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IQ – What?

Sarah Wetzlmayr

Unberechenbar: Der sogenannte IQ ist ein astreiner Ettikettenschwindel. Einen allgemeingültigen Wert zur Messung von „Intelligenz“ gibt es überhaupt nicht. 

Text: Günther Kralicek

Was ist das, Intelligenz? Das Ehrfurcht einflößende Wort ist ein Sammelbegriff für die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen. In den meisten Fällen bezeichnet es einfach, wie „g’scheit“ jemand ist – oder besser: für wie gescheit man jemanden hält. Die Sache hat mehr als einen Haken: Es gibt verschiedene Intelligenzen. Eine logisch-mathematische, eine sprachliche, eine musische, eine soziale, eine emotionale – und noch ein paar andere mehr. Intelligenz ist eben ein schwammiges Wort. Genauso schwam- mig wie die Spongeheads, die den Begriff „IQ“ mit sinnloser Bedeutung aufgeblasen und inflationär in Umlauf gebracht haben.

Die ersten Intelligenztests wurden bereits vor etwas mehr als hundert Jahren entwickelt. Ursprüngliches Ziel war es, einen Wert zu ermitteln, mit dem die Schulreife von Kindern festgestellt werden konnte. Seitdem wurden die zugrunde liegenden Formeln und Messmethoden immer wieder überarbeitet und angepasst. Bald wurden auch Tests für Erwachsene entworfen. Das geht so: Ein Team von Psychologen tut sich zusammen, hirnt ein paar frische Fragen und Aufgabenstellungen aus, und schon ist die Wissenschaft um einen neuen „Intelligenztest“ reicher. Dieser muss zunächst von einer ausreichend großen, repräsentativen Testgruppe absolviert werden; danach werden die Ergebnisse ausgewertet. Jene Leistung, die dem Durchschnitt der Testgruppe entspricht, wird mit dem IQ-Wert 100 benotet. Die übrigen Noten werden nach einem statistischen Schlüssel so verteilt, dass zwei Drittel aller Teilnehmer in einem IQ-Wertebereich zwischen 85 und 115 liegen. Drüber oder drunter ist dann noch Platz für die Ausreißer. Nun ist der neue Test „amtlich“. Jede weitere Person, die ihn fortan durchführt, wird an den Ergebnissen der ursprünglichen Referenzgruppe gemessen. Das ist ja alles recht hilfreich und übersichtlich. Der Testkandidat weiß: Alles, was über 100 liegt, ist schon mal gut – weil überdurchschnittlich. Außerdem erlaubt das Verfahren gewisse Vergleiche mit anderen Tests, weil jeweils das gleiche statistische Benotungs-Korsett dahintersteht.

Den universellen Intelligenztest gibt es nicht

Das Problem: Es kursieren heute dutzende anerkannte Intelligenztests, bei denen die Schwerpunkte jeweils ein bisschen anders gesetzt sind. Hier geht es mehr um logisches Denken und das Fortsetzen irgendwelcher Zahlenreihen, dort ist eher Sprachverständnis oder räumliches Vorstellungsvermögen gefragt. Mal braucht es ein gewisses Vorwissen, mal geht es ganz ohne. Bei fast allen Tests wird das Ergebnis am Ende als „Intelligenzquotient“ (IQ) ausgewiesen. IQ ist aber nicht IQ: „Den“ universellen Intelligenztest gibt es nicht. Deshalb sind Aussagen wie „Einstein hatte einen IQ von 160“ komplett sinnlos. Es kursieren Gerüchte, wonach es Johann Wolfgang von Goethe auf einen IQ von 210 brachte. Das ist insofern bemerkenswert, als die ersten IQ-Tests erst achtzig Jahre nach Goethes Tod in Umlauf kamen.

Anders als es vielleicht der allgemeine Sprachgebrauch nahelegt, ist der IQ kein „Fixwert“ eines Menschen (wie etwa die Körpergröße), sondern bloß eine selektive Momentaufnahme. Ein passabler Skirennläufer wird ja auch nicht – Hausnummer – Fünfter bei jedem seiner Rennen. Die Tagesform schwankt, der Hang ist immer ein anderer, und natürlich schläft auch die Konkurrenz nicht. In den 1990er-Jahren kam der Begriff der „Emotionalen Intelligenz“ auf, der es mit Daniel Golemans gleichnamigem Buch zu weltweiter Popularität brachte. Man hatte eingesehen, dass IQ-Tests alleine nicht der Weisheit letzter Schluss sein konnten. Das Ziel von Erwachsenentests ist ja in erster Linie, mithilfe des Testergebnisses Vorhersagen für den späteren (beruflichen) Erfolg eines Kandidaten machen zu können. Bei reinen Intelligenztests aber schneiden Autisten mitunter ebenso gut ab wie Spitzenmanager. Beim „EQ“ dreht sich alles um die emotionalen Kompetenzen der Testperson: wie gut jemand Gefühle wahrnimmt, beurteilt – und für sich zu nutzen vermag.

Hinter all den Zahlenspielereien steht der uralte Wunsch, das Wunder Mensch berechenbar zu machen. Auf der ganzen Welt stecken Personalbüros und Assessment-Center viel Energie und Geld in alle möglichen Aussiebverfahren der angewandten Psychologie. Im festen Glauben, auf diese Weise die geeignetsten Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Zwecke herauszupicken. Ob das so gescheit ist, sei dahingestellt. Es rechnet sich offenbar.

Foto: Getty Images