Stermann:Der Zahnkrieg

WIENER-Kolumnist Dirk Stermann erklärt auf höchst ungewöhnliche Art und Weise das Zustandekommen ganz persönlicher Ausländerfeindlichkeit.

„Moslemmänner sind die wehleidigsten“, sagte Birgit, Zahnarzthelferin in Meidling. „Die kommen erst, wenn’s zu spät ist. Weil sie sich fürchten, dass eine Kontrolle weh tut. Wenn sie dann kommen, ist der Zahn nicht mehr zu retten. Reiß mal einem Moslem einen Zahn. Die schreien, dass Allah aus den Ohren blutet.“ Ulla wohnte neben ihr. Allein. Birgits Mann hatte mit Implantaten soviel Geld verdient, dass er sich in Südfrankreich ein Chalet samt Französin zugelegt hatte. Fantastische Zähne und französischer Akzent. „Brigitte Bardot für Blinde“, sagte Birgit. Ihr Kiefer mahlte zuwider vor sich hin und zerrieb alles, was der Freudlosigkeit im Weg stand. „Brigitte Bardot“ war Marokkanerin, aus einem Dorf in der Nähe von Essaouria. Sie war Muslima, deshalb Birgits Hass auf Moslems. „Blondgefärbte Burkabraut“, sagte sie, aber auf den Fotos sah man eine moderne Frau, die neben dem Zahnarzt mit ihm und der südfranzösischen Mittelmeersonne um die Wette strahlte.

Birgit hatte oft nachts Dienst, zahnärztlicher Notdienst. Hier kamen grundsätzlich nur Patienten, die starke Schmerzen hatten. Ulla war auch einmal nachts zu ihr in die Praxis gefahren. Ein Zahn war explodiert, Dr. Böhm hatte ihn gerissen, Birgit hatte ihre Nachbarin bevorzugt behandelt. Im Wartezimmer stiegen in Ulla Bilder auf, wie aus Kriegsfilmen. Vollbesetzes Lazarett, Kriegsversehrte, stöhnende Opfer des Krieges zwischen Zahn und Mensch. Tatsächlich hatten 90 Prozent der Patienten Migrationshintergrund. Aber Ulla bemerkte es nur, stieß sich nicht daran. Im Zahnschmerz waren alle Menschen gleich. Buddhas Kinder hatten eitrige Zahnwurzeln genauso wie Abrahams Enkel, und auch der Islam war kein Garant für gesundes Zahnfleisch. „Wenn er eine Schwedin bumsen würde, wärst du dann skandinaviphob?“ fragte Ulla. Langsam wurde ihr die Nachbarin zuwider. Birgit konnte sich als Zahnarzthelferin nicht verwirklichen. Sie reichte nur das Besteck, sie war eine Art Kellnerin. Eine dentale Servierkraft. Alles Schöpferische, das Reißen der Zähne, das Ziehen der Wurzeln, das Einsetzen der Porzellaninlets, die Auswahl der Farben der Kronen, alles das entschied Dr. Böhm. Aber in ihrem Hass war sie nicht angestellt, da war sie die Chefin. Selbständig böse war sie. Auf die Welt, den Islam und ihren Mann, der sich in Betten des Morgenlands vergnügte. Mit blondgefärbten Schwarzhaarigen. Und ihr blieb 1001 Ohnmacht. „Mein Mann hat mir Multikulti aus dem Herzen gefickt. Seit sein Schwanz ein sarazenischer Krummsäbel ist, weht meine Toleranz auf Halbmond. Können die sich nicht in ihrem eigenen Kulturkreis betrügen? Warum lassen die mich nicht außen vor bei ihrem Fickterror? Diese Nutte ist die feuchte Möse der Al Kaida. Eine afghanische Höhle.“

„Ich dachte, sie ist Marokkanerin“, warf Ulla ein, aber Birgit fuhr unbeirrt fort. „Ich hab’ im Urlaub den Blick gesenkt. In Ägypten. Ich hab das Land nicht gesehen, aber ich kenne die unterschiedlichsten Straßenbeläge. Ich hatte gelesen, dass man als Frau den Blick senken soll. Ich hab mich dran gehalten, aber diese Wüstenschlampe nicht. Sie hat meinen Mann angeschaut. Meinen Mann! Soll ich dir was sagen? Wann immer ein Moslem in die Praxis kommt, mit eitrigen Wurzeln und tiefen Taschen und Karies, die schon am Nerv bohrt. Dann freu’ ich mich. Dann schau ich denen in die Augen. Ich sag’ kein Wort, aber mein Blick signalisiert ihnen: jetzt fick ich euch. Aber so, wie ihr niemals gefickt werden wollt! Dann hol’ ich das Besteck und bevor der alte Böhm ins Behandlungszimmer kommt, hab ich schon den Kopftüchern und ihren Männern wehgetan. Ohne Spritze. So wie sie mir wehgetan haben.“