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America’s Cup: 166 Jahre der Qual

LandroverBAR oder: Man nehme die Gattin des englischen Thronfolgers, einen 4-fachen Olympiasieger, einer Formel-1-Legende, einen Vorzeige-Konzern, eine Sieger-Crew – und verbrenne eine Viertelmilliarde Euro: Diese Packung soll das prestigeträchtigste Segelrennen der Welt gewinnen. Und „166 Jahre der Qual“ beenden. 

Text: Manfred Sax

Sehen Sie da rüber. Wir haben gehört, dass die Amerikaner dort ein Apartment gemietet haben und mit Fernrohren spionieren“, sagt Pressedame Haley. Wir stehen im 6. Stock des LandroverBAR-HQs in den Portsmouth Docks und dort drüben, von gut 200 Meter Meerwasser getrennt, stehen ein paar Häuser, gleich neben Admiral Nelsons berühmtem Flaggschiff HMS Victory von der Battle of Trafalgar. Und in einem dieser Häuser richtet eventuell gerade ein mutmaßlicher Spion einen Zoom auf uns. Spannend. „Ja, es ist alles sehr Formel 1 bei uns; überall Geheimnisse“, sagt Haley.

Sir Ben Ainslie mit Princess Kate auf Probefahrt.

Mit den „Amerikanern“ ist das Oracle Team USA (OTUSA) gemeint, seines Zeichens Titelverteidiger im America’s Cup, dem prestigeträchtigsten Segelrennen der Welt. OTUSA hatte 2013 in San Francisco den letzten Bewerb nach 1-8 Rückstand noch 9-8 gewonnen. In der Sieger-Crew mit dabei war der als „Taktiker“ angeheuerte Brite Sir Ben Ainslie, 4-facher Olympiasieger im Segeln, einmal in der Laser-Klasse, dreimal in der Finn-Klasse. Macht insgesamt den erfolgreichsten Segel-Olympioniken aller Zeiten. 2013 in San Francisco hielt der mittlerweile 40-jährige Sir Ben auch kurz die „Auld Mug“ (= „altes Häferl“) in seinen Händen. Ein schmerzhafter Triumph. Dieses Häferl wechselt seit nunmehr 166 Jahren seine Besitzer, zum Großteil megabestückte Legenden, Leute wie John Malcolm Forbes, William Vanderbilt oder CNN-Boss Ted Turner. Leute, die nichts mehr zu beweisen haben und daher das ultimative Kunststück im Milliardärs-Sport schaffen wollen: den Gewinn der Auld Mug, der ältesten Sporttrophäe der Welt. Das ist der Schmerz von Sir Ben, der Schmerz der Briten.„166 years of pain“, sagen sie heute dazu. Die Briten haben den America’s Cup 1851 erfunden. Und es ist der eine internationale Bewerb, den sie noch nie gewonnen haben. Peinlich für eine Nation mit der Zeile „Britannia rule the waves“ in ihrem berühmtesten patriotischen Lied. Und es hatte so harmlos begonnen. 1851 landete ein US-Commodore namens John Cox Stevens vom New York Yacht Club mit seinem nagelneuen Schoner „America“ auf der Isle of Wight und forderte die dortigen Yachtbesitzer zu einem Segelrennen um die Insel heraus. 15 Seglernamen die Herausforderung an, um ihm zu zeigen, was Sache ist. Leider gewann der Amerikaner die dafür ausgesetzte Auld Mug, und das vor den Augen von Ehrengast Queen Victoria, die dann noch wissen wollte, wer Zweiter wurde.Was den berühmten Satz „Es gibt keinen Zweiten, Your Majesty“ triggerte. Natürlich forderten in der Folge die Briten den Amerikaner heraus. Und waren ständig ebendieser Zweite, den es nicht gab. So entstand also der America’s Cup, heute immens prestigeträchtig und beruhigend teuer. Ein Spielplatz für Milliardäre und mächtige Markenzeichen.

Der erste Qualifikationsbewerb im Hafen von Portsmouth vor 150.000 Fans wurde locker gewonnen.

Der Standort des extra gebauten und 2015 in Betrieb genommenen LandroverBAR-Hauptquartiers war sorgfältig gewählt. Von hier aus ist die Isle of Wight bei passablem Wetter gut zu sehen. „Das motiviert“, sagt Haley. Und nicht nur das. Auch an die Wände wurden motivierende Sprüche gekritzelt, so Sachen wie „Master of my faith, Captain of my soul“. Die sieben Stöcke des Gebäudes waren notwendig, im inneren Hohlraum steht ein Testboot mit 24 Meter hohem Mast. Eines von drei Testbooten. Das „Rita“ getaufte Rennboot selbst darf erst in den Bermudas ausgepackt werden, wo die Finalrennen stattfinden. Heute sind alle da, inklusive WIENER, Sir Ben hat zu einer Testfahrt geladen. CEO Martin Whitmarsh ist da, der ehemalige CEO von McLaren Racing hat den Job nicht ablehnen können. „Das Faszinierende ist der Prozess von Tag zu Tag“, sagt er, „die Aufgabe, der Wind-im-Segel-Situation nullkommaeinen Knoten abzuringen.“ (FYI: 1 Knoten = 1,852 km). Dafür stehen ihm 120 Landrover-Ingenieure zur Verfügung, die seit neun Monaten daran arbeiten, die bisherige Topgeschwindigkeit von 92 km/h hochzuschrauben. Die Segler sind da, großteils Leute mit America’s- Cup-Erfahrung – Matt Cornwell war Mitglied der Sieger-Crew von OTUSA, Paul Campbell-James war 2013 Helmsman an Bord der „Swordfish“, und so weiter. Insgesamt sind es zwölf muskelbepackte Matrosen, von denen sechs ab Ende Mai in der Rita sitzen werden. Und natürlich ist Sir Ben da, leider mit der Botschaft, dass der Segeltrip abgesagt werden muss, weil „das Boot auf 15-Knoten-Wetter konfiguriert wurde, der heutige Wind aber gut 20 Knoten bläst“. Stattdessen gibt es eine Tour durch die Arbeitsstätten im HQ – den Simulatorraum, der von der Formel 1 kam; das Fitnessstudio, wo der Slogan „get comfortable with uncomfortable“ angebracht ist und täglich 90 Minuten Gewicht gemacht werden, nämlich strategisch: Jeder Mann muss ein für seine Position im Boot vorgeschriebenes Gewicht erreichen; und die Denkzentrale, in der Landrover versucht, einen Konsens über neue Regeln zu finden, die für die nähere Zukunft verbindlich sind. Warum? „Weil der Sieger immer die Regeln für das nächste Rennen macht“, erklärt Sir Ben. Und an etwas anderes als einen Sieg weigert man sich zu denken. Es steckt zu viel Arbeit im Projekt, von den Kosten ganz zu schweigen. Das Projekt „2017 – bring the Cup home“ verbrennt eine coole Viertelmilliarde Euro.

Ainslie selbst hatte 2013 nach dem OTUSA-Sieg binnen acht Wochen aus privaten Quellen 30 Millionen Euro aufgestellt, um „Ben Ainslie Racing“ (BAR) zu starten. Der America’s Cup ist einer seiner Lebensträume, wenn auch nur der gegenwärtige. Sein Bubentraum war, Segler zu werden, wie es eben ist, wenn du der Sohn eines Mannes bist, der das Whitbread Round The World Race (1973) gewonnen hat. Als Ainslie dann 1996 in Atlanta eine Silbermedaille gewann, träumte er vom Olympiasieg – den er 2000 in Sydney schaffte. 2003 wurde er vom Milliardär Craig McCraw für dessen America’s-Cup-Projekt OneWorld angeheuert – ein Traum. Als er aber mitbekam, dass er fürs Rennen nur als Ersatzmann vorgesehen war („Gold medals don’t mean shit here, boy“), zog er schon vor dem Rennen frustriert Leine, um sich in der Folge mit ein paar weiteren Goldmedaillen zu trösten. Man merkt, und sieht ihm auch an, dass er ein Getriebener ist. Dass er heute auf der Isle of Wight wohnt, ist eigentlich nur logisch. Die „166 Jahre der Qual“ für Britannien zu beenden könnte tatsächlich so was wie Erfüllung sein. Ein Held ist er ohnehin schon lange (sagen meine Boys, die, wie er, in Winchesters Peter Symonds College die Schule absolvierten; dort hängt auch groß sein Bild).

Zum Coup, das LandroverBAR-Projekt zu landen, verhalf ihm Prinzessin Kate, die Ainslie persönlich kennengelernt hatte, weil: Sir. Die Prinzessin hatte zugestimmt, Patronin des Projekts zu werden. Von da an ging alles wie von selbst. Eine Thronfolger- Gattin muss ja nicht bei Landrover anrufen, um „könnt ihr das bitte machen?“ zu sagen. Sie sagt einfach: „Ihr macht das.“

Überflieger. Hydrofoils heben das Hightech-Boot ab einer gewissen Geschwindigkeit aus dem Wasser und verpassen ihm einen Boost.

Dem Vernehmen nach hat sie es gern gemacht. Sie hat nun auch mit Gatten William die Landrover-BAR-Crew auf den Bermudas besucht, wo (lovely) Rita nun endlich ausgepackt werden konnte. Das Boot, das Geschichte machen soll, laut Landrover das schnellste und technisch fortgeschrittenste Segelboot aller Zeiten. Und Sir Ben hat bislang alles gemacht, was zu machen war: die Vorqualifikation in Portsmouth unter dem Jubel von 150.000 Zu- schauern gewonnen, dann die nächste im japanischen Fukuoka, wo er samt Crew auch den Sumostall des legendären Chiyonofuji heimsuchte, um sich den Segen der stärksten Männer der Welt zu holen. Er hat alles gemacht. Fehlt nur noch das letzte Segment, um die 166 Jahre britischer Schmerzen zu beenden. Die Finalrennen des America’s Cup beginnen am 26. Mai. Der Sieger wird erst Ende Juni feststehen. Aber niemand sollte an seinem Namen zweifeln. Alles wird gut.

Fotos © Landrover