Kottan ermittelt:Kottans Rückkehr

27 Jahre nach dem Aus der wohl innovativsten Krimiserie im deutschsprachigen Raum erlebt „Kottan ermittelt“ mit „Rien ne va plus“ eine Auferstehung im Kino. Der WIENER sah den Film vorab – und sprach mit Regisseur Peter Patzak.

Erst ein paar Wien-Bilder, dass ma wissen, wo ma san.“ Lukas Resetarits‘ Stimme über ein paar souveränen Luftaufnahmen der Hauptstadt eröffnet den neuen „Kottan“-Film. „Und jetzt die alten Neuen, oder die neuen Alten, wie man’s nimmt.“ Und dann präsentiert er im Zuge einer Probe von „Kottan’s Kapelle“ beim Grillen an der Donau alle Neuen (im Vergleich zur 1983 eingestellten TV-Serie).

Geradliniger hätte man es nicht machen können. Gut so, und: nix Neues. Denn im Gegensatz zu anderen Serien, die personelle Veränderungen, und sei der Darsteller noch so akut an einem Herzinfarkt verstorben, durch haarsträubende Handlungsverrenkungen plausibel machen wollen, wechselte der Kottan seine Belegschaft immer schon ohne viel Tamtam. Kottan is fast so flexibel wie James Bond. Den Polizeipräsidenten Pilch etwa spielte ab Folge 7 auf einmal Kurt Weinzierl und nicht mehr Harald von Koeppelle. Sogar die Titelfigur hatte drei Gesichter: Peter Vogel, Franz Buchrieser – und zuletzt eben Lukas Resetarits, der die 27 Jahre Suspension (mit Gattin Bibiane Zeller) schad- und kommentarlos übertaucht hat.

Es geht also weiter wie bisher. Einige Darsteller der alten Riege sind verstorben und dadurch – kein Widerspruch in der schrägen Kottan-Logik, nach der sowieso alles möglich ist – ein bisschen jünger geworden. „Mir war wichtig, dass die Neuen die Charaktere der Alten übernehmen, ohne sie zu kopieren“, erklärt der neue-alte Regisseur Peter Patzak. So bewirbt sich Robert Stadlober als zielsicherer Trottel vom Dienst, also als Schrammel, erfolgreich um die Leitung des Schießtrainings. Präsident Pilch (herrlich quirlig: Udo Samel) hat Angst um seinen Posten und schenkt Wien daher den Polizeiapparat. Keine Aufstockung des Kiebererpersonals, wie sie oft gefordert wird, sondern: einen Nachfolger des legendären Kaffeeautomaten, eine Maschine (mit Samels eigenem Konterfei), die ohne viel Federlesens Ad-hoc-Strafen exekutiert. Peinliche Auseinandersetzungen zwischen dem menschlichen Präsidenten und seinem automatischen Spiegelbild sind – wahrscheinlich sogar wörtlich – vorprogrammiert. Ja, und der Dezernatsleiter Paul Schremser, den einst der Kriegsinvalide Walter Davy authentisch einbeinig verkörperte, hat durch Johannes Krisch zwar ein Bein dazugewonnen, aber kein besonders Effektives, denn er braucht einen Gehstock. Und mehr Geld, denn er betreibt nebenbei noch ein Detektivbüro. Gut so, in Zeiten wie diesen und einer Welt, in der einen jeden Moment der Kot eines fliegenden Mopses auf dem Kopf treffen kann und digital animierte Kakerlaken alte „Kottan“-Zitate zirpen.

„Da stecken viele Ebenen dahinter, die man nicht gleich versteht. Den kann man sich ruhig ein zweites Mal anschauen“, empfiehlt der Regisseur. Neue Akzente auf kinematografischer Ebene – so scheint die Kamera manchmal Häuserfronten zu „durchblicken“ – wechseln sich mit rauen Bildern ab, die 1970er-Jahre-TV-Nostalgie aufkommen lassen. Das Neue hat Regisseur Peter Patzak souverän integriert, sich in erster Linie aber von den altbewährten guten Instinkten leiten lassen, die seinen Kottan seinerzeit zum Erfolg geführt haben. „Die Außenseiterposition hat uns so lange überleben lassen“, meint Patzak. Auch wenn der ORF immer wieder gerne mehr Konvention einforderte. Als die Serie auf DVD kürzlich vor allem im Deutschland alle Verkaufserwartungen übertraf, wurden Gespräche über ein Kino-Revival ernst. Jetzt wird der Kottan also vom Polizeipräsidenten nach drei Morden im Zuge eines dubiosen Glücksspiels wieder einberufen. Irgendwann ermittelt er dann auch, und irgendwie, so viel kann man verraten, löst er auch den Fall, aber so, dass er am Ende wieder außer Dienst gestellt wird. Alle weiteren Details der Handlung, aus der die Figuren immer wieder aussteigen, sich selbst kommentieren, um dann, wenn sie Lust haben, wieder in ihre Fiktivität zurückzukehren, sind zu kompliziert, um sie zu beschreiben. Gut so, denn der unmittelbare Genuss dieser befreiend anarchischen, urwienerischen und völlig unvergleichlichen Komödie ist durch nichts zu ersetzen.

Rien ne va plus, oder geht es noch weiter mit dem Kottan? „Da er wieder suspendiert ist, wird es halt schwierig, ihn schon wieder zurückzuholen. Aber dieses Gespann Krisch, Stadlober, Samel könnte schon eine tragende Gruppierung sein. Potenzial ist also da. Aber nicht fürs TV, fürs Kino. Da ist die Angstlosigkeit größer, und es fehlt die Bevormundung. Kottan war nie Kabarettfilm. Ich habe immer mit hervorragenden Bühnenschauspielern besetzt, nie mit Kabarettisten. Auch Lukas Resetarits war damals gerade erst dabei, der zu werden, der er heute ist. Gesellschaftspolitische Kommentare, wie sie im Film versteckt sind, lässt der ORF aber nur zu, wenn sie in der Comedy-Ecke sitzen und als harmlos gelten können“, so Patzak. Keine Freude hätte die politisch korrekte ORF-Redaktion etwa mit der Figur von Simon Schwarz. Als Kriminalassistent Stefan Platzer (sic!) singt er Propagandasongs und hält eine tränenselige Lebensmensch-Rede auf seinen ermordeten Vorgesetzten.

Zumindest mit diesen und anderen mehr oder weniger subtilen Anspielungen ist der Kottan im 21. Jahrhundert angekommen. Wie damals spielt auch beim Kottan 2.0 die Musik eine zentrale Rolle. Der beinmäßig aufgestockte Schremser darf auf einer namhaften Wiener Brücke eine ausgedehnte Musicalnummer hinlegen. Dass Johannes Krisch selbst Musiker ist, macht seine Figur endgültig zum coolen Hund. „Die Musikauswahl stammt von der Dramaturgie, also ausschließlich von mir“, ist Patzak stolz. „Aber ich habe den Johannes Krisch natürlich nicht darin bevormundet, wie er diesen Tanz einstudieren soll. Es ist eine Kombination aus acht präzisen Rock’n’Roll-Bewegungen.“ Soso. Gut so …

Info

Ab 3. Dezember 2010 im Kino. Regie: Peter Patzak, Drehbuch: Jan Zenker (Sohn von Helmut Zenker, dem Schöpfer des Original-Kottan), mit: Lukas Resetarits, Johannes Krisch, Udo Samel, Robert Stadlober, Wolfgang Böck, Simon Schwarz, Mavie Hörbiger, Bibiana Zeller u.v.a. // Die Kultserie „Kottan ermittelt“ erlebte zwischen 1976 und 1983 19 Folgen. Die Kieberergeschichten sind seitdem auch als Buch, Hörbuch, Comic und Theaterstück erschienen. Peter Patzak, 65, ist Regisseur und bildender Künstler. Er hat außerdem einen Lehrauftrag für Regie an der Wiener Filmakademie. Für Herbst 2011 plant er seine nächste Ausstellung als Maler.