AKUT

BINGE-TV. Aquarius – Charlie kriegt alle Mädels

Manfred Sax

Hollywood heute, vor 50 Jahren: Nixon, Vietnam, Manson, Black Panthers, korrupte Republikaner, ein Beach Boy, ein Soundtrack zum Sterben – und David Duchovny als sturer Cop, der seit Californication weiß, welch cooler Hund er eigentlich ist.

Text: Manfred Sax

Zunächst der Soundtrack. Der beginnt, wie es sich gehört, mit Schwergewichten der Epoche – The Byrds, The Who, Jefferson Airplane –, und er reißt nie ab. Frage nicht, was die Produzenten (NBC) für die musikalischen Rechte hinlegten. Die Serie startet großartig, nach fünf Minuten steht der ganze Plot (Vorsicht Spoiler): im Off ein streitendes Ehepaar, Tochter Emma schleicht sich davon, raus auf die Straße und ab zu einer Party. Dort mischt sich das fiktive Stück erstmals mit historischer Realität – mit Charles Manson und seiner ”Family“, dereinst die berühmtesten Massenmörder der US-Geschichte. Bald ist auch Emma Teil dieser Familie, denn, wie Mansons ergebener Vasall Roy bald klarstellt: „Charlie kriegt alle Girls“. Und so sieht das also aus (Vollbild, Lautstärke hoch, Headphones auf; der Soundtrack, you know):

Willkommen zu Aquarius, einer Cop-Serie aus zwei Staffeln mit je 13 Episoden á 45 Minuten, also nicht ganz zwanzig TV-Stunden, die am besten in einem Stück zu genießen sind. Das Jahr ist 1968, die Kulisse L. A., soziales Chaos dominiert. Der Vietnamkrieg pfeift aus dem vorletzten Loch, Richard Nixon strebt mit allen Mitteln die Präsidentschaft an, die Schwarzen randalieren, die Jungen hassen die Alten. Die Lage schreit nach einem Supercop, und zum Glück gibt es Sam Hodiak alias David Duchovny, der zur Not alles drauf hat, was schon Clint Eastwoods Dirty Harry seinerzeit drauf hatte, der aber vor allem seit der Erfolgsserie Californication weiß, welch cooler Hund tatsächlich in ihm steckt. Zufällig ist er auch ein Bekannter von o.a. streitendem Ehepaar und macht sich auf die Suche nach der vermissten Emma. Dass er zwischendurch Emmas Mutter horizontal tröstet, versteht sich eigentlich von selbst. Wie gesagt: ein schöner Plot.

AQUARIUS, DIE PROTAGONISTEN (v.li.): Grey Damon (Jungbulle), Claire Holt (Cop Charmaine mit Attitude), David Duchovny (Hodiak), Emma Dumont (Emma), Gethin Anthony (Manson). Foto: NBC.

„Keine Sorge“, sagte sie, „ich liebe Schwanz.“

Seit einigen Wochen ist Staffel 2 auch für heimische BingeTV-Freaks abrufbar. Sie ist anfangs zwischen den Morden an Martin Luther King (4.4.68) und Robert Kennedy (6.6.68) angesiedelt, und endet mit den notorischen ”Helter Skelter“-Morden an der hochschwangeren Sharon Tate und vier anderen (9.8.69, Erinnerung: Manson sah den Content des ”White Albums“ der Beatles, das den Song ”Helter Skelter“ inkludiert, als Auftrag, einen Rassenkrieg anzuzetteln). Das ist kein Geheimnis, Geschichte ist eben Geschichte – die hier aber von Duchovny & Co elegant fiktionalisiert wird. Interessant die Inszenierung von Realaofiguren wie Beach Boy Dennis Wilson (HIER) und Musik-Produzent Terry Melcher (Sohn von Doris Day, dessen Weigerung, Mansons Songs zu produzieren, hier als Mordmotiv herhält), großartig Gethin Anthonys Darstellung von Manson. Und wunderbar die Aktricen, insbesondere Büropolizistin Claire Holt, umwerfend sowohl in Cop-Outfit als auch in Hippy-Klamotten, die als spontane Undercover-Detektivin auch in Mansons Ranch unter die Decke gerät, was ihr nichts ausmacht, weil sie „Schwanz liebt“, wie sie sagt. Die Sixties eben. Oder: Sag niemals nie zu immer …

Dennoch eine Warnung: Die deutsche Synchronisation soll Mist sein. So eine Überraschung aber auch, nicht wahr? Aber wer sich dieser Tage bei derartigen Serien nicht die Originalfassung gibt, ist ohnehin selber schuld.

 

***Aquarius (NBC 2015, 2016) mit David Duchovny, Grey Damon, Claire Holt, Emma Dumont, Gethin Anthony. Auf Netflix (Staffel 1) und Amazon (Staffel 2).