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Der WIENER-Test: Thriller Park

Der Wurstelprater feiert 250. Geburtstag. Alle beschwören die gute alte Zeit, aber niemand erzählt uns, wo die wilden Abenteuer von heute lauern. Der WIENER hat die übelsten Mitfahrgelegenheiten des Praters getestet.

TEXT: GÜNTHER KRALICEK / FOTOS: MAXIMILIAN LOTTMANN

Okay, der allergrößte Thrill im Prater ist immer noch der Versuch, die gut auf­gewärmte Türkengang vom Watschenmann zu vertreiben, die dort gerade ihr Kickboxtraining absol­viert. Aber das ist eine andere Geschichte. Meine Aufgabe ist es, das ärgste „Fahr­geschäft“ – so heißen die bunten Buden im Fachjargon – des Praters ausfindig zu machen. Ich muss gestehen, dass ich trotz jahrzehntelanger Erfahrung als geborener Wiener immer noch nicht alle Attrak­ tionen von innen kennengelernt habe. Das soll sich heute ändern. Die fürchter­ lichsten Kandidaten habe ich auf einer Liste notiert, die es abzuarbeiten gilt. Als ich das Testgelände betrete, werde ich sofort sentimental. Jedes Mal, wenn ich über die Straße des Ersten Mai spaziere, überkommt mich eine unbändige Lust, in die winzigen bunten Autos im Retro­ design zu steigen, die mich damals als Bub so unendlich stolz gemacht haben. Kleine bunte Autos stehen aber natürlich nicht auf der Liste. Auch nicht der Rutschturm Toboggan, um den sich seit Jahrzehnten schauderhafte Gerüchte ran­ ken. In den 1950er­ Jahren soll hier eine Frau von einem sich lösenden Holzstück aufgespießt worden und ums Leben ge­kommen sein. Klassischer Fall von urbaner Legende. Es gab tatsächlich einmal einen Vorfall. Eine Frau musste verletzt ins Krankenhaus, das sie aber am selben Tag wieder verlassen konnte. Die Rutschbahn des Toboggan besteht heute aus Kunst­ stoff, Verletzungsgefahr gleich null.

Der Prater genießt bei vielen einen eher zweifelhaften Ruf. Na gut, der Strizzi lebt. Genau wie jener Spirit, der hier seit jeher um die Buden pfeift. „Tiaf“, aber oho. Eine knallbunte, ohrenbetäubende Welt, die es immer noch schafft, dich für ein paar Stunden aus dem Alltag zu schleudern. Und alle Jahre wieder gibt es neue Attrak­ tionen! Den Windkanal „Wind­-O-­Bona“ zum Beispiel, eine Art Freier­ Fall­ Simu­lator, bei dem man wie bei einem Fallschirmsprung mitten im Raum schwebt. Tolles Erlebnis, aber mit dem Adrenalin­kick bei einem echten Fallschirmsprung natürlich nicht zu vergleichen. Deshalb fehlt die neue Windmaschine auch auf unserer ultimativen Todesliste. Sind Sie bereit? Steigen Sie ein!

Der Test

250 Attraktionen hat der Prater zu bieten, geschätzte zwei Dutzend davon mit dem schön-schaurigen „Thrill-Faktor“. Es war gar nicht so einfach, die schlimmsten davon herauszupicken, allein die Zusammenstellung kostet einiges an Überwindung. Am Ende haben wir uns für einen bunten Mix unterschiedlicher Erlebnisqualitäten entschieden. Alle Sinne sollen schließlich auf ihre Rechnung kommen!

Der WIENER-Test erfolgt anonym und ohne jegliche Einbeziehung der vorgestellten Betriebe.

Olympia Looping

Das imposante Gerüst, bei dessen Airbrush-Gestaltung tief in den bayerischen Klischeefarbtopf gegriffen wurde, ist angeblich die größte transportable Achterbahn der Welt. Jungfernfahrt war 1989 beim Oktoberfest in München. Seitdem ist das ratternde Gestell on Tour rund um die Welt und bis 28. August 2016 noch zu Gast in Wien. Uns hat interessiert: Wie sicher fühlt sich die Fahrt auf den Schienen eines Achterbahn-Bausatzes an, der innerhalb weniger Tage auf- und wieder abgebaut werden kann?

Preis: 8,50 Euro
Fahrzeit: 2:20 min
Hereinspaziert: Bügel schließen, schon werden im Waggon flott Höhenmeter gemacht. Bald bin ich am Gipfel (32,5 m), etwa auf gleicher Höhe mit dem Blumenrad, das hier ganz in der Nähe seinen fixen Stellplatz hat. Jetzt geht alles sehr schnell: Wir stürzen in einer halsbrecherischen 90°-Steilkurve nach unten. Insgesamt fünf Loopings – die olympischen Ringe! – werden durchrast. Die sind aber relativ harmlos, weil der Wagen in den Loops doch etwas abgebremst wird. Den Rest der 1,25 km langen Strecke geht’s mit bis zu 100 km/h ordentlich zur Sache.
Kotzgefahr: Leicht flau im Magen. Hier sind doch alle möglichen horizontalen und vertikalen Kräfte am Wirken. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, torkle ich kurz wie nach einer Seereise.
More of the same: Eine Achterbahn ist eine Achterbahn ist eine Achterbahn. Im Prater gibt’s ein gutes halbes Dutzend davon. Eine Runde im Olympia Looping ist aber bestimmt der heißeste Ritt. Bei Nacht besonders schön!

Ejektion Seat

Der „Schleudersitz“ ist vielleicht die geheimnisvollste Attraktion im ganzen Prater. Abgesehen von der furchteinflößenden Konstruktion hat wohl auch der stolze Preis schon so manchen daran gehindert, das hier mal auszu-probieren. In einer offenen Kabine, die an zwei flexiblen Seilen befestigt ist, wird man 110 Meter hoch in den Himmel katapultiert. Pro Fahrt gibt es nur zwei Plätze, und die müssen aus Balancegründen beide besetzt sein. Nach langer Suche finde ich endlich einen unerschrockenen jungen Mann, der das Abenteuer mit mir wagt.

Preis: 15 Euro
Flugzeit: 1:30 min
Hereinspaziert: Platz nehmen in den Schalensitzen. Ich komm mir vor wie Felix Baumgartner, nur ohne Helm. Wir kippen nach hinten, Blick geradewegs gen Himmel. Der Zeremonienmeister lässt uns noch ein wenig zappeln, ehe er den Auslöseknopf drückt. Dann schießen wir, wie bei einem verkehrten Bungeejump, hinauf in Richtung Wolken. WOW!! Zweimal drehen wir uns wie bei einem Salto um die eigene Achse – halb so wild das. Wir schwingen noch eine Weile aus und werden auch schon wieder zu Boden gelassen.
Kotzgefahr: Nix da. Die größte Herausforderung ist die simple Entscheidung, hier Platz zu nehmen. Danach heißt’s einfach nur genießen. Übrigens: Eine Selfie-Kamera filmt die Gesichter der Piloten während des Flugs, die DVD dazu gibt’s um 10 Euro zum Mitnehmen.
More of the same: Beim nahe gelegenen Space Shot wird man ebenfalls in die Luft geschossen, allerdings mit Blick nach vorne. Kein Vergleich!

Turbo Booster

Die riesenhafte Zentrifuge mit zwei Doppelsitzbänken an beiden Enden der Schwungarme jagt einem schon von Weitem Respekt ein. Acht Leute hätten demnach Platz, ich bin an diesem kühlen Nachmittag aber ganz allein auf einem der Todessitze. 88 km/h zeigt der Tempomesser. Halb so wild. Oder??

Preis: 8 Euro
Flugzeit: 2:30 min
Hereinspaziert: Ratzfatz festgeschnallt, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Die Maschine setzt sich in Gang und entwickelt sehr schnell ihre Fliehkräfte, die sie mich auch gleich ordentlich spüren lässt. Eine Art vertikales Karussell, dessen Herausforderung nicht die große Umlaufbahn mit einem Durchmesser von rund 30 Metern ist. Mühsam ist vielmehr die verfluchte Sitzbank, die an einer zusätzlichen Achse aufgehängt ist und sich immer wieder wie eine wild gewordene Hollywoodschaukel um sich selbst dreht. Zwischendurch Momente der stabilen Ruhe – da kann man den Ausblick richtig genießen –, dann wieder kommt’s zu unkontrollierten Überschlägen der Freiluftkabine, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes Hören und Sehen vergeht. Mittendrin gibt’s eine kurze Pause, 30 Meter über dem Boden. Zeit, die angespannten Muskeln ein bisschen zu lockern. Dann weiter in die entgegengesetzte Richtung. Viel Spaß!
Kotzgefahr: Nicht ohne Stolz gestehe ich: Mir ist schlecht. Kann mich aber gerade noch beherrschen. Wer weiß, wie die Sache mit einem „Langos davor“ ausgegangen wäre?
More of the same: Schwarze Mamba oder Tornado kommen in die Nähe, Turbo Booster ist King.

Hotel Psycho

Bei einer Geisterbahn-Rezension ist es ähnlich wie bei Filmkritiken. Wie vermeidet man Spoiler? Mit nackten Zahlen vielleicht: Die neueste Geisterbahn auf dem Pratergelände öffnete erst vor zwei Jahren ihre gruseligen Pforten. Auf 300 Meter Schienen geht der kleine Horrortrip (ab 12 Jahren) über zwei Stockwerke, nach knapp fünf Minuten ist der Spuk auch schon wieder vorbei.

Preis: 5 Euro
Fahrzeit: 4:50 min
Hereinspaziert: Funktioniert genauso wie vor hundert Jahren: Man setzt sich ins Wagerl und wird in eine dunkle Grotte geschoben. Neu ist, dass die Waggons hier drehbar sind. Wenn man in der Finsternis verschwindet und sich dabei im Kreis dreht, kann man schon kurz mal die Orientierung verlieren. Aber sehr bald tauchen die alt- bekannten Geisterbahn-Vogelscheuchen aus dem Nichts ins Blitzlicht und man weiß wieder, wo man ist. Eh alles recht bemüht. Ich werde von diversen Lärm-, Video-, Wind- und Dampfeffekten umspielt. Im oberen Stock gibt’s dann auch die obligate Verschnaufpause an der frischen Luft, wo man seinen Zurückgebliebenen zuwinken darf. Danach noch einmal rein ins Vergnügen. Einen halben Schreckmoment hatte ich dann doch noch. Mehr wird nicht verraten.
Kotzgefahr: Definitiv nein. Ich hätte jetzt Lust auf Zuckerwatte.
More of the same: Im Prater gibt’s eine satte Handvoll Geisterbahnen, die alle so tun, als wären sie entsetzlich fürchterlich. Müssen sie, das ist ihr Job. Die Wahrheit erinnert an eine Lachnummer (diabolisches Gelächter aus dem Off).

Extasy

Der kleine Schuppen macht mit noch lauterer Musik und noch grelleren Blinklichtern auf sich aufmerksam als die umliegende Konkurrenz. Kein Zweifel, das hier ist das Fahrgeschäft für die junge Generation auf Braut- und Bräutigamschau. „Nichts für schwache Nerven“ steht auf dem Hinweisschild. Und was von 120 km/h bzw. Belastungen von bis zu 3 G. Geil, Oida!

Preis: 4,50 Euro
Flugzeit: 4:05 min
Hereinspaziert: Bügel schließen automatisch, einer kommt von oben, ein zweiter von unten. Gut so, denn in Kürze wird man nach allen Gesetzen der Physik durch den Raum gewirbelt. Rauf, runter, seitlich, kopf- über oder wo bin ich gerade? Hat wirklich was von einem Drogenrausch. „Geht scho, gemma Vollgas“, knarzt es aus den Boxen und das Tempo wird nochmal gesteigert. Mittendrin keimt Hoffnung auf, kommt das Ding schon zum Ende? Aber dann stellt sich die kleine Passagierkabine im Zeit- lupentempo auf den Kopf und weiter geht’s! Zurück am Boden kommt es zu einer finalen Walzereinlage, wie am Ball der Speed-Dealer.
Kotzgefahr: Hier gibt’s tatsächlich zwei Speibsackerl-Spender (deutsch und englisch) und mir ist auch mindestens eine Person bekannt, die hier schon Mageninhalt wieder veräußert hat. Ich selbst bin relativ klar im Kopf, vielleicht auch schon etwas immunisiert, weil von mehreren Attraktionen davor ausreichend durchgeschüttelt.
More of the same: Sombrero oder Break Dance versprechen ähnliche Rauscherlebnisse. Aber wer Extasy kennt, braucht das alles nicht.

Discovery Evolution

Bei dem massiven Ding in Gelb-Rot-Blau handelt es sich um eine Keule gigantischen Ausmaßes, oder soll ich sagen: Höllenschaukel für Erwachsene? Am äußeren Ende des Schwungarms befinden sich jedenfalls zwanzig im Kreis angeordnete Sitze in einer drehbaren Riesenhand mit fünf Stahlfingern. Sieht von Weitem ein bisschen nach Lego Technic aus, ist aber hoffentlich um einiges stabiler.

Preis: 5 Euro (für mich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis)
Flugzeit: 3:45 min
Hereinspaziert: Nichts, absolut nichts darf in den Hemd- und Jackentaschen gelassen werden, tönt es immer wieder aus den Lautsprechern des Kassahäuschens. Ist ja gut. Der obere Bügel senkt sich automatisch, den Gurt muss man selber einklinken. Dann wird einem der Metallboden unter den Füßen weggezogen und ab geht’s. Langsam schaukelt sich das Ding hoch. Na servas. Hohe Geschwindigkeiten beim Durchschwingen in Bodennähe und kurze Schwebezustände am Scheitelpunkt, wenn die Pendelbewegung die Richtung wechselt. Dazu die Rotation des Sitzkreises. Irgendwann kommt es zu der einen oder anderen Komplettumdrehung. Sekundenlang hängt man dabei kopfüber in der Luft. Langsam kommt das stählerne Ungetüm zur Ruhe und schaukelt aus.
Kotzgefahr: Hurra, da kommt Magenverstimmung auf! Ein bisschen jedenfalls.
More of the same: Recht speziell, vielleicht am ehesten vergleichbar mit einer Mischung aus Turbo Boost und Extasy. Das war’s, der letzte Programmpunkt auf meiner Liste. Ich lebe! Ab ins Schweizerhaus.