Naked Lunch: Oliver Welter im Gespräch

Gerade sind Naked Lunch von ihrer „All is Fever“-Tour zurückgekommen. Wir baten Sänger und Songschreiber Oliver Welter zum Interview.

Keep it hardcore. Die golden glänzende Rettungsdecke am Albumcover, die auf den ersten Blick als solche gar nicht zu erkennen ist: sie ist vielleicht die perfekte Metapher für „All is Fever“, das neue Album von Naked Lunch. Große, dicht arrangierte Popsongs mit über noch größere Gefühle, Liebe, Verlust, Tod, Abschied. Durchhalteparolen eben. Ironie wäre hier feige, die Trommeln marschieren und hämmern imposant nach vorne und wir, die wir auf Naked Lunch-Alben immer ein wenig länger warten müssen, als wir das möchten: wir marschieren und hämmern mit. Gerade von der Album-Tour zurück, bitten wir Sänger und Songschreiber Oliver Welter zum Interview.

Wiener: Ihr seid gerade von eurer Tournee zurückgekommen – wie war’s für Euch?

Oliver Welter: Unterwegs zu sein ist mittlerweile sehr anstrengend. Wir sind ja keine 18 mehr. Dennoch, fast jeden Abend dann vor Menschen zu spielen, die zu unserer Musik tanzen, singen, lachen und weinen ist Lohn genug für alle Strapazen.

Lass uns über euer fabelhaftes neues Album „All Is Fever“ sprechen. Ihr hattet, so liest man, anfangs den Anspruch das ganze sehr minimalistisch zu halten, habt dann aber ein durchaus orchestrales, beinahe hymnenhaftes Album geschaffen.

Welter: Es war zumindest mal angedacht ein stilles, kleines Album zu produzieren. Da dies aber, wie es scheint, gerade von sehr vielen Musikern und Bands anvisiert und bewerkstelligt wird, haben wir uns zu einem anderen Weg enschlossen. Zudem bereitet uns opulentes Produzieren und Arrangieren von vermeintlich simplen Popsongs große Freude.

Foto (c) Ingo Pertramer

Es ist allgemein bekannt, dass Naked Lunch-Alben vom Arbeitsprozess her keine leichte Geburten sind und einige Jahre in Anspruch nehmen. Kannst du ein wenig über den Schaffensprozess beziehungsweise dessen Chronologie für „All Is Fever“ erzählen?

Welter: Zwischen zwei regulären Naked Lunch Alben verstreichen im Moment etliche Jahre. Wenn unser persönlicher Drang etwas aus uns raus zu lassen nicht gegeben ist, sehen wir keinen Bedarf für neue Stücke. Irgendwann aber ist der eigene Silo an Befindlichkeiten so vollgefüllt, dass er quasi entleert werden muss. Dann mach ich mich hin und schreibe Lieder. Meist viele Lieder. Diese werden dann im Studio von Herwig Zamernik in Klagenfurt gehört und, bei Gefallen, arrangiert und produziert. Dieser Prozess ist ebenfalls meist ein sehr langer und aufwändiger. Die Nettozeit an diesem Album beträgt im Endeffekt, rechnet man das Schreiben der Lieder dazu, 18 Monate. Tendenziell wohl eher mehr.

Gibt es für Euch den Punkt wo ihr sagt: jetzt ist das Album zu 100 % fertig, nichts wie raus damit – oder gibt man es nach so langer Zeit nur schwer aus der Hand?

Welter: Wenn diese Entscheidung alleine von mir abhängig wäre, wir würden nie ein Album fertig bringen. Ich bin ein notorischer Nörgler und möchte ständig noch Kleinigkeiten verbessern, oder gar fast fertige Songs richtiggehend wieder eliminieren. Mein Korrektiv ist dabei wiederum Herwig Zamernik, der mich wissen lässt wann und warum es genug ist. So muss und soll das wohl sein bei uns. Ich gebe das Baby, also eine neue Platte, nur sehr ungern aus der Hand.

Quasi als Interims-Album zwischen „This Atom Heart Of Ours“ und „All Is Fever“ habt ihr 2011 „Amerika“ veröffentlicht, eine Liedsammlung zum gleichnamigen Stück von Kafka. Du komponierst ja viel für Theater – ist es für dich einfacher, mit gewissen thematischen Vorgaben zu arbeiten?

Welter: Es ist, das gebe ich unumwunden zu, viel leichter in einem großen Prozess als Zuarbeiter zu wirken, als eigene Songs zu schreiben. Hierbei muss oder müssen Thematiken erst gefühlt und/oder erdacht werden. Dieser Vorgang kann ein sehr zäher und zermürbender sein. Gebt mir ein klares Ziel und eine Vorgabe und ich schreibe ein Album in einem Monat. Lasst mich ohne jegliche Vorgaben arbeiten und ich benötige für dieselbe Anzahl von Liedern zwei Jahre. So einfach und dennoch verquer ist das.

2012 hast du in einem Interview mit der Kleinen Zeitung gesagt, dass du bezüglich der Lage in Kärnten nicht wirklich optimistisch bist. Ich nehme an, dass sich diese Einschätzung ein wenig verändert hat?

Welter: Noch nie davor war es so schön zuzugeben, dass man sich in einem wichtigen Punkt so grundlegend geirrt hat. Das Leben hier in Kärnten hat nach dem 3. März wieder eine völlig neue Dimension angenommen. Es ist wieder ganz normal geworden.

Was steht für dich / für euch als nächstes an?

Welter: Privat – sich auf den Sommer freuen. Mit der Band – sich auf die Sommerfestivals freuen. Alles weitere wird sich zeigen. Wir sind nicht gut in der Zukunftsplanung. Aber so gar nicht.

All is Fever“ ist über Tapete Records in jedem ernstzunehmenden Plattengeschäft wie auch online erhältlich.