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Zum Tod von Stefan Weber – Das verflixte Achter-Jahr

Franz J. Sauer

Professor Stefan Weber ist tot. Nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Mit ihm verliert die Österreichische Musikszene ihren vielleicht wichtigsten Protagonisten.

Glaubt man an das Gesetz der Serie und solchen Hokus Pokus, dann findet man in der Geschichte der Österreichischen Rock- und Popmusik eine bestürzende Reihe im Zeichen der Zahl 8. 1988 starb Hansi Dujmic an einer Überdosis Heroin, 1998 machte ein Autounfall Hans Hölzel endgültig unsterblich. 2008 verstarb Hansi Lang nach einem Hirnschlag. Und 2018 erwischte es nun Stefan Weber.

Stefan Weber bricht in zwei wesentlichen Punkten mit dieser Aufzählung: Er heißt nicht Hans. Und sein Tod kam wohl kaum überraschend. Bereits seit 20 Jahren ist seine Parkinson-Erkrankung bekannt, ihre Folgen wurden im Lauf der Jahre immer deutlicher sichtbar, Heilung war ausgeschlossen. Bei den Feierlichkeiten zu seinem 70. Geburtstag vor eineinhalb Jahren nahm der Jubilar bereits höchst apathisch im Rollstuhl sitzend die zahlreichen Glückwünsche entgegen.

Der Parkinson konnte Stefan Weber schwächen, lähmen, behindern. Was er nicht konnte: Stefan Weber brechen. Auch mit 70 war ein schelmisches Blitzen in den Augen des Künstlers wahrnehmbar. Und wenige Jahre zuvor, bei einer zufälligen Begegnung in Wien 5, schaffte es Weber, den Autor dieser Zeilen von einer schier unbegreiflich spritzigen Vielzahl an Zukunftsplänen zu begeistern, während er ihm, die motorischen Fähigkeiten seiner Extremitäten kaum noch unter Kontrolle habend, zwei anständige Bracholder verabreichte. Unabsichtlich wohl. Aber mit Kraft. Und einem schelmischen Grinsen während einer genuschelten Entschuldigung.

In der Band von Weber, Drahdiwaberl, jener legendären, gefürchteten, in gewissen Kreisen verabscheuten, in den richtigen allerdings verehrten Anarcho-Kombo, gab ein gewisser Falco seiner späteren Weltkarriere ihre Sporen. Anders als andere Wegbegleiter aus der Frühzeit des Falken lobte sich Stefan Weber allerdings nie selbst zum „Entdecker“ hoch. Zeichenlehrer Weber (Professor Weber unterrichtete jahrelang „Bildnerische Erziehung“ am Wiener Gymnasium Waltergasse, nun wäre es Zeit für eine Gedenktafel, wie wir finden …) war der Spiritus Rector einer Truppe von ausgeflippten Freaks, stand ihnen zwar vor, gab ihnen ein Gesicht. Aber spielte sich nie als Anführer auf. Drahdiwaberl lebte zeitlebens vom Kollektiv. Und dennoch brauchte es einen wie Weber , um ein derartiges G’sturl mit teils 50 „Akteuren“ auf der Bühne, die sich beim traditionellen Mulatschag entkleideten, verprügelten, mit Fäkalien oder Geflügelteilen bewarfen und dabei ungehemmt kopulierten, tanzten, feierten oder auch nur herumstanden, zu binden, zu destillieren, zu kanalisieren. Die Folgen derlei „ungebührlichen“ Verhaltens waren erwünscht und vorprogrammiert, sorgten für Skandale. Oder, wie es ein Satz aus dem Wiki-Eintrag von Drahdiwaberl herrlich auf den Punkt bringt: „Häufig endeten Shows wie der Auftritt 1981 in der Wiener Stadthalle (bei dem ein Lokalpolitiker von Teilen eines Suppenhuhns getroffen wurde), mit Hausverboten und Sanktionen seitens der Veranstalter.“

Damit ist nun wohl endgültig Schluß. Womit seit dem letzten Auftritt Drahdiwaberls am 11.5.2013 am Wiener Karlsplatz leider eh schon gerechnet wurde. Legitime Nachfolger für Drahdiwaberl sind vorerst nicht in Sicht. Die Band Monomania, die Stefan selbst öfters als „Gute Buam“ bezeichnete und mit Gastauftritten adelte, hat den Pfad der originellen Provokation leider längst verlassen. Am ehesten in die nämliche Richtung bewegt sich die oberösterreichische Truppe Rammelhof, deren Song „Wladimir Put Put Putin“ auch international für Aufsehen sorgte, deshalb spielte sie auch bei Webers 70er auf.

Freilich, bis ins New Yorker „Palladium“, wo Drahdiwaberl 1991 vor 10.000 Zuschauern für einen international publizierten Skandal sorgten, haben es Rammelhof bislang nicht geschafft. Und generell ist zu bezweifeln, ob sich die „heutige Jugend“ von einem Konzert mit Aktionismus und Politik-Kritik der plakativsten Sorte, von dem man ein bissl schmutzig nach Hause kommt, begeistern ließe.

Somit hinterlässt der Tod von Professor Stefan Weber eine Lücke in der österreichischen Kulturszene, die wohl bis auf weiteres ungeschlossen bleibt. Für uns Hinterbliebene bleibt erfreulich, dass der Tod nun Stefan selbst von einem kaputten Körper befreite. Was zumindest unter jenen von uns, die an ein Leben nach dem Tod oder sowas wie einen Himmel glauben, die Hoffnung anfacht, daß da gerade hoch über den Wolken ein zünftiger Mulatschag abgeht.

Oder, wie es einer der hunderten Facebook-Einträge seit heute morgen fein kommentierte: „Engerln, ziehts euch warm an!“