★
Streitpotenzial: Sobald die Kinder Netflix entdecken, Schnee von gestern. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: Duftkerzen, Blütenblätter. Romantik gewinnt! ★★★★★
Notmaßnahme: Siehe oben. Plus Champagner und Barry White.

Foto: (c) Maximilian Lottmann

Die Referenzanlage
Alles ist besser in 4K HDR 7.1 Dolby Atmos, auch die „Vorstadtweiber“. Mit List und Hartnäckigkeit hat man die Frau überredet, im Wohnzimmer die Blumenecke ein wenig zu reduzieren und die alte Kommode der Tante ins Gästezimmer zu übersiedeln. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen 65” Curved 4K HDR Flatscreen mit passender 7.1 Surround-Anlage, damit auch im Wohnzimmer Fernsehen zum Erlebnis wird. Richtig satter Klang kommt aber nicht aus zierlichen kleinen Würfeln, wer ordentlich Bums mit Kinoanspruch spüren will, braucht nicht nur einen Subwoofer in der Größe einer Bierkiste, sondern auch strategisch verteilte Satelliten mit entsprechend Volumen. Die stehen halt da, wo sie ausgemessenerweise am besten klingen und verkabelt werden können, da muss die Stehlampe eben woanders hin, und die Orchideen auch. Selbst wenn die Frau den völligen Zusammenbruch des Innenraumkonzepts und Feng-Shui sowie wahlweise Kabelsalat und Elektrosmog bemängelt: Das muss so. Fußball-WM, Hahnenkamm-Abfahrt, Netflix, ja selbst der Assinger bei der „Millionenshow“ kommt einfach besser, wenn man in eine Wolke aus Sound eingebettet ist. Dann können beim Esstisch eben nur vier statt sechs Leute sitzen, es gibt je eh noch das Kellerstüberl.

Preis: Hi-Fi kostet doch fast nichts mehr. ★★★★★
Haltbarkeit: 8K und 9.1 lassen nicht lange auf sich warten. ★★★★★
Streitpotenzial: Steht und fällt mit der Auswahl der richtigen Farbe und Oberfläche. ★★★★★
Wieder-gut-werd-chance: Spätestens bei den leuchtenden Kinderaugen, wenn der Pixar-Film so richtig abgeht, ist alles wieder gut. ★★★★★
Notmaßnahme: Bedingungsloses Überlassen der Fernbedienung für zumindest zwei Wochen.