Jason Bateman:Hallodri Adè

„Was immer man im Leben macht, man sollte es vollständig ausleben“, sagt Hollywood-Star Jason Bateman. Er hat Lust und Laster genossen – und sich dagegen entschieden. Warum, erklärt er im WIENER-Interview.

Fäkalienschleuder, kombiniert mit Tränendrüsendrücken: Mehr noch als in „Die Hochzeits-Crasher“ spielt Regisseur David Dobkin in „Wie ausgewechselt“ die Geschlechterklischees gegeneinander aus. In der althergebrachten Story von zwei Freunden, die sich von heute auf morgen in Körper und Leben des jeweils anderen wiederfinden, zeigt er für pubertierende Burschen geräuschvolle Körperfunktionen von Babys, für schmachtende Zuseherinnen heulend vorgebrachte Analysen von Beziehungskrisen.

Über allem steht in „Wie ausgewechselt“ aber eine philosophische Frage: Was für ein Leben wünscht sich ein Mann? Viel unverbindlichen Sex und Freiheit, wie das bei Mitch (Ryan Reynolds) der Fall ist, oder Erfolg in Beruf und Familie wie bei Dave, gespielt von Jason Bateman. Letzterer kennt persönlich beide Varianten und ist eigentlich ganz froh, aus dem feucht-fröhlichen Leben in den Hafen der Ehe umgeschwenkt zu haben. Er versucht möglichst viel zu arbeiten. „Sie dürfen ja auch täglich arbeiten“, sagt er neidisch zu mir. „Nur wir Schauspieler dürfen das nicht.“

Und schon sind wir mitten im Thema des Films: Wer beneidet hier eigentlich wen?

Ich kann mich nicht entscheiden: Ist „Wie ausgewechselt“ eher ein Männer- oder ein Frauenfilm?
Wir haben versucht, beiden Seiten Rechnung zu tragen. Natürlich gibt es diesen Ekelhumor, der einigen Zuseherinnen nicht so zusagt. In solchen Momenten ist es ein Film für Burschen. In anderen, dramatischeren Momenten wiederum wird es den Männern mulmig zumute. Ich habe selbst ein bisschen geweint.

Der Film hat eine recht konservative Botschaft: „Versuch nicht, jemand anderer zu sein, gib dich damit zufrieden, was du bist.“ Gleichzeitig stößt der Ekelhumor gerade die konservativeren Zuseher wohl eher ab. Wie verträgt sich das?
Es gibt natürlich Leute, die sagen, sie hätten dieses Körpertauschkonzept schon mal besser gehen, und dass sie lieber in einen anderen Film gehen wollen. Aber das gilt ja für jeden Film. „Wie ausgewechselt“ war ein sehr spezielles Unterfangen für den Regisseur. Er wollte, dass man ihn entweder liebt oder hasst.

Sie müssen in dem Film zwei verschiedene Charaktere spielen. Sind Sie da nicht durcheinander gekommen?
Ich wusste, dass beide Figuren einen großen Teil von mir ausmachen, es war leicht, sie abzurufen.

Mit wem würden Sie lieber Ihr Leben tauschen: Mit Ihrer eigentlichen Rolle, dem fleißigen Familienvater Dave, oder mit dem Hallodri Mitch?
Mit keinem von beiden. Im Moment bin ich wie Dave, mit meiner Frau, meiner Tochter und dem zweiten, das unterwegs ist. Und Mitch war ich schon. Das hat Spaß gemacht, aber dorthin will ich nicht mehr zurück.

Das ist wohl die Lösung: Beides mal erlebt zu haben.
Genau. Was immer man im Leben macht, man sollte es vollständig ausleben.

Sowohl in „Kill the Boss“ als auch in „Wie ausgewechselt“ spielen Sie den ehrlichen, braven, hart arbeitenden Bürger, dem Groteskes zustößt. Können Sie sich mit diesem Charakter identifizieren?
Ich werde oft engagiert, ihn zu spielen, denn die Wiedergeburt meiner Karriere war die TV-Serie „Arrested Development“, und meine Rolle darin ist auch so. Das gefällt mir, weil dieser Charakter meist im Zentrum des Geschehens ist und das Publikum sich mit ihm identifiziert. In dieser Art Rolle liegt eine große Verantwortung: wie ein normaler Mensch glaubwürdig auf all den Irrsinn zu reagieren, der ihm passiert – und ich komme gerne in vielen Szenen vor.

Wenn ich Sie in diesen Filmen so sehe, denke ich mir: Was für ein netter, anständiger Typ. Sind Sie wirklich so?
Ich glaube schon, dass ich ganz anständig bin. Niemand von uns ist perfekt, aber meistens bin ich ein recht normaler Typ. Es fällt mir nicht schwer, einen Durchschnittsmenschen darzustellen. Da bin ich ein Naturtalent.

Und Sie arbeiten viel im Moment: „Paul – Ein Alien auf der Flucht“, „Kill the Boss“ und jetzt „Wie ausgewechselt“ …
Ja, ich arbeite gerne viel! Sie dürfen jeden Tag arbeiten, jeder andere darf jeden Tag arbeiten, nur Schauspieler nicht. Also wenn man nach einem Film gleich den nächsten kriegt, ist das ein Privileg.

Würden Sie sich selbst als Komödiant bezeichnen?
Nein. Ein Komödiant ist Tag für Tag professionell lustig. Ich bin eher ein Schauspieler, der seit langem viel für Komödien gebucht wird.

Sie wurden einmal als jüngster Regisseur in der Director’s Guild of America angeführt, als Sie mit 18 bei einigen Folgen der Sitcom „Valerie“ Regie führten. Bei einem Kinofilm haben Sie aber noch nicht Regie geführt. Kommt es bald mal dazu?
Ich würde wahnsinnig gerne abwechselnd spielen und Regie führen, wie Ben Stiller oder George Clooney. Nächstes Jahr geht es hoffentlich los, da führe ich bei einem Film Regie.

Was wird das für ein Film?
Eine kleine Komödie, die wohl auf Festivals laufen wird. Ich möchte es langsam angehen und nicht gleich überheblich rufen: Ich bin jetzt Filmregisseur! Ich möchte höflich diese Welt betreten und schauen, ob ich Ermunterung und Unterstützung finde.

Spielen Sie selbst dann auch die Hauptrolle?
Vorläufig stehe ich auf der Besetzungsliste, damit der Stein ins Rollen kommt. Sobald der Film finanziert ist, suche ich einen anderen Hauptdarsteller, der den Financiers ebenso recht ist, um mich auf die Regie konzentrieren zu können.

Sie waren ein Kinderstar in Amerika. Was wäre heute anders, wenn Sie nicht so früh zu schauspielern begonnen hätten?
Mir wäre wohl bewusster, wie schwierig es ist, sich als Schauspieler seinen Lebens-unterhalt zu verdienen. Das ist mir nämlich wichtig: Sicherheit und Routine bei der Arbeit.

Geht das als Schauspieler überhaupt?
Eben nicht, außer mit einer TV-Serie, die gut läuft. Bei Kinofilmen bist du nach Drehschluss quasi gefeuert und musst was Neues suchen. Ich glaube, wäre ich älter gewesen und hätte vielleicht ein Studium hinter mir gehabt, hätte ich mir zum Thema Schauspiel gedacht: Ich will nicht meine Zeit damit verschwenden, all das zu lernen, wenn ich nicht sicher sein kann, dass es meine Miete zahlt.

Würden Sie wollen, dass Ihre Kinder Schauspieler werden?
Nein. Gerade wenn man sehr jung ist, ist es schwierig zu lernen, jemand anderer zu sein, während man gerade noch dabei ist zu erfahren, wer man selbst ist. Das ist doch eine total seltsame Vorstellung.

Info

JASON BATEMAN: Seit er 12 ist, steht der 1969 geborene Bateman vor der Kamera. In TV-Serien wie „Unsere kleine Farm“ oder „Valerie“ wurde er zum Teenie-Publikumsliebling. Nach einigen Alkoholproblemen gab die Sitcom „Arrested Development“ (2003-2006) seiner Karriere neuen Schwung. In den oscarnominierten Filmen „Juno“ und „Up in the Air“ bekleidete der Mann mit dem freundlichen Gesicht Nebenrollen. Sein trockener Humor und seine Glaubwürdigkeit als strebsamer Workaholic und Familienvater machen ihn zum Star von Hollywoodkomödien, in denen ihm absurde Dinge passieren, etwa dass er in ein Mordkomplott gegen den eigenen Chef verwickelt wird, wie in „Kill the Boss“, zurzeit im Kino. Auch David Dobkins Film „Wie ausgewechselt“ (OT: „The Change-Up?) mit ihm, Ryan Reynolds, Leslie Mann und Olivia Wilde läuft seit 14. Oktober in Österreichs Kinos.