AKUT

Mia Kahlifa

Mia Khalifa in da house

Todesdrohungen bei Tag, Einhänderhuldigungen bei Nacht: Das Leben ist nicht langweilig, wenn du in Pornoland als Muslimin unterwegs bist.

Text: Manfred Sax

„Mia Khalifa“ ist unter anderem ein Song des amerikanischen Hip-Hop-Duos Time Flies. Die Protagonistin wird da genretypisch subtil als Traumfrau beschrieben, die „Ladeflächen wie ein Lastwagen“ hat, mit „Bällen“ umgehen kann „wie Lebron“ (Lebron James, ein Basketballer) und eine gute Nacht vor dem Bildschirm garantiert. Diese Mia ist ein Ohrwurm, der bislang insgesamt 10+ Millionen Klicks am YouTube-Konto hat, wenngleich öffentliches Mitsingen nicht unbedingt empfohlen wird. „Ich liebe das Lied“, kommentiert ein Troll namens Anna Lizzy, „aber wenn ich es singe, grinsen mich die Jungs immer so dreckig an.“ Das lässt sich nicht verhindern, nenne es die Natur des Biests.

Mia Khalifa ist nicht nur Muse von Time Flies, sie ist außerdem ein globaler Brand. Er steht für „Pornodarstellerin, hochkarätig“. Laut Portal Pornhub, globaler Platzhirsch unter den Pornosites (Bilanz 2015: 21,2 Milliarden Besucher, 87,8 Milliarden Klicks), ist Ms. Khalifa die Nummer 1 der Branche (400 Videoclips aus ein paar Handvoll Filmen, 44+ Millionen Besucher; Stand September 2016). Und sie ist ein Phänomen „mit Schweißperlen drauf“, wie mein verblichener Zeuger so was nannte: Khalifa scheidet die Geister wie Tag und Nacht, mitunter ist sogar derselbe Geist bei Tag ganz anders drauf als nach Sonnenuntergang. Es gibt Typen, die ihr tagsüber Todesdrohungen twittern, um dann nachts online bei „Two Monsters, One Mia“ anzudocken und sich einen runterzuholen. Was soll also ein Girl davon halten, wenn ein Junge „dreckig“ grinst? Ist das eine Geste der Anerkennung für Khalifas beachtliche Akrobatik? Oder denkt er nur „Schlampe“?

Tja, Porno. Mit der gebräuchlichen Definition – Darstellung menschlicher Sexualität zwecks sexueller Erregung des Betrachters – kommen wir hier nicht wirklich weiter, sie würde zu viele Zutaten gestatten, so Sachen wie Sinnlichkeit und Erotik – und das wäre falsch. Der Unterschied zwischen Erotik und Porno, meinte der Schauspieler und Hobbyphilosoph Robin Williams einmal, „ist simpel: Erotik verwendet eine Feder, Porno das ganze Huhn.“ Nämlich gerupft, von den Innereien befreit und quasi kochbereit. Pornoland ist kein Platz für Fantasie, also kaum was für Frauen. Laut gängigem Narrativ führt weltweit jede achte Internetsuche zu einer Pornoseite, und klar ist jedenfalls, was gesucht wird: Eine Erektion muss her, das ist das sexuelle Grundbedürfnis des Mannes – und leider auch ein Kunststück, für das sein Ding das bis zu 11-Fache des üblichen Blutvolumens benötigt. Nicht auszuschließen also, dass hier ein Fehler bei seinem biologischen Design vorliegt. Weil „Gott uns einen Penis und ein Gehirn (gab), aber nicht ausreichend Blut, damit beide gleichzeitig funktionieren.“ Beim Pornokonsum kommt der Platz zwischen den Ohren weitgehend blutleer daher, der Denker im Unterleib übernimmt das Lenken, und das Dumme ist außerdem, dass so ein Schwanz kein Gewissen hat. Ihn kümmern weder zwischenmenschlicher Anstand noch politische Korrektheit, er will nur ein Steifer sein, und deshalb ist Porno, wie er ist – eine gewachsene Sache.

An dieser Stelle ist wohl – erstens – ein psychohygienischer Standardsatz fällig: Pornokonsum verrät dir nie etwas über die Frau auf deinem Bildschirm, er flüstert dir nur, welche Art von Perverser du bist. Geht ganz automatisch, als wäre dein Penis eine Wünschelrute. Wo er zuckt, dort klickst du hin. Und plötzlich landest du also bei „my slutty sister“. Das ist aber nicht die Schuld deiner Schwester. Du bist lediglich beknackt. Zweitens ist nach ein paar anfänglichen Klicks unklar, warum ausgerechnet Mia Khalifa so erfolgreich ist. Die 23-Jährige, in Beirut geborene und als Kleinkind in die USA ausgewanderte Libanesin hat nichts Außergewöhnliches zu bieten: Optisch im Girl-next-door-Look mit silikongestärkter Oberweite und athletischem Körper unterwegs, absolviert sie das Porno-übliche Programm – Dreier, Anal, DP, Lesbenszenen, Creampie und so weiter. Das machen alle. Als sie allerdings Ende 2014 für einen Dreh der Firma BangBros mit Hidschab zum Blowjob antrat, war plötzlich die Hölle los. Laut Angaben von Pornhub hatte sich die Lust auf Khalifa verfünffacht (1,5 Mio. Zugriffe), wenngleich mit scharfen Kanten: Es war dies der rare Fall einer Pornoszene, die zum Skandal – also zum Erfolg – wurde, weil eine Darstellerin zu viel anhatte. Mit den amerikanischen Konsumenten hatte das nichts zu tun. „What the fuck“, kommentierte ein US-Troll, „ich hab mir den ganzen Clip gegeben, und nirgendwo ein Suizidbomber. This is bullshit!“ Aber nach geografischer Auswertung der Daten wurde klar, woher der heftige Wind wehte: aus Libanon, Syrien und Jordanien. Man hatte einen neuen Markt angebohrt, der selbstverständlich sofort mit frischen Schleier-Pornos bedient wurde, getragen unter anderem von der charmanten Nadia Ali, die simply erwähnt werden muss, weil sie sich einmal weigerte, mit einem Kollegen Sex zu haben, weil er Donald Trump ähnlich sah.

„Zu degradierend“, sagte sie. Nett, no? Mia Khalifa selbst wechselte nach nur drei horizontal aktiven Monaten ihren Job, sie wurde Social Media Personality. Das ist sie noch immer, solide im Mainstream verankert (Talkshows, Bierwerbung etc.), mit gesunden und stetig wachsenden Standbeinen (Twitter: 640.000 Followers, Instagram: 1,7 Mio, Facebook: 1,2 Mio). Für ihren Status als Porno-Queen hatte das keine negativen Konsequenzen, im Gegenteil, es erfolgte so was wie gegenseitige Befruchtung. Hauptverantwortlich dafür die Todesdrohungen und Beleidigungen muslimischer Keyboard-Krieger, die sie schlagfertig erwiderte. Ein Twitterer mit Pseudonym Abdallah Bakrr schwor, ihren Kopf abzuschneiden, sie ging mit „ist mir lieber, als die Titten zu verlieren, die Titten waren teuer“ retour. Das machte Schlagzeilen in Tagblättern und brachte Kohle in die Pornoindustrie. Wie die Burka im europäischen Alltag hat sich der Hidschab – laut Koran die „Trennwand zwischen den Insassen der Hölle und den Bewohnern des Paradieses“ – in Pornoland als ultimatives Streit-Textil etabliert. Zu erwähnen wäre, dass man es natürlich auch im Porno mit der Burka versuchte. Nur scheitert so was bereits an der Blowjob-Szene, ohne die kein Porno kann. Es ist sinnlos, einen Blowjob mit Burka zu filmen, das würde nur die Fantasie des Konsumenten befruchten. Und wie gesagt: Porno ist kein Platz für Fantasie.