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Ted Ligety

Ted Ligety

Maximilian Barcelli

Mit zwei Olympiasiegen und fünf Weltmeistertiteln ist Ted Ligety der erfolgreichste Alpin-Skifahrer, der jemals außerhalb Europas geboren wurde. Seine Liebe zum Tiefschnee macht den 32-jährigen Ami auch zum angesehenen Geschäftsmann.

Text: Hannes Kropik

Das Wörterbuch übersetzt „shred“ mit „zerfetzen“, „zerkleinern“ oder „schnitzeln“. In der saloppen Sprache der Freerider bedeutet shredden ganz einfach, draußen im Gelände ein paar feine Linien in den Tiefschnee zu ziehen. Wenn dein Vorname Ted ist und du deine Freizeit am liebsten draußen im frischen Powder verbringst, dauert es nicht lange, bis dir einer deiner Kumpels den Spitznamen „Ted the Shred“ und dann klarerweise nur noch „Shred“ verpasst. Im Fall von Alpin-Superstar Ted Ligety ist das in seiner Jugend zu Hause im Winterparadies Park City geschehen: „Ich bin in Utah aufgewachsen, wo es oft monatelang sehr viel schneit“, erzählt der regierende Riesenslalom-Weltmeister im Gespräch mit dem Wilden Wiener. „Erst mit 14 habe ich begonnen, mich mit Training auf irgendwelche Rennen vorzubereiten. Bis dahin war ich einfach so viel wie möglich draußen im freien Gelände unterwegs.“

Der Olympiasieger von 2006 (in der Kombination) und 2014 (im Riesenslalom) zählt zu den besten Skifahrern der Gegenwart; auf der Habenseite stehen fünf WM-Goldene und zwei weitere Bronzemedaillen bei Titelkämpfen, 25 Weltcup-Triumphe und sechs kleine Kristallkugeln für den Sieg im Disziplinen-Weltcup. Dass er vor allem den Riesenslalom seit Jahren dominiert, in dem es auf die richtige Mischung aus perfekter Technik, richtig dosiertem Speed und jeder Menge Mut ankommt, liegt nicht zuletzt an Teds ungebremster Leidenschaft fürs Skifahren an sich. „Ich liebe diese Abwechslung. Es macht mir richtig viel Spaß, dass ich auf der Piste ordentlich Tempo bolzen muss und im freien Gelände dafür mein ganz eigenes Tempo genießen kann.“

Seine ersten Vorbilder waren Powder-Helden wie Glen Plake und Scot Schmidt („von dem hatte ich jahrelang ein Poster in meinem Zimmer hängen“), die mit „The Blizzard of Aahhh’s“ 1988 einen wahren Skifilm-Klassiker gedreht haben; später bewunderte er Racer wie Tommy Moe, Alberto Tomba oder Michael von Grünigen. „Eigentlich sind es ja zwei verschiedene Sportarten. Was Rennfahren und Freeriden aber dennoch gemeinsam haben, ist die prinzipielle Notwendigkeit, überraschend auftretende Probleme rasch zu lösen. Deshalb müssen deine Gedanken stets fokussiert bleiben.“Fotos: Matthias Röbl/ABS, Shred

Der entscheidende Unterschied, sagt Ligety, ist die Vorbereitung auf einen Run: „Es geht jeweils darum, die Ideallinie zu finden. Zwischen den Torstangen ist das ohnehin klar. Aber wenn du zum Beispiel in Alaska unterwegs bist, musst du dir vorher ganz genau anschauen, wo du deine Schwünge sicher ziehen kannst – alles andere könnte schlimme Konsequenzen haben. Allerdings prägst du dir den Rennkurs vom Start weg hinunter ein, einen Run im freien Gelände schaust du dir von unten oder vom Helikopter aus an, auf jeden Fall aber seitenverkehrt.“ Und genau hier, gibt Ligety zu, hat er immer noch deutliche Reserven: „Es ist gar nicht so einfach, den Maßstab richtig einzuschätzen. Du kannst aus der Entfernung nicht genau feststellen, ob ein Cliff jetzt acht Meter hoch ist, oder vielleicht sogar 20 Meter. Deshalb bin ich am liebsten mit Leuten unterwegs, die erfahrener sind als ich; sie können viel besser einschätzen, ob bestimmte Features befahrbar sind oder nicht.“

Selbst ein Weltklassesportler wie Ted Ligety ist nicht vor dem Gefühl der Angst gefeit: „Ich erinnere mich sehr gut an meinen allerersten Drehtag für eine große Filmproduktion. Ich war mit meinem Schweizer Kollegen Phil Maier in Alaska unterwegs, der in diesem Gelände deutlich erfahrener ist als ich. Er ist vor mir gestartet und schon nach drei Schwüngen den ganzen Hang hinuntergespült worden. Das war ein verdammt angsteinflößender Moment! Du stehst am Gipfel eines Berges irgendwo in Alaska und siehst, wie dein Kumpel von einer Lawine mitgerissen wird. Das setzt eine ganz spezielle Abfolge von Gedanken in Gang, die letztendlich in die Frage münden: Und jetzt?“ Teds mutige Antwort war: Die Mission abbrechen und nicht das Leben riskieren!

Denn abgesehen von großen sportlichen Zielen, etwa der Titelverteidigung bei der Ski-WM im Februar in St. Moritz, hat sich der Nachfahre ungarischer Auswanderer längst als Firmenboss ein zweites berufliches Standbein aufgebaut: Unter dem Markennamen „Slytech“ stellt er Protektoren und andere Sicherheits-Tools für Actionsportler her, „Shred Optics“ wiederum zählt zu den innovativsten Produzenten von Helmen und Brillen. Ted Ligety ist natürlich sein bester Werbeträger, doch selbst Rivalen wie Alexis Pinturault oder Carlo Janka vertrauen auf Produkte von Ted the Shred. Noch stärker ist die 2006 gegründete Company aber im Freeride-Segment aufgestellt (und da wiederum vor allem bei den Snowboardern). „Ich wollte von Anfang an eine Brücke zwischen all diesen Welten schlagen und damit letztendlich meine eigene Generation ansprechen, denn wir fahren nicht mehr nur auf der Piste oder nur im Gelände. Deshalb war es mir von Anfang an wichtig, die Snowboard- und Freeride-Szene massiv zu unterstützen.“ Dass er sich gegen internationale Big Player durchsetzen und Szene-Superstars für seine Marken gewinnen kann, liegt nicht zuletzt am Boss persönlich: „Die meisten Athleten unterschreiben auch bei uns irgendwann irgendwelche Verträge, aber am Anfang steht sicher die persönliche Freundschaft. Es geht darum, dass sie sehr große Freiheiten bekommen, um ihre Produkte auf ihre eigenen Bedürfnisse hin zu entwickeln.“

Wie lange er sich die Doppelbelastung als Sportler und Businessman noch antut, hängt letztendlich vor allem vom Faktor Gesundheit ab. Bis dahin wird er aber auch als Alpinracer jede Gelegenheit nutzen, sich in den Tiefschnee zu vertschüssen: „Ich vermisse den Powder, wenn ich mit dem Weltcup-Zirkus unterwegs bin. Aber es finden sich immer Wege! Wenn es in den Tagen vor einem Rennen zum Beispiel über Nacht 40 Zentimeter Neuschnee gibt, ist an ein reguläres Training ohnehin nicht zu denken. Meine Trainer wissen dann schon, wo sie mich finden.“ Irgendwo da draußen.

TED THE SHRED
Ted Ligety teilt sich seine Zeit sehr genau auf: Im Sommer ist er verstärkt Geschäftsmann, im Winter steht der Sport im Vordergrund. An die Karriere nach dem Weltcup denkt der 32-jährige Alpin-Superstar noch nicht, an einen Umstieg ins Filmbusiness denkt er eher nicht:„Ganz ehrlich? Das hängt ein bisschen von meiner Frau ab. Sie hat wesentlich mehr Angst um mich als ich selbst, wenn ich da draußen unterwegs bin.“