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Thronfolge auf Bayrisch – Die neue BMW R 1250 GS

Die Thronfolge eines der meistverkauften Motorräder der Welt anzutreten, das ist kein Kindergeburtstag. Doch BMW hat sich an die Nachfolge seiner großen Reiseenduro, der „GS“, gewagt. Und das, wie immer, mit bayrisch-deutscher Gründlichkeit.

Text: Gregor Josel / Fotos: Fotostudio Flausen

Wir leben in einer unsteten Zeit. Wie geht’s weiter mit Europa, mit Amerika, mit der ganzen Welt? Wann drückt einer der geisteskranken Leader der freien oder auch der nicht so freien Welt auf den roten Knopf? Oder übernehmen ohnehin bald die Maschinen und Alexa und Siri werfen uns aus dem Haus, wenn wir uns nicht anständig benehmen oder zurückreden? Wann kommt die nächste Wirtschaftskrise, wie lang behält man seinen Job, was, bei wem und wie viel werden wir in unserer Pension arbeiten müssen und überhaupt, wann hören die süßen, frischen Zwillinge ­daheim endlich auf zu schreien? Fragen, auf die man oft keine Antworten weiß. Und echte Freunde gibt es nur mehr wenige, meist an einer Hand abzählbar, der Rest findet sich in der Freundesliste in irgendeinem sozialen Netzwerk. Da gelangt man irgendwann an einen Punkt im ­Leben, an dem man ausbrechen will. Einfach dem Gaul die Sporen geben, raus aus dem Wahnsinn und gen Osten reiten bis zur Chinesischen Mauer, einfach so.

Optisch hat sich bei der neuen 1250er GS nicht viel geändert. (c) FOTO FLAUSEN

Der passende Partner in Crime für so ein Vorhaben, auch dann, wenn es letztlich eh nur die Wochenendrunde am Hausberg wird, ist seit vielen Jahrzehnten schon die legendäre BMW GS. Seit nun bald 40 Jahren ist sie zu haben, und sie ist nach wie vor in vielen Märkten das bestverkaufte ­Motorrad, trotz selbstbewusstem Preis. Eine solch mächtige Ikone einfach mal schnell neu machen, das spielt es daher nicht. Man ­ändert auch nicht schnell mal die Coca-Cola-Rezeptur oder schafft den Big Mac ab. Demnach hat sich BMW für die neue GS, die nunmehr als R 1250 GS firmiert, einiges überlegen müssen, um diesem Update des Topsellers eine sinnstiftende Grundlage ­bereiten zu können.

Die Kombination aus neuem Motor, besserem Sound und bewährten GS-Charakteris­tiken ­verleiht der neuen GS wieder mehr Motorrad-Tugenden. (c) FOTO FLAUSEN

Und zu allererst hat man auf grobe Änderungen der Optik verzichtet. Dort und da hört man dazu kritische Stimmen, mir persönlich gefällt die Optik gut, man muss nicht zwanghaft etwas Gutes unbedingt besser machen wollen, das ist schon des Öfteren ordentlich in die Hose gegangen. Und die Optik ist ja nicht die einzige ­Tugend der großen Bayerin – ­womit sie sich gegen die bislang ausnahmslos gescheiterten Ver­suche, sie vom Thron zu stoßen, wehrt, ist eine kaum kopierbare und nach wie vor einzigartige Kombination aus Vielseitigkeit, bullig-urwüchsigem Charme und einer unerreicht leichtfüßigen Fahrbahrkeit unter allen mög­lichen Umständen. Egal ob zu zweit mit Gepäck, auf der Straße, im harten Gelände oder beim ­ambitioniert sportlichen Antritt mit Knie am Boden, um ein paar Supersportler zu necken. Und das, obwohl man hier in voller Zu­ladung knapp eine halbe Tonne durchs Gebirge wuchtet.

Mancher mag sich an der unveränderten Optik der GS stoßen, mir persönlich sind innere Werte allerdings wesentlich wichtiger. Und mit denen geizt die neue Große aus Bayern ganz und gar nicht. Denn ausgesehen hat sie auch vorher schon gut … (c) FOTO FLAUSEN

Mit der neuen R 1250 GS ist BMW abermals genau diesen ­Tugenden treu geblieben und hat ein ohnehin nahezu perfektes Motorrad noch einmal verbessert. Der größte Evolutionsschritt gelang den Bayern mit der Operation am Herzen der GS, denn ab sofort steigt sie mit dem auf 1.254 ccm vergrößerten neuen Boxermotor in den Ring, den BMW auf 136 PS und sagenhafte 143 NM Dreh­moment aufgeblasen hat. Damit ist der Run auf mehr Leistung jenseits der 160 Pferde, wie das andere Hersteller ja gerne betreiben, mehr als obsolet. Denn wer die bisherige GS kennt, der weiß, wie brachial schon der alte Boxer aus dem Drehzahlkeller heraus angezogen hat.

Magisch ist bei der BMW 1250er GS der neue Motor. (c) FOTO FLAUSEN

Der neue Motor setzt dem noch ein fettes Hauberl Schlagobers drauf. Gekrönt durch die ebenfalls neue BMW ShiftCam Technologie, die erstmals bei BMW-Motorrad-Serienmotoren eine Technik zur Variierung der Ventilsteuerzeiten und des Ventilhubs auf der Einlassseite zum Einsatz bringt. Ob man nun im dritten oder sechsten Gang mit 50 km/h am Gasgriff dreht, ist diesem Treibwerk völlig egal. Es zerrt vollkommen unbeeindruckt an der Antriebswelle, ohne Murren, ohne Ruckeln oder Raunzen, um dann nach oben hin mit stetem und feistem Durchzug zu punkten. Besonders angetan bin ich allerdings vom Sound der neuen R 1250 GS. Denn für ­meinen persönlichen Geschmack haben es die Bayern bei der Vorgängerin schon übertrieben mit dem rotzigen Klang, der vor allem Richtung Fahrer abgegeben wurde. Das hat mich schon nach einer halben Stunde am Bike genervt. Die neue GS klingt souverän, nicht mehr anstrengend, das übertrieben gutturale Brüllen hat man ihr abgewöhnt.

Detailansicht der neuen BMW R 1250 GS. (c) FOTO FLAUSEN

An den Elektronik-Features hat BMW nicht viel geändert. ­Jedoch kriegt man zum angemessenen, aber dennoch nicht ganz günstigen Einstiegspreis von 19.700 Euro zahlreiche Features serienmäßig, die bisher aufpreispflichtig waren. Die Basis der großen GS kommt unverändert mit zwei Fahrmodi (Road und Rain) sowie der Antischlupfregelung ASC und einem herkömmlichen ABS, also nicht mit dem optionalen „ABS Pro“ (Kurven-ABS). Auch die Berganfahrhilfe (HSC) ist serienmäßig mit an Bord.

Detailansicht der neuen BMW R 1250 GS. (c) FOTO FLAUSEN

Ganz neu ist das brillante 6,5- Zoll-Farb-TFT-Display, das ­rele­vante Daten wie Geschwindigkeit, Drehzahl, diverse Temperaturen, Kilometerstände und vieles mehr immer mit heller Schrift auf dunklem Hintergrund darstellt. Connectivity mit Smartphone und Co. ist bei der Neuen ebenfalls ab Werk mit an Bord.

Detailansicht der neuen BMW R 1250 GS. (c) FOTO FLAUSEN

Der erste Gesamteindruck ist also durchaus enthusiastisch und es mag vielleicht die Kombination aus dem neuen Motor, dem bes­seren Sound und den bewährten ­Assets aus der bisherigen GS sein, die mir persönlich auf der neuen GS wieder mehr Motorradgefühl vermitteln. So hatte ich den Eindruck, dass es mit der neuen GS wieder mehr Verbindung zum ­Asphalt oder eben sonstigen Untergrund gibt, als das beim mäch­tigen GS-Raumschiff bislang der Fall war. Wie immer ist das natürlich subjektiv, denn am ohnehin souveränen Fahrwerk hat sich ja nichts Drastisches geändert. Aber wem die alte GS schon ein wenig zu abgehoben war, dem sei eine Probefahrt mit der neuen durchaus ans Herz gelegt.

Ist die neue R 1250 GS also die beste GS aller Zeiten? Womöglich, denn selbst die Sound-Kritiker wurden mit dem Update der GS nun allumfassend befriedet. (c) FOTO FLAUSEN

Somit hat BMW die neue R 1250 GS als würdige Fortsetzung einer Legende positioniert, die den Grundprinzipien ihrer Ahnen mehr als treu geblieben ist, ohne aber auf nachhaltige Verbesserungen in Sachen Performance zu verzichten.

BMW R 1250 GS

Motor: 2-Zylinder 4 Takt-Boxer-Motor
Hubraum: 1.254 ccm
Leistung: 136 PS / 143 Nm Drehmoment
Antrieb: 6 Gänge, Kardanantrieb, Antihopping
Fahrwerk: BMW Telelever mit Zentralfederbein vorne, Einarmschwinge Paralever hinten
Bremsen: Doppelscheibenbremse, vorne 305 mm, hinten 276 mm, ABS
Sitzhöhe: zw. 800 u. 900 mm
Gewicht (fahrbereit): 249 kg
Tankinhalt: 20 Liter
Verbrauch: 4,75 l / 100 km
Preis: ab 19.700 Euro
Infos: bmw-motorrad.de