Essen

Kokelnder Karfiol

Die zeitgenössische Ausgabe des „Lustig essen“ kommt aus Israel und sorgt für Fingermal-Spaß mit bunten Saucen. Es schmeckt aber auch im „Seven North“ am Schottenfeld.

Text: Roland Graf

Funktioniert das Online-Anfixen „clickbait“ auch auf Papier? Wir testen es mit dem nächsten Satz: Was das „Seven North“ wie so viele Wiener Restaurants falsch macht. Haben wir Ihre Aufmerksamkeit? Denn auch die Neueröffnung im Erdgeschoss des „Max Brown“-Hotels, ehedem „Falkensteiner“ am Schottenfeld, öffnet ausschließlich abends. Dabei wäre die hyperaktive Küche genau das Richtige, wenn sich der Deadline-­geplagte und SVA-gepeitschte Freiberufler zum Mittagstisch begeben möchte.

Liefern wir einmal die Fakten zum neuen Restaurant nach: Eyal Shani, für Insta-Freunde auch „@eyaltomato“, hat nach dem Wiener Erfolg „Miznon“ nun eine zweite Hütte in der Stadt. Sie ist größer, bietet eine größere Karte und lebt das „sharing“-Prinzip. Wer eher ödipal über sein Häufchen Essen wacht, setzt sich besser direkt an die offene Küche und staunt, was man alles mit Gemüse anstellen kann, wenn man’s kann. Diese offene Küche bringt es auch mit sich, dass man keine Hunde ins Lokal lässt (Soll manchen Leuten ja wichtig sein. Drum sagen wir’s). Dafür kann man im Vorbeigehen eine LP an der Rezeption erwerben, mitunter gibt es sogar Doppelalben zum Einheitspreis (20 Euro), wenn der Diensthabende döst. Aber wir kommen ja nicht zum Musikhören, sondern um die „greatest hits“ aus Eyal Shanis Rezeptbüchern zu futtern.

Der angekokelte Karfiol aus dem Ofen ist da natürlich erste Wahl, und er rockt immer noch. Überhaupt lässt man hier dank satter Gewürzverwendung selbst Langweiler aus dem Beet zur satisfaktionsfähigen Sättigung werden. Die Baby-Zucchini, irrtümlich als Orient-Version der unessbaren Edamame-Sojabohnen eingestuft, sind so ein Fall. Wer Fleisch braucht, bestellt etwa die Hühnerleber und sieht zu, wie ihr Natursafterl sich mit Sesamsauce vermischt. Das mit dem Vermantschen gehört hier zum Programm. Man spricht Englisch im „Seven North“ und warnt die p.t. Gäste: „You may stain a clothing item or two.“

Die größten Chancen dafür hat man beim „3D-Roastbeef“, das wie psychedelische Malerei auf einem Handschlagziegel serviert wird. Das sorgt natürlich für Diskussion, zumal die butterzarten Rindscheiberln über den Stein auf den Tisch hängen. Die einen schreien da „Wäh!“ oder zitieren HACCP-Grundsätze, die anderen rühren mit dem Beef schon in den bunten Saucen-Schlieren. Was soll man sagen: Das schmeckt und wurde bei aller artifizieller Optik listig aufeinander abgestimmt.

Und wo wir beim Mixen sind: Bert Jachmann, der Mann hinter der Cocktailmesse „Liquid Market“, hat die Drinks konzipiert. Sie sind – nebst den Naturweinen, die zum lustigen Essen halt gehören anno 2019 – eine gute Wahl. Unser Tipp ist der Haus-„Negroni“ mit einem Mix zweier Wermuts. Aber bitte vorher den „3D-Beef“-Finger abwischen!

SEVEN NORTH
Schottenfeldgasse 74, A-1070 Wien, Sonntag bis Donnerstag Küche von 18 bis 22.30, Freitag/Samstag 18 bis 23 Uhr, www.sevennorthrestaurant.com

Preise: Das Lamm-Shawarma kommt etwas teurer (23 Euro) als beim Libanesen, drei Starter (zu 10 bis 14 Euro) wie die Baby-Zucchinis sättigen aber auch.

Pflichtkauf: Natürlich der aus Funk und Fernsehen bekannte Karfiol (10 Euro), das „3D-Roastbeef“ (17 Euro) oder auch das exzellente Lamm mit Wurzelgemüse!

Ideal für: Instagramer, Ekelschwellen-Tester und Gemüse-Liebgewinnen-Wollende

Leistungskoeffizient: 88/100

Preisband: 83/100