Essen

Die Hauptrolle

Dreimal falten, einmal rollen, fertig ist die in Teig gehüllte Hauptmahlzeit. Das zeitgemäße Stadt-Essen verkörpert ausgerechnet ein mexikanisches Taglöhner-Gericht am besten: der Streetfood-Liebling Burrito.

TEXT: ROLAND GRAF

Wer schon Hot Dog für einen eher schrägen Namen für einen Snack hielt, wird auch mit dem Burrito seine Freude haben. Denn die Teigrolle, die spätestens mit dem Wipplinger-Straßen-Mexikaner Max & Benito in Wien Einzug gehalten hat, heißt übersetzt schlicht „Eselchen“. Warum dem so ist, weiß keiner so genau. Der gängige Erklärungsversuch, dass 1910 der fliegende Händler Juan Mendez sein Essen mit einem Esel zwischen Ciudad Juarez und El Paso in Texas auslieferte, dürfte nämlich eine spätere Legende sein. Denn der Name des gefüllten Tortilla-Fladens ist deutlich länger nachweisbar. Die Herkunft der Speise aus Chihuahua, dem nördlichen Bundesstaat Mexikos, gilt hingegen als weitgehend gesichert.

Am Anfang steht immer eine Tortilla, also ein Teigfladen aus Maismehl (mitunter auch Weizen). Wird er gefüllt und gerollt, dann hat man seinen Burrito. Der hat immer großzügige Dimensionen, im Zweifel sollte ein einziges Exemplar satt machen. Sonst könnte man ja gleich die kleineren Tacos knabbern. Für Burrito-Dogmatiker dürfen nur Zwiebeln, Fleisch und Bohnen plus Sauce hinein, alles andere sind spätere Verwirrungen. Denn richtig populär wurde der Fremdarbeiter-Snack erst in den USA. Man darf sich das ähnlich wie beim Döner Kebap vorstellen, das nach seiner Erfindung in Berlin plötzlich zum „türkischen“ Gericht par excellence wurde. Während halb Mexiko – der Süden nämlich – die pikante Rolle bis heute nicht einmal als nationales Gericht anerkennt, serviert man in Kalifornien seit Jahrzehnten Burritos ohne Ende. Die in Alufolie gepackte Variante erhielt sogar einen amerikanisierten Namen: „Mission Burrito“. Dass 1984 auch die Burrito-Füllmaschine unter der Patentnummer US4608919 in den USA angemeldet wurde, sei nur der Vollständigkeit halber vermerkt. Die Einreichung von Reed N. Prows und William J. Nicholas enthält auch eine Definition der maschinell gefüllten Tortilla als „a convenient eatable package“. Wenn auch die Geschichte des „Eselchens“ unklar bleibt, ist die gegenwärtige Begeisterung für den Tex-Mex-Klassiker ziemlich leicht erklärt. In der pikanten Teig-Rolle kulminieren einige Voraussetzungen zeitgemäßen Essens: einfach zu machen, mobil zu verspeisen, mit natürlichen Zutaten und einem gewissen Hauch Weltläufigkeit. „Großartiges Streetfood beginnt mit großartigen Zutaten, je frischer die Ausgangsprodukte, desto besser“, meint etwa Shay Ola, der in London den Burritos zu ihrem Siegeszug verhalf. Dazu serviert der Mann mit den Dreadlocks seine „betrunkenen“ schwarzen Bohnen, die in Tequila und Bier gekocht wurden, und blaue Mais-Chips. Dass sich vom „Burrito-Basismodell“ leicht eine vegetarische, ja auch eine Glutenfreie Version erstellen lässt, schadet bei der urbanen Zielgruppe des einstigen Landarbeiter-Snacks auch nicht. Und wem derlei Sperenzchen egal sind, der lässt seinen Burrito frittieren, was dann „Chimichanga“ heißt. Oder er greift zum „Breakfast Burrito“, der eine Füllung aus Speck, Ei und Kartoffeln umhüllt. Auch wenn sich Señor Mendez‘ Esel bei dieser Version vermutlich im Grab umdreht.

Violett oder grün? Die Tortilla-Vielfalt

Einen Teigfladen pikant zu füllen ist keine mexikanische Entdeckung. Von der ungarischen Fleisch-Palatschinke „Hortobágyi palacsinta“ über das türkische Dürum bis zu den italienischen Crespelle kennt fast jede Küche eine Version dessen, was modern gern als „Wrap“ verkauft wird. Der Clou des Burritos liegt aber in der (zumindest meistens) verwendeten Mais-Tortilla. Die bringt neben leichter Kukuruz-Süße auch würzige Noten und einen gewissen Biss ein. Mittlerweile gibt es die Fladen nicht nur vom violetten Mais, auch mit Spinat oder Tomaten aromatisierte und gefärbte Varianten sorgen für Abwechslung. Allein Wiens wichtigster Mexiko-Delikatessenhändler Casa México am Spittelberg bietet 27 Versionen – auch im Onlineshop – an. Für den großen Hunger gibt es die Tortilla auch mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. Den Tequila nach einem solchen Burrito-Monster sollte man gleich mitkaufen. casamexico.at

DIY: So klappt man Burritos

Verbrannte Finger, Stress beim Füllen und auslaufende Saucen müssen nicht sein. Fünf einfache Tricks verhelfen daheim zum perfekten Burrito: 

Saucen werden vorgekocht, sie sollten im Idealfall aber nur lauwarm sein. Einfache Faustregel: Lässt sich die Füllung händisch auf die Tortilla bringen, hat sie Idealtemperatur. Kommen fertige Zutaten – etwa Chilis aus dem Glas, aber auch Spezialsaucen – dazu, können diese kalt bleiben. Das Spiel der Temperaturen und Konsistenzen (z. B.: knackiger Salat, weicher Käse) macht den Reiz dieses Streetfoods schließlich mit aus. Nicht nur für die Optik werden die Tortillas kurz erwärmt; am einfachsten geht das in einem Kontaktgrill. Leicht gebräunt und mit zarten Luftblasen im Teig sollten sie am Ende sein, oft reichen da schon 30 Sekunden. Der wichtigste Akt ist nun das Rollen. Dafür kommen zunächst (1) die Füllungen und Saucen in beliebiger Reihenfolge auf das untere Drittel der erwärmten Tortilla, aber bitte unbedingt rund drei Zentimeter vom unteren Rand entfernt damit beginnen. Denn dieses freie Ende wird (2) als Erstes – und vollständig – über die Füllung gelegt. Idealerweise steckt man sogar einen Teil des Randes unter die Füllung – damit ist gesichert, dass später nichts raustropft. Jetzt kommen (3) die Seitenteile dran und werden eingeklappt. Eine Drehung (4) lang weiterrollen, verbliebene Seitenteile nochmals einklappen und fertig rollen. Unten muss (!) der Burrito, oben sollte er geschlossen sein.Fotos: Getty Images