AKUT

Teil 2 einer Komödie in sieben Akten

Sarah Wetzlmayr

Der Wiener Journalist Kurt Molzer steckte vor fünf Jahren in einer Lebenskrise – also machte er den Taxischein. Eine Komödie in sieben Akten, Teil 2.

DIE SCHULE DER FUNKTAXI-ZENTRALE 40100 befand sich in einem Flachbau in der Laaer-Berg-Straße im zehnten Bezirk. Tiefstes Austrianer-Revier, das Horr-Stadion war nicht weit. An der Wand des gegenüberliegenden Gemeindebaus las ich jeden Morgen in violetten Buchstaben die freundlichen Worte: „Rapid verrecke!“ In meiner Gruppe gab es nur drei Österreicher, die Teilnehmer stammten hauptsächlich aus Serbien und der Türkei. Wir hatten auch einen Afghanen mit langem schwarzen Bart, Tunika und Aladin-Hose. Mehrmals am Tag verließ er wortlos den Schulungsraum. Ich wunderte mich: Der hat aber einen Druck auf der Blase! Es stellte sich heraus, dass er zu seinen heiligen Zeiten aufs Häusl marschierte, um Allah anzubeten. Vor jedem Gebet vollzog er offenbar sehr gründlich die rituelle Wäsche, weshalb das Klo dann jedesmal komplett unter Wasser stand. Unser Kursleiter, ein Wiener Taxi-Unternehmer, fand das wenig lustig. Am ersten Tag sagte er noch nichts. Aber am zweiten Tag platzte ihm der Kragen: „Wir respektieren Ihre Religion, und Sie werden auch uns respektieren!“ Der Gläubige verzichtete auf seine Gebete und wir konnten wieder mit trockenen Sohlen pinkeln. Allerdings beschlich mich die leise Angst, dass unser Mitbürger vom Hindukusch irgendwann mit einer Kalaschnikow daherkommen könnte.

Der Kurs dauerte fünf Tage. Vier Wochen später legte ich in der Wirtschaftskammer am Schwarzenbergplatz die Prüfung ab. Nicht schwer, aber eine Menge Holz: Ortskunde, Sozialrecht. Ich bestand auf Anhieb. Keine Selbstverständlichkeit, neunzig Prozent der Kandidaten rasseln durch. Mein erster Arbeitgeber war Boris (Name von der Redaktion geändert), ein kumpelhafter, baumlanger Bulgare mit längeren dunkelblonden Haaren, der aussah wie ein Rockmusiker. Ich las seine Stellenanzeige in der Kronen Zeitung und rief ihn an. Seine Flotte bestand aus alten, rostzerfressenen Mercedes-Modellen. Genau das Richtige für einen Anfänger, dachte ich. Beim Vorstellungsgespräch trug ich mein englisches Tweedsakko. Boris musterte mich belustigt und dachte wahrscheinlich: Was will denn der Sohn von Miss Marple bei mir? Aber er war freundlich und stellte mich sofort ein. Ich bekam einen dunkelblauen Kombi mit Handschaltung. Die Kiste war so verdreckt, dass ein ganzer Tag für die Reinigung draufging.

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Der Wiener Journalist Kurt Molzer steckte vor fünf Jahren in einer Lebenskrise – also machte er den Taxischein.Fotos: Kurt Molzer sen.