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Löcher die man lieben muss: Das Bendl
Im Bendl bekommt man für gutes Geld schlechte Musik aus einem CD-Wurlitzer. Aber das ist okay, weil im Bendl andere Gesetze als die von Raum, Zeit und Geschmack herrschen.
von Sarah Wetzlmayr
Wer ins Bendl geht ist entweder Burgschauspieler oder Burschenschafter, will Birgit Minichmayer bei einem Gespräch über Thomas Bernhard zuhören, oder Thomas Bernhard werden und nach diesem Besuch in ziemlicher bis absoluter Isolation leben. Er kann aber auch alles dazwischen sein. Auf jeden Fall wird der Bendl-Besucher rauchen. Sehr viel sogar. Und wenn er bis jetzt noch keinen blauen Dunst in seine Lunge gelassen hat, wird er das spätestens im Bendl bestimmt tun. Wie er auch das Bendl und seine Gäste in sein Herz lassen wird. Oder es für immer verschließen.
Das Bendl ist jedenfalls eine Institution und eigentlich sollte es mehr als das sein – ein psychoanalytisches Institut zur Erkundung der Wiener Seele nämlich. Denn die breitet sich im Bendl vor einem aus, wie ein von Zigarettenqualm vergilbtes altes Leintuch. Im Bendl muss man sich bücken um reinzugehen, sonst haut man sich am niedrigen Türstock den Schädel an, aber man muss sich nicht verbiegen um drinnen bleiben zu dürfen. Denn entweder man liebt seine gelbsüchtige Abgeschmuddeltheit und verzehrt sich schon am Weg in die Landesgerichtstraße nach dem Geräusch das Bierdeckel machen wenn man sie von ihrem klebrigen Untergrund löst, oder man zieht sich sowieso sofort wieder an und folglich auch ab. Und haut sich beim Rausgehen vermutlich den Kopf am Türstock an. Diese kopflastige Entscheidung wird also prompt mit einer Kopfnuss bestraft.
Nüsse werden einem keine hingestellt im Bendl. Außerdem sollte man ganz allgemein eher von der Aufnahme fester Nahrung im Bendl Abstand halten und lieber auf einer Spritzerwelle dahintreiben, ganz ohne Festland in Sicht. Auf dieser Welle kann man dann bis in den frühen Morgenstunden weiterschwimmen, während aus den Ritzen der alten Holzmöbel die Zeit und der Spritzer weiter die Kehlen hinuntertropfen. Damit man selbst nicht am Tropf landet, sollte man allerdings den Moment nicht versäumen, rechtzeitig abzurauschen, obwohl das ziemlich schwierig ist, denn hier ist es immer Mitternacht, immer 0 Uhr. Es ist immer keine Zeit, und man sollte trotzdem genug davon mitbringen, um das genießen zu können. Das Bendl ist ein Urgestein der Wiener Kaffeehauskultur und einer der wenigen Orte an denen man das Gefühl hat die Decke fällt einem deshalb nicht auf den Kopf, weil sie von all den Kulturplakaten aus vielen, vielen Jahrzehnten dort oben gehalten wird. Es ist eine Tropfsteinhöhle, in der sich die Tropfen von Ideen, Zeit und Spritzwein zu einem Fluss durch die düstere Wiener Seele vermischen.
Das Bendl hat auch eine Homepage, die allerdings das Provisorium zum Dauerzustand erklärt hat.
Fotos: Tripadvisor, Yelp