Interview

Smells like Wien Spirit

Sarah Wetzlmayr

Die Seele Wiens lässt sich auch erkunden indem man mit geschlossenen Augen nachts an einem Wiener Würstelstand vorbeigeht und dabei die Nase ein wenig mehr als sonst rümpft. Das behauptet jedenfalls Eugene Quinn, Fremdenführer und Erfinder der „Smells Like Wien Spirit“-Touren.

von Sarah Wetzlmayr

Mit seinen „Vienna Ugly Tours“ hat der gebürtige Brite Eugene Quinn bereits für medialen Aufruhr gesorgt. Nicht nur, weil sich manch einer gefragt hat, warum man sich überhaupt die grindigsten Seiten einer doch so hübschen Stadt wie Wien ansehen sollte, sondern auch wegen einiger Verwaltungsstrafen, die er umgehängt bekam weil er mit seinen Touren scheinbar gegen die Gewerbeordnung verstoßen hat. Nun folgt der zweite Streich: Die mit dem doppeldeutigen Namen „Smells Like Wien Spirit“ ausgestatteten Geruchs-Touren durch die Bundeshaupstadt. Wer jetzt denkt, er müsste bei dieser Tour bei den Mistkübeln eines Kebabstandes, vor einer öffentlichen Toilette oder in einer nicht-klimatisierten U4 Halt machen, der liegt falsch. Es geht um Gerüche und nicht um Gestank – und darum welche Erinnerungen und Emotionen daran geknüpft sind. 

Zuerst mal, der typische Wien-Geruch, oder Gestank, wie würdest Du den beschreiben?

Wien riecht gut! Es gibt sogar ein wenig Bergluft im Westen. Aber auch die beinahe schon kultigen Gerüche der Meinl-Kaffeerösterei, der Manner-Fabrik und der Ottakringer Brauerei im Sechzehnten. Im Norden riecht die Luft, wegen der Donau, irgendwie salzig und im Osten werden Gurken angebaut, von denen sogar welche nach London exportiert werden. Im Süden hingegen, trifft man auf Naschmarkt-Aromen und die der Ankerbrotfabrik.

Wenn man, wie ich, sein ganzes Leben in Wien verbracht hat, gewöhnt man sich an bestimmte Gerüche. Sollen deine Touren sie wieder ein wenig bewusster machen?

Die Touren sind sowohl für Touristen als auch für Wiener spannend. Klar gewöhnt man sich an die Gerüche einer Stadt. Genauso wie auch an Gebäude. Die Touren sind ein Weg, vernachlässigte Seiten der Stadt wieder etwas zu beleben. Sie werden wohl auch Diskussionen darüber auslösen, welche Gerüche jetzt wirklich „typisch Wien“ sind.

Wien in drei Gerüchen – welche wären das?

Hmm. Also erstens mal ein spätes Bier an einem Würstelstand – diese einzigartige Kombination aus Bier und Fett. Zweitens, dieser warme, satte Geruch der von Kaffeehäusern ausgeht – irgendwie dieses Alte, Kaffee und Holzrauch in einem. Und als letztes noch, die Fiaker am Michaelerplatz.

Denkst Du, dass Du Wien am Geruch erkennen würdest?

Es gibt eine Firma, die kleine Dosen produziert die anscheinend „Prater Luft“, „Heuriger Luft“ und „Puff Luft“ beinhalten. Also, die sehen das schon so. Ich hoffe es einfach. In diesem Zeitalter der Globalisierung in dem wir leben, betrifft das natürlich auch die Gerüche. Mein Ziel ist es jedoch die einzigartigen lokalen Gerüche zu entdecken. Die allererste Parfumlinie für Männer, zum Beispiel, wurde bei Knize am Graben kreiert. In den 20ern.

Haben die „Smells Like Wien“-Touren schon begonnen? Wie haben die Teilnehmer so reagiert?

Ja, haben sie! Im Juni als Teil des „Wir sind Wien“-Festivals. 55 Menschen wanderten mit uns durch Wien. Die Touren werden das ganze Jahr über stattfinden, denn die Stadt riecht im Herbst – alte Blätter und Sturm – anders als, zum Beispiel, im Winter – Lebkuchen und Glühwein – und im Frühling. Bei unserer ersten Tour in Englisch war sogar der Guardian dabei.

Warum, denkst Du, ist es so wichtig eine Stadt „zu riechen“?

Es ist einfach etwas anderes – wir nähern uns der Stadt eher wie Hunde, deren Geruchsinn einfach 200-mal besser ist als unserer. Bei der Tour geht es darum, neue Geschichten rund um Wien zu schaffen, weit weg von „Sisi“ und „Wiener Schnitzel“. Wir wollen einfach ein wenig näher dran kommen an die Seele Wiens. Bei den Touren geht es auch darum einfach mal die Augen zuzumachen und den Geruchssinn ganz sich selbst zu überlassen, und auch darum welche Erinnerungen und Emotionen diese Gerüche in einem auslösen. Die meisten, die von der Tour hören, denken dass man nur zu Orten geführt wird die unglaublich stinken. Stimmt aber nicht! Es geht darum, Wien besser zu verstehen!

Hat sich der Geruch von Wien in den letzten Jahren verändert? Weniger Hundstrümmerl vielleicht?

Der Geruch der Stadt ändert sich dauernd. Es gibt jetzt elektrische Busse und auch die Autos verbreiten weniger Gestank. Auch spannend: Männer tragen weniger Parfum im Vergleich zu den 80ern und 90ern. Fast jeder trägt jetzt Deo, also riecht man auch weniger Schweiß. Migranten, wie auch ich einer bin, machen Restaurants auf, verkaufen Getränke und betreiben Shisha-Bars. Auch der Klimawandel macht einiges aus – Menschen essen viel mehr auf den Straßen, es gibt Public Viewings und mehr Schanigärten. Und: Rauchen ist noch erlaubt – deshalb entwickelt sich auch regelrecht ein Rauch-Tourismus hier in Wien. Und ja: Weniger Hundescheiße auf den Straßen. Danke an Petra Jens dafür.

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Foto Mannerfabrik © viennaphoto.at