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Archiv 1992: 33 unangenehme Fragen an Johanna Dohnal

Feminismus und Hass, das sind die beiden Schlagworte, die die Frauenministerin für viele zum Feindbild machen. Den WIENER-Redakteuren Michael Fink und Georg Nowotny erklärte sie, warum die Männer diskriminiert gehören.

WIENER: Frau Minister, wie erklären Sie sich, dass nach vielen Jahrzehnten des Feminismus noch immer so wenig Frauen in der Politik mitzureden haben?

Dohnal: Wir haben in Österreich ja keinen wirklichen Feminismus gehabt. Und wir haben auch jetzt noch keinen. Der Feminismus ist hierzulande keine akzeptierte und breit diskutierte Gedankenrichtung.

WIENER: Dass es so wenige einflussreiche Politikerinnen gibt, liegt doch vielleicht auch an der mangelnden Qualifikation und an der mangelnden Bereitschaft der Frauen, sich zu engagieren?

Dohnal: Ich würde eher sagen: Die Frauen, die bereit sind, sich politisch zu engagieren, und die das auch anstreben, sind die Unbequemen. Die haben schon aus diesem Grund viel weniger Chancen. Wir haben es mit folgendem Zustand zu tun: Die Frauen, die den Boden aufbereiten, kommen dann selber gar nicht in die richtigen Positionen. Die Männer suchen sich dann nämlich die Frauen aus, die ihnen bequemer sind.

WIENER: Wie sieht es denn mit der Quotenregelung in Ihrer eigenen Partei, der SPÖ, aus? Sehr viel liest und hört man jetzt nicht mehr davon.

Dohnal: Oh ja, doch! Der Prozess der Quotenregelung ist in der SPÖ sehr wohl im Gang. Wir haben zwei Landesparteien, die bereits die 40-Prozent-Quote im Statut haben.

WIENER: Ganz hart wird es für Sie ja im Österreichischen Gewerkschaftsbund werden, der ist eine Männerhochburg, ähnlich der katholischen Kirche.

Dohnal: Natürlich, ja. Ich habe diesen Befund zwar nicht gebracht, der ist von Ihnen, aber ich gebe schon zu, dass sich diese Sichtweise aufdrängen kann. Es ist im ÖGB sehr hart. Aber Frauen, die berufstätig sind, die Familie haben, haben es eben wahnsinnig schwer, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

WIENER: Wäre es nicht die Aufgabe des sozialdemokratisch dominierten ÖGB, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen?

Dohnal: Ja.

WIENER: Er tut es aber, wie so vieles, nicht.

Dohnal: Er tut es nicht ausreichend. Aber ich möchte nicht die Partei und den ÖGB gegeneinander ausspielen; in beiden Gruppen ist noch genug für die Frauen zu tun.

WIENER: Es gibt auch in Ihren eigenen Reihen viele, die eine Quotenregelung für nicht sehr sinnvoll halten.

Dohnal: Die werden immer weniger.

WIENER: Es sind ja nicht immer nur die Männer, die Frauen im Wege stehen. Der ehemalige Wiener ÖVP-Obmann Heinrich Wille hat erklärt, dass unter den wütendsten Protestanrufern gegen die Kandidatur von Maria Rauch-Kallat als seine Nachfolgerin zu 90 Prozent Frauen gewesen wären. Wie er sagt, meinten die: „A Weib darf nicht ÖVP-Chef werden.“

Dohnal: Erklären kann der Herr Dr. Wille alles. Ich glaube ihm das nicht. Das ist auch sicher nicht wahr.

WIENER: Sie meinen ernsthaft, dass Frauen von Frauen regiert werden wollen?

Dohnal: Ja.

WIENER: Die Problematik bei all den Frauenforderungen ist ja, dass die Frauen zwar viel fordern können, dass aber letztlich die Männer über die Frauenforderungen entscheiden. So wie auch in den meisten Familien der Mann letztlich die Entscheidungen trifft.

Dohnal: Ich glaube, dass das in mehr und mehr Familien nicht mehr 50 ist, dass letztendlich der Mann alles entscheidet.

WIENER: In der Politik aber offensichtlich schon noch.

Dohnal: Und in der Politik kommt es eben darauf an – und das ist besonders hart für die Frauen, die diesen Kampf führen, die sich dafür engagieren -, die Männer als Verbündete zu gewinnen. Das bleibt einem nicht erspart.

WIENER: Sind alle Frauen diskriminiert und daher schutzwürdig?

Dohnal: Nein. Eindeutig nicht. Sexistisch allerdings ja, man kann fast alle Frauen unter der Gürtellinie treffen, dagegen ist auch eine Frau Rabl-Stadler nicht gefeit.

WIENER: Sind Sie selbst eine Diskriminierte als Frau?

Dohnal: Nein. Ich komme gar nicht mehr in die Situation, mich diskriminiert zu fühlen. Aber ich habe schon auch Erlebnisse dieser Art.

WIENER: Das heißt, man behandelt Sie nicht gleichberechtigt?

Dohnal: Es gibt schon manchmal Verhaltensweisen mir gegenüber, die man durchaus als sexistisch bezeichnen könnte.

WIENER: Sie treten bei Ihren Forderungen immer für alle Frauen ein. Zum Beispiel, wenn es um das Pensionsalter geht. Warum sollen etwa Single-Frauen, die keine Kinder haben, früher in Pension gehen dürfen als Männer, das ist ja diskriminierend.

Dohnal: Also ich erhebe überhaupt nie den Anspruch, dass ich für alle Frauen eintrete. Sicher ist das Leben der einzelnen Frauen sehr unterschiedlich, ob jetzt eine alleine lebt, keine Kinder hat und keinen Mann, oder ob sie das alles hat und sich trotzdem auch in der Arbeitswelt behaupten will. Nur die Rahmenbedingungen sind trotzdem für beide gleich. Das heißt, die Tatsache, dass Frauen praktisch gehandicapt sind, weil sie Kinder haben. Und die Frau, die noch keine Kinder hat, wird gefragt, ob sie jemals welche kriegen will, und hat schon von Haus aus einen anderen Berufseinstieg als ein Mann.

WIENER: Das heißt, eine Frau zu sein, ist in jedem Fall wie ein Kainsmal im Berufsleben. Darum müssen die Frauen besser gestellt werden als die Männer.

Dohnal: Die Tendenz geht schon in die Richtung.

WIENER: Und das berechtigt auch Frauen, die keine Doppelbelastung – Familie und Beruf – haben, früher als Männer in Pension zu gehen.

Dohnal: Nein, das wäre zu verkürzt

, weil da geht es ja um ganz andere Zeiträume. Eine Frau, die heute 20 ist oder 25, die weiß ja noch gar nicht, wie sie ihr Leben gestalten wird.

WIENER: Das heißt, unabhängig von den äußeren Bedingungen wollen Sie für alle Frauen das Privileg der früheren Pension haben?

Dohnal: Mir geht es darum, dass eingehalten wird, was wir den Frauen auch versprochen haben. Und wir haben versprochen, dass das Pensionsalter für Frauen, solange es keine tatsächliche Gleichstellung mit den Männern gibt, nicht hinaufgesetzt wird. Und ich will haben, dass diese Regierung ihr Versprechen den Frauen gegenüber erfüllt.

WIENER: Frau Minister, in Wirklichkeit sind Sie ja schon einen Schritt weiter. Unlängst haben Sie gesagt, nach der lange anhaltenden Diskriminierung der Frauen müssen sie jetzt nicht nur gleichberechtigt, sondern vielmehr bevorzugt behandelt werden. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Österreicher, nämlich die Frauen, Vorrechte gegenüber der Minderheit, nämlich den Männern, hätte. Wollen Sie Diskriminierung durch Diskriminierung ersetzen?

Dohnal: Also erstens hat das nichts damit zu tun, was ich will, zweitens ist das gar nichts Neues. Im Artikel der UNO-Konvention, den wir bereits 1982 ratifiziert haben, ist diese zeitliche Bevorzugung der Frauen oder auch positive Diskriminierung der Männer festgeschrieben. Ich will diesen Grundsatz in einem einfachen Gesetz für den Bundesdienst anwenden.

WIENER: Das bedeutet im Umkehrschluss: eine zeitliche bewusste Diskriminierung der Männer.

Dohnal: So lange, bis ein Gleichstand hergestellt ist.

WIENER: Das kann aber noch lange dauern.

Dohnal: Das fürchte ich schon.

WIENER: Mit dem Stil, in dem Ihre Forderungen vorgebracht werden, sind viele Leute nicht einverstanden. Sie haben das Gefühl, die Dohnal fällt immer mit der Tür ins Haus. Sie haut sozusagen immer gleich auf den Tisch.

Dohnal: Ich haue überhaupt nicht auf den Tisch. Ich verhandle wirklich geduldig und zäh.

WIENER: Halten Sie sich für eine Diplomatin?

Dohnal: Was ist denn eine Diplomatin? Das möchte ich wirklich wissen, was man unter einer Diplomatin versteht. Das, was ich sehe und was ist, spreche ich eben aus.

WIENER: Das ist nicht unbedingt Diplomatie.

Dohnal: Macht nix. Aber ehrlich.

WIENER: Die Konfrontation scheint Ihnen also der beste Weg zu sein, etwas zu erreichen?

Dohnal: Es geht ja gar nicht ohne Konfrontation. Ohne Konfrontation geht gar nix.