AKUT

Stadtbild: Neubau

Sarah Wetzlmayr

BEZIRK: Neubau
DATUM: 27.4.2016
UHRZEIT: 13.17

Text: Sarah Wetzlmayr
Foto: Sandra Keplinger

Nur Norwegen hat mit 265 Supermärkten pro einer Million Einwohner eine noch größere Supermarktdichte als Österreich. An der österreichischen Spitzenplatzierung in diesem Ranking wird sich vermutlich auch mit der Zielpunkt-Pleite im Winter des vergangenen Jahres nichts ändern. Das Wiener Stadtbild hingegen verändern die leer stehenden Filialen sehr wohl – wo früher das satte Leben zu finden war, lädt man jetzt nicht mal mehr zum Leichenschmaus. Doch nicht nur leer stehende Zielpunkt-Filialen sorgen zusehends dafür, dass sich Wien nach und nach zum Ruin-Porn bekennt. Schon seit der großen Welle der Postschließungen am Beginn der Nullerjahre zeichnet sich ein gewisser Trend zum öffentlichen Brachliegen ab, der seit Kurzem auch durch immer mehr leer stehende Bankfilialen unterstützt wird. So macht Wien die Finanzkrise nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar. Die Zielpunkt-Filialen wurden zu urbanen Zahnlücken, zu Stadt-Fossilien, die die Angst vor einer infektiösen, schwärenden Seuche in der Supermarkthauptstadt Wien schürten. Zum besseren Umgang mit der Angst vor der Lücke entschlossen sich viele für die Maltherapie und besprayten die Außenfassaden der Filialen, um von ihrer erschreckenden, blau-orange-farbenen Leere abzulenken.

Nach einem guten halben Jahr des Stillstands wird aber bald wieder pralles Konsumleben an vielen Standorten einkehren: Rund 100 der 229 Zielpunkt-Leichen werden als Filialen anderer Handelsunternehmen wieder- belebt und sorgen dafür, dass Wien auch in Zukunft eine stolze Stadt der Supermarktdichte bleibt – und nicht etwa zur Stadt der dichten Supermärkte verkommt.