GENUSS

Lokaltest: Votiv-Küche – Das Kolin

Neuer Wind am Wasagassen-Eck: „Das Kolin“ ist dank seiner Eigentümer sowohl bei Wild als auch bei Wein autark – und nicht nur damit Gastro-Nahversorger im „Neunten“.

Text: Roland Graf

Es ist ein gutes Zeichen, wenn ein Lokal mittags voll ist. Denn – so klagen auch Gastronomen, bei denen Jammern nicht zur Grundausstattung gehört – fürs Mittagessen nehmen sich immer weniger Gäste Zeit. Nicht so im „Kolin“. Mit seinen unorthodoxen Menü-Angeboten (z. B. Gersten-Suppe mit Sauerkraut) trifft es
offenbar einen Nerv bei der Büro-Community im Geviert Berg-/Wasa-/Kolingasse & Währinger Street. Für die Studenten gibt es ohnehin das „Stein“ ein paar Häuser weiter – und das gefühlt schon vor der Gründung der Wiener Uni Anno 1365! Aber Geschichte hat auch „Das Kolin“: Früher war hier das beschauliche „Café Votivpark“, ein guter Ort für Menschen, die gerne eine Melange trinken und zwei Zeitungen stehlen wollten.

Nachmittäglicher Lokalaugenschein im Das Kolin: Moderner Einrichtungsstil trifft auf österreichische Hausmannskost. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Doch irgendwann gab es den Herrn Josef und das rote Café-Schild nicht mehr. Sabrina Royer verpasste dem Ecklokal den modernen Look und den neuen Namen. Seit heuer sind aber Dieter Elsler und Stefan Lang die Chefs – und damit können die in Ehren ergrauten studentischen Zeitungsdiebe ganz andere Dinge mitnehmen. Gegen Bezahlung, versteht sich! Denn Lang ist eigentlich Winzer am Wagram und bietet seine Abfüllungen der „Edition K“ zu konkurrenzlosen Ab-Hof-Tarifen (ab 6,90 Euro/Flasche!) auch über die Gasse an.

Er hirscht im Saft – oder so. Für die gute Küche mit unkonventionellem Anstrich spricht, dass das Lokal auch zu Mittag gut gefüllt ist. Foto: (c) Benedikt Muxel für das Kolin

Dazu kommt Wildbret, welches das Duo für die Jägerschaft zwischen Tulln und Gars/Kamp vercheckt. Wild-Salami etwa, die mit getrockneten Tomaten und Paprikaobers auch über die Gnocchi (16,90 Euro) kommen darf im Restaurant. Wem das Beef Tartar (kleine Portion: 14,60 Euro) ein bisserl zu brav gewürzt ist, hat zum Start auch die „Wilde Variation“ – mit besagter Salami und Wildschwein-Schinken (9,80 Euro) – als Alternative.

Beef Tatar à la Kolin. Foto: (c) Benedikt Muxel für das Kolin

Mehr aus der wilden Abteilung gibt es dann abends, denn das „Kolin“ ist eines der wenigen Ganztageslokale, die funktionieren. Dazu trägt auch die massive Bar bei; Passanten von der Wasagassen-Seite halten vermutlich das ganz Lokal für einen Cocktail-Treff. Und in der Tat ist die Auswahl groß und setzt auf frische Aromen. Der „Ingwerer“-Likör etwa befeuert den „Kolin Mule“ (11,20 Euro).

Ab Hof: vom Ganslschmalz über Wild-Salami und Wildschwein-Schinken bis hin zu den besten Weinen. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Einen schönen Brauch hat man sich am Land ebenfalls abgeschaut: Freitag gibt’s Backhenderl im giftgrünen Körberl. Dazu ordert man wahlweise Tegernseer oder gar den famosen Hefeweizen von Gutmann, Steirer trinken Schladminger Märzen, Salzburger ihr Trumer. Damit wir nicht nur den Bierbauch pflegen: Der „Library Coffee“ ist die gleiche burgenländische Röstung, mit der am WU-Campus „gelernt“ wird – gute Wahl, zumal man auch die Espresso-Maschine zu bedienen weiß in der Kolingasse. Und eine Zitronen-Mohn-Creme (3,50 Euro) dazu hat immer noch Platz gehabt!

Nette Deko der unaufgeregten Art, die auf Wild hinweist, sich aber trotzdem nicht festmachen lässt. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Das Kolin

Adresse: Kolingasse 5, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 11 bis 24 Uhr, Samstag 16 bis 24 Uhr
Info: daskolin.at
Preise: Mittags geht es zweigängig bei 9,80 Euro los, Hauptspeisen wie den „Kolin Burger“ gibt es zu 15,40 Euro. Wild bewegt sich zwischen 16,20 und 21,60 Euro.
Pflichtkauf: Risotto mag man und kann man hier, etwa mit Orange, Fenchel und Lachs (15,40 Euro). Wildschwein, so es gerade vorrätig ist!
Ideal für: Neu-Wiener, denen der Dorf-Wirt abgeht, Waidmänner und lustige Damen-Runden

Leistungskoeffizient: 80
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Preisband: 81
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