AKUT

FALCO und der WIENER – ein romantischer Paarlauf

Franz J. Sauer

Als der WIENER 1979 zur Welt kam, spielte Hans Hölzel Bass bei Drahdiwaberl. Mit dem Aufstieg zum Zeitgeistmagazin des einen erwuchs quasi im Paarlauf der andere als Kunstfigur FALCO zum internationalen Popstar. Dementsprechend oft kreuzten sich die Wege der beiden Medien-Phänomene. Oder, wie es „da Hans“ treffend auf den Punkt zu bringen wußte: „Die Karriere des WIENER geht mit meiner Karriere Hand in Hand, da wir beide auf romantische Weise zu etwas gekommen sind. Wir sind etwas geworden, ohne anderen zu schaden.“

von Franz J. Sauer / Titelbild: Conny de Beauclair

Vorab eine kurze Ankündigung: Wie jedes Jahr gibt die Original-FALCO-Band namens „Goldfisch“ auch heuer wieder einen Gig zu Ehren des Falken im U4, der WIENER ist mit dabei und verlost Tickets.

Schwerer Start

Eigentlich legte die Zweierbeziehung FALCO und der WIENER einen gehörigen Fehlstart hin. Nicht zuletzt, weil man mutmaßlich den Blitzstart des „Komissar“ ein wenig verschlafen und demgemäß nicht darüber und auch die anderen, feinen Tracks der „Einzelhaft“ berichtet hatte, fällt die erste, ernstzunehmende Erwähnung des mittlerweile zum Popstar erwachsenen eher negativ aus: in der Oktober-Ausgabe des Jahres 1982 fühlte sich Herr Hölzel empfindlich mißverstanden, als ihm im Rahmen der Story „Wer sind hier die Plattenmillionäre“ nicht nur ein falsches Mercedesmodell angedichtet, sondern auch Steuerflucht vorgeworfen wurde. Entsprechend glamourös folgte nur eine Ausgabe später die Reaktion aus dem Falkenhorst: eine ganzseitige, spärlich betextete, bezahlte Anzeige, die rechtliche Schritte ankündigte:

Der große Falke

Schon im Februar des folgenden Jahres schien man sich bereits ausgesöhnt zu haben: Die Ausgabe 2/1983 zeigt Falco am Cover, untertitelt mit der catchigen Headline „Party“. Ab März 1984 schließlich schienen die Dissonanzen endgültig ausgeräumt, nicht nur in einem halbseitigen Special in der „Intimzone“ wurde dem kommenden Album „Junge Römer“ Großes angedient, auch weil das Art-Department des WIENER (Lo Breier, Gottfried Moritz, Gerhard Heller) an der Gestaltung des Cover mitwirkte – welches sich im selben Heft weiter hinten als ganzseitiges Inserat wiederfindet. Und wer den legendären Geiz von Plattenboß Markus Spiegel kannte und kennt, weiß, wieviel das bedeutete. Nur ein Heft später widmete der legendäre Chefredakteur Michael Hopp dem zweiten, am Erstling gemessen wenig erfolgreichen FALCO-Longplayer „Junge Roemer“ eine begeisterte Rezension mit dem Titel „Der Große Falke – Annäherung an ein Phänomen.“, und weiter: „Falcos neue LP „Junge Roemer“ ist schlichtweg sensationell.“

Mozart statt Ponger

Bereits im September 84 folgte das zweite FALCO-Cover des WIENER, diesmal zum Thema „Männerfreundschaften – besser als jede Frau.“ Folgerichtig zeigte die Titelseite den Falken mit seinem Langzeit-Best-Buddy Billy Filanowski, inszeniert von Gerhard Heller. Flapsig gab der Hans im Glück zu Protokoll: „Ich schätze am Billy, dass er der Weltmeister an Ignoranz ist. Was mir trotz aller Bemühungen nicht zu gelingen scheint.“ Es muss etwa in jenen Tagen geschehen sein, dass FALCO und sein Business-Team um Markus Spiegel und Horst Bork die Abkehr von Produktionsgenie Robert Ponger hin zu den Hitfabrikanten Bolland & Bolland in Hilversum, Holland beschlossen, der WIENER wußte davon erstmals im Februar 1985 zu berichten: „Ohne Mitwirkung seines Hausproduzenten Robert Ponger legt Falco seine neue Plattenproduktion „Rock me, Amadeus“ vor …. die Musik ist geradliniger, weniger verspielt und auch wieder rappiger geworten.“.

Going International

Im August ’85 verkündet Redakteur Gerald Sturz schließlich einen prominenten Zuwachs in der Entourage des Falken: „Politprofi“ Hans Mahr kümmert sich künftig um die mediale Vermarktung – und nur das. Die Headline „Hans Mahr managt Falco“ begründete ein sich jahrelang hartnäckig haltendes Gerücht: der spätere RTL-Chef war niemals Falcos Manager. Er bescherte ihm nur zahlreiche Krone-Titelseiten – wobei „nur“ hier relativ zu verstehen ist. Streng diametral zur internationalen Rezeption von „FALCO 3″ war übrigens WIENER-Chef Hopp ganz und gar nicht begeistert vom Hölzelschen Opus Magnus. „Eine Träne für Falco“ titelte die Plattenkritik im November 1985. Mit der traurigen Unterzeile: „’Falco 3′ ist nicht so gut wie ‚Junge Roemer‘ sagt Hopp. Wahrscheinlich hat er wieder nicht recht.“ Quasi als Nachwehe von Hopps Abgang als Chefredakteur ist die weiters hartnäckige Ignoranz der überall anderswo euphorisch bejubelten „US-Number 1″ zu verstehen – bloß einen Livebericht von der triumphalen Japan-Tournee im Jahre 1986 ist der Falken-Höhenflug dem WIENER wert, witzig umgesetzt von „Lobelt Leumann“.

Emotional

Also schnell hin zum nächsten Album – bereits im Sommer, als FALCO seinen Aufstieg zum absoluten Pop-Olymp am allerwenigsten genießt, genießt WIENER-Autor Günter Brödl eine exklusive Listening-Session des nächsten Longplayers „Emotional“, wieder produziert von den Bolland-Brüdern – der Text ist hier in voller Länge abrufbar. Die Saison 1987 bringt allerdings bloß Berichtenswertes von der bereits abgefeierten 86er-Japantour. Einen leichten Vorgeschmack darauf, dass Österreichs größter Popstar künftig mehr auf den Promiseiten, denn in der Musikberichterstattung Raum nehmen wird, bringt die Fotomontage aus dem Juni 1988, die voraussehen will, wie FALCO als Pensionist aussehen könnte. Hm.

A lauwarme Platten …

Im Oktober 1988 gehts dann doch noch einmal um die Musik – „Wiener Blut tut gut“ heißt die Headline zur Geschichte über „Wiener Blut“ zur fünften FALCO-LP, allerdings dreht sich auch schon dieses Gespräch mehr um die „Bürgerlichwerdung“ des Popstars, der jüngst Vater geworden war und geheiratet hatte. Gewisse Zweifel der Redakteure Gunther Baumann und Peter Paul Hopfinger, ob die beiden Lebenswege, der neue des Hans Hölzel und der gewohnte des Falco, denn wirklich kompatibel wären, wischt Falco vom Tisch: „Der Begriff Bürgerlichkeit ist ja vom Geschmack her mit Eigenschaften wie reaktionär oder spießig verbunden. Ich hoffe doch, daß das auf mich nicht zutrifft – im Gegenteil: ich möchte Mitglied werden im Verein für deutliche Aussprache.“ Im Jänner 1989 schließlich findet sich erstmals ein sanftes Schimmern von Bedauern puncto Falco in den Druckfahnen des WIENER; Zwar war „Wiener Blut“ bis an die Spitze der Ö3-Hitparade gewandert, das allerdings für nicht sonderlich lange. Folgerichtig fehlte es der Fangemeinde auch an gesteigertem Bedürfnis, den Falken live zu sehen: Noch faselt Berater Mahr von Problemen mit dem „Equipment“, die Anführungszeichen um „aus ‚technischen Gründen'“ unter „FALCO: Tournee verschoben“ sprechen allerdings Bände. Und die Exklusiv-Story im Herbst des selben Jahres handelt leider auch nicht vom Comeback des Popstars, sondern eher von der privaten Misere des Herrn Hölzel: es geht um die jüngst erfolgte Scheidung von Isabella Vitkovic. „als Popstar ganz hoch oben auf dem Podest zu stehen“ wird in der Einleitung zum Artikel von Gunther Baumann nur noch als Traum bezeichnet, den Falco nicht aufgegeben habe.

Ponger, Süwerl, Titanic

Umso hoffnungsfroher wird die Reunion des vom WIENER favorisierten Dreamteam Robert Ponger / FALCO rezensiert, als die beiden wieder im Studio zusammentreffen, um „Data de Groove“ aufzunehmen. Falco um 17 Kilo leichter, von einer Weltreise erfrischt und vom Alkohol geheilt, wie er betont, mit Barrett und Bassgitarre zwischen der neuesten Elektro-Gerätschaft von Soundfreak Ponger. Die obligate WIENER-Besprechung des Albums fehlt allerdings schmerzlich – nicht zuletzt, weil der WIENER unter der Herausgeberschaft von Gerd Leitgeb einen rechtschaffen boulevardesquen Kurs eingeschlagen hat, der sich mehr für Personalien als für deren Werke interessiert. Folgerichtig ist die Romanze des Falken mit seinem „Pretty Woman“ Sylvia „Süwerl“ Wagner die nächsten Jahre über FALCO-Topic Nummer 1, nur kurz unterbrochen von einem mauen Charts-Shoutout des Albums „Nachtflug“ mit allerlei sonstiger Austropop-Tonträgerei.

On the Road again

Immerhin kündet eine Kurzmeldung im Frühjahr 1993 vom Geruch des Aufschwunges, als für die nun doch wieder gut verkauft stattfindende „Nachtflug“-Tour, jene, die ihr Ende beim legendären Gig auf der Donauinsel anno 94 fand, nette Worte gefunden werden. Aber schon kurz danach, Wolfgang Höllrigl ist mittlerweile Chefredakteur, ist „Falco Hölzl (sic!), Legende“ dem WIENER bloß noch Platz 28 im „Ranking der eitelsten Österreicher“ wert – gewürzt mit dem uncharmanten Beisatz: „Will im Gespräch sein, obwohl er nichts mehr sagt.“ Nicht minder niederschmetternd handelt die nächste FALCO-related WIENER-Geschichte gar nurmehr von seiner Ex Süwerl, die im September 1994 scheinbar an einer Solokarriere als Popsängerin werkt.

Falco wird 40

Im Mai 1995, FALCO experimentiert gerade mit dem Kürzel „TM-A“ und dem „Mann mit dem Koks“ mit Techno-Beats, wird schließlich die neue Liebe präsentiert: Caroline Perron wird als „Squaw für den Falken?“ präsentiert, Boulevard, wie gesagt (Caroline alias Oota Dabun blieb Wien übrigens feinerweise erhalten und arbeitet an ihrer eigenen Karriere). In seinem letzten großen Interview für den WIENER präsentiert sich Falco knapp vor seinem 40er als „Fast wieder ein Mensch“, ehrlich wie selten zuvor erzählt er Andrea Fehringer, die er im Rahmen der „Schule für Dichtung“ kennenlernte, von seiner Berg- und Talfahrt der letzten 15 Jahre. Weiters verkündet er sein Auswandern in die Dominikanische Republik und liefert eine verschämte Vorschau aufs neue Album „Egoisten“, das letztlich posthum als „Out of the Dark“ erschien und leider nicht nur aus musikalischen Gründen durch die Decke ging. Das letzte WIENER-Snippet zu Falcos Lebzeiten stammt aus dem Juni 1997 und bringt ein Foto vom Lifeball des selben Jahres, wo Wien das letzte öffentliche Live-Showcase von Falco sah.

Verdammt wir leben noch.

Am 6. Februar 1998 stirbt Falco in der Dominikanischen Republik bei einem Verkehrsunfall. Beim WIENER ist ganz frisch Andreas Wollinger Chefredakteur, die Ära von Hans Schmid als Herausgeber geht langsam einem Ende zu und aus nachvollziehbaren Gründen wird die Falco-Dichte in der Berichterstattung wieder mehr: FALCO ist tot aber in. Vermutlich bekam der Mann, der einst Hans Hölzel war, seit dessen Tod mehr Covers, mehr Stories, mehr Nennungen im WIENER gewidmet, als zu Lebzeiten, in anderen Medien sowieso. Das ist uns hier aber egal, wir beschreiben nur den gemeinsamen Weg von FALCO und dem WIENER. Und der endet einerseits mit der großen Erinnerungsstory von „Blutsbruder“ Rudi Dolezal, andererseits mit einem emotionalen wie bezeichnenden Abschiedsbrief von Michael Hopp im Märzheft des Jahres 1998.