AKUT
Seit wann seid Ihr denn auf der Welt um zu gefallen?
Ich darf mich vorstellen, denn nur wenn man weiß, wer ich bin – oder war – hat es für mich halbwegs Sinn sich auf derart heiklem Grund zu bewegen. Es muss sich ja auszahlen – denn ich gehe davon aus, dass auch meine Worte – ebenso wie die von Thomas Glavinic und die von Stefanie Sprengnagel falsch interpretiert, aus dem Zusammenhang gerissen und für die jeweiligen Zwecke missbraucht werden. Dass ich geshitstormt werde. Das ist social media. Hier geht es nicht um die Wahrheit, es geht darum wer mehr Likes bekommt und wer die motivierte Meute hinter sich hat. Mein Güte, wer ist schon an Wahrheit interessiert – es geht nur um Meinung und um persönliche Befindlichkeiten und ums Dampfablassen. Ich nehm mich da nicht aus.
Also, anyway: Mein Name ist Janina Lebiszczak und habe lange Zeit für den WIENER meine Kolumne „Pandoras Box“ geschrieben, in der es vor allem um meine teils ziemlich einschlägigen Erlebnisse und Erfahrungen am Spielplatz der Sexualität ging. Erst schreib ich sie unter einem Pseudonym, nicht weil ich feig war, sondern weil ich in diesem Zeitraum bei einem andere Medium angestellt, dann outete ich mich – und ja ich hatte damals schon Angst, dass manche Leser entäuscht sein werden, dass ich keine 50kg Strapstussi bin. Aber so wichtig war es mir dann auch wieder nicht. Warum auch. Darüberhinaus : Weiblich, 41, Wienerin und politisch – nun ja .. ich verabscheue Reaktionäre zutiefst, egal aus welchem Lager. Wahrscheinlich bin ich eher links, weil ich Flüchtlingen helfe und mich für Menschenrechte stark mache. Mein bester Freund wählt FPÖ. Und nein, das ist kein Problem.
Gut. Also – Glavinic versus Sprengnagel – Schwanzfoto-Poster versus Rollmops, Besteller versus Bachmann, Mann gegen Frau, rechts gegen links. Ich werde hier keine Zusammenfassung des ganzen Irrsinns schreiben, der Link da oben bringt eine Zusammenfassung. Was als Sommerloch-Beef begonnen hat, ist ganz schön aus dem Ruder gelaufen. Auf der Lesung von Thomas Glavinic gestern wurden Zettel mit seiner Telefonnummer verteilt. Das ist mies. Ganz mies. Und feig. Er sei ein Sexist, schreibt auch die WIENERIN online, deren Redaktion ich eigentlich sehr schätze, weil sie nicht nur Lippenstifte und Schlankheitskuren zum Thema macht. Ich hatte mit Thomas schon manchen Kampf, weil wir nicht immer einer Meinung sind und auch sein „Lasst die Hofer-Wähler in Ruhe“ – Pamphlet fand ich nicht hunderzprozentig erbaulich, weil ich selbst von solchen diverse Vergewaltigungen an den Leib gewünscht bekommen habe. Aber – halt nicht von allen. Eines aber weiß ich mit Sicherheit: Er ist kein Sexist. Er ist auch kein Nazi. Wenn er gerne mal mit irgenwelchen Unterweltern die Kuh fliegen lässt, ist das sein Bier. Und falls er seinen Schwanz gerne herzeigt, wie ihm vorgeworfen wurde: Solange er ihn nicht in einen Kinderwagen hält oder Menschen dazu zwingt sein „Hochtzeitswerkzeug“ anzufassen… Jo mei.
Und nein, Stefanie Sprengnagel ist alles, nur nicht talentfrei. Und sie ist auch nicht dick, auch wenn sie das schon so oft zum Thema gemacht hat, dass sogar ich sie mittlerweile so eingespeichert habe. Das ist eine wilde, gescheite, manchmal zu leidenschaftliche und noch sehr junge Frau mit einem direkten, oft sehr schmerzvollem Humor, eine Frau, an der plötzlich viele Menschen interessiert sind, und mit dem Ruhm kamen auch die Fliegen, die Hater, die Idioten. Sie polarisiert, der Thomas polarisiert, schön, dass es sie gibt. Beide.
Nun aber zu des Pudels Kern. Der Debatte um Feminismus und Fatshaming. Zu Letzerem: Ich glaube nicht, dass „Rollmops“ absichtlich die Gefühle einer übergewichtigen Frau hätte verletzen sollen. Ich persönlich hätte mich über „talentfrei“ tausend Mal mehr geärgert. Ich glaube, dass Sprengnagel sehr oft wegen ihrem Gewicht gepiesackt wurde und ihren Zorn darob einfach über den Glavinic gegossen hat – und ihre Fans auf Facebook haben kräftig mit gegossen..Brrrrrr. Ihre Fans, die gestern Zetteln auf Thomas Lesung verteilt haben. Das war kein Aktionismus, das war Kindergartenkacke. Wenn ihr Auseinandersetzung wollt, geht einfach zu ihm auf die Bühne. Eigentlich scheissegal, egal ob rechts oder links, ob Frau oder Mann – groß ist die Freude dann, wenn man einen Sündenbock bekommt. Schön mal richtig dampfabzulassen, gell. Ach, wenn die Welt so einfach wäre.ist freie Autorin und Journalistin aus Wien. Für den WIENER schrieb sie jahrelang die Kolumne „Pandoras Box“. (Foto: Stefan Joham)Nun zum Feminismus im Zusammenhang mit Fatshaming: Ich halte es da mit der amerikanischen Komikerin Amy Schumer, von deren Kubatur ich auch circa bin. Die meinte in etwa: Egal, ob sie 60 oder 90 Kilo wog, sie hat noch jeden Kerl abbekommen. Stopp, bevor jetzt diverse Damen eskalieren und meinen: „Darum geht es im Feminismus aber wirklich nicht“ – aber natürlich geht es darum! Es sind nicht nur die bösen, bösen Männer, die euch schlechtes Gewissen machen, wenn ihr mal ein Eis zu viel verdrückt habt oder nicht in Size Zero passt. Ganz vielen Männern ist es scheissegal, wie viel ihr wiegt und jetzt Achtung: Ganz vielen Frauen nicht. Ja, noch mal: Ich weiß, wie superbequem es ist, sich einen Sündenbock für seine Wut und seine Ängste zu suchen, aber der Glavinic wird dieser Rolle sicher nicht gerecht. Wenn Frauen, die keine Kinder haben und haben wollen, abgestempelt werden, wenn Frauen immer noch weniger verdienen als Männer – EMPÖRT EUCH! Wenn es in gewissen Parteien Österreichs gut geheißen wird, dass Frauen an den Herd gehören – EMPÖRT EUCH! Aber bitte, wenn ihr so dämlich seid, eure Emanzipation damit zu definieren, ob es jemand gut heißt wie viel ihr wiegt – selber schuld. Seit wann seid ihr denn auf der Welt um zu gefallen.
„Schreib mehr über Frauenrechte. Immer nur Männer!,“ schrieb mir unlängst eine Facebook- Freundin, weil ich mich für einen Blogger einsetze, der in einem saudischen Gefängnis verkümmert. Der Mann hat eine Frau und zwei Töchter, die an seiner Seite für seine Freilassung kämpfen. Er hat eine Schwester, die sich ebenfalls sehr für ihn und Menschenrechte im Allgemeinen seinsetzt. Mahhhhhh. Ich habe keinen Bock auf dieses Spiel. Es gibt Arschlöcher, viele Arschlöcher und manche von ihnen haben Schwänze. Einige von ihnen haben Muschis. Ich will mit Arschlöchern nichts zu tun haben. Aber ich liebe immer noch eines: die Menschen. Wenn ihr meint, euch mit Gebrüll wie die Mänaden auf den Sexismus des Thomas G. werfen zu müssen – und damit die Welt nur 1 Millimeter besser macht, dann … kauft euch besser einen schönen Lippenstift oder so. Peace out.