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Morgenübel oder der Blowjob als Medizin
Was tun gegen Morgenübelkeit? Blowjobs, sagt die Wissenschaft, wären die beste Medizin. Es gibt Zeiten im zweisamen Leben, da hilft nur männliche Selbstlosigkeit.
Text: Manfred Sax
Sicher, die Situation ist kompliziert. Aber man kann nicht immer nur den Schwanz einziehen und abwarten und Tee trinken. Manchmal empfiehlt es sich, den inneren Mann rauszulassen, nämlich den klassisch guten – den selbstlosen Ritter, dessen höchste Priorität das Wohlbefinden der Göttin an seiner Seite ist. Manchmal ist Empathie seine beste Tugend, insbesondere wenn sie, die Göttin, die Tasse mit dem Frühstückstee abrupt auf den Tisch knallt und ins Badezimmer läuft, um sich zu erbrechen. Spätestens dann ist es Zeit, das Handy mit dem morgendlichen Infofix wegzulegen und sich ein Bild zu verschaffen: Was ist da los?
Ja, was kann das nur sein? Hier ein paar Eckdaten: Es ist Februar oder März oder so, die Tage werden länger und wärmer, kein Wunder, sie waren ja einen Winter lang kurz und kalt. Der Zufall will es außerdem, dass dein Hodensack im Winter eine ruhige Kugel schiebt. Er hat keine Mühe, die Spermien, die in den Hoden grad toben, optimal zu temperieren, also ein bis zwei Grad unter Körpertemperatur, dann sind sie Dynamit, mein Freund. Tja, und dann waren weiters die Feiertage, also endlich Zeit für das Wichtige – die Minne. Und jetzt zählen wir 1 (Spermien in Hochform) und 1 (Gelegenheit macht Liebe) zusammen: ist 3, nicht wahr? Deine Göttin wird daher bald aus dem Badezimmer wiederkehren und mit verwirrter Miene sagen: „Ich glaube …“, worauf der Ritter sie in den Arm nimmt und „du bist schwanger“ sagt und sie herzt und küsst und alsogleich beteuert, der glücklichste Mann des Planeten zu sein. Was natürlich kaum je der Fall ist, die ersten männlichen Gedanken sind eher „oh fuck, ein Ende der Freiheit, oh fuck, ich bin nicht mehr der wichtigste Mensch in meinem Leben, oh fuck, wer soll das bezahlen …“, nur ist das jetzt Nebensache, Mann. Jetzt zählt nur sie, deine Göttin. Der es genauso geht, nur viel schlimmer.
Morgenübelkeit also. Der Zustand beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Hier die wichtigsten Daten: Morgenübelkeit ist, erstens, ein schlecht gewählter Name, der einschlägig bedienten Frau kann auch zu jeder anderen Tageszeit schlecht werden. Zweitens hat sich die Theorie durchgesetzt, dass diese Übelkeit eine nützliche Sache sein kann – ein evolvierter Mechanismus, um Mutter und Fötus zu schützen. Drittens aber ist nicht auszuschließen, dass Gyno- und Endokrinologen lange den falschen Baum verbellten: Sie machten das Erbrechen an gefährlicher Nahrung fest. An „reproduktionstoxischen“ Chemikalien und Viren, die der Entwicklung des Kindes im Mutterleib schaden könnten und von der Frau daher ausgespien werden. Das Problem damit war, dass entsprechende Studien nie wirklich schlüssig waren.
Es waren Evolutionsbiologen, die in den frühen 90er-Jahren darauf hinwiesen, dass diese Übelkeit ein Gewöhnungsprozess sein könnte, und interessant in diesem Zusammenhang auch, dass nicht alle frisch geschwängerten Frauen (Morgenübelkeit tritt zumeist im ersten Trimester auf) daran leiden. Vor wenigen Jahren outete schließlich der lange schon einschlägige Debatten provozierende Verhaltensneurologiespezialist Gordon Gallup den voraussichtlich Hauptverantwortlichen für ihren Zustand: den männlichen Samen, oder besser: fremdartigen Samen. Weil die DNA des Embryos zur Hälfte vom Vater stammt, wird der Körper der Mutter dieses wachsende Ding in ihrem Leib zunächst als Fremdkörper identifizieren, meint Gallup, das führe zu einer Immunreaktion – der Übelkeit. Und die beste Medizin gegen diese Art Krankheit, meint der Wissenschaftler, sei mehr vom Gleichen. Mehr vom väterlichen Samen. Soll heißen: Je mehr deine schwangere Göttin deinem Samen ausgesetzt ist, umso mehr Toleranz entwickelt ihr Körper für dieses genetische Material, und umso weniger leidet sie an der Übelkeit. Und das ist es, was du mehr willst als alles andere.
Du willst, dass es ihr so gut geht, wie es nur geht. Interessanterweise sind es laut Gallup vor allem moderne Faktoren, welche die Intensität der Übelkeit verstärken. Risikofaktoren dafür inkludieren habituelle Verwendung von Kondomen, zu seltene Besamung und zu kurzfristige Beziehungen. Und Frauen, die sich künstlich befruchten lassen, haben laut Gallup generell eine üble Anpassungszeit. Auch für den Umkehrschluss gibt es mannigfaltige Evidenz: Je mehr die Zweisamen vor und nach der Schwangerschaft mit Einsamen beschäftigt sind, umso eher ist Morgenübelkeit eine Befindlichkeit, von der sie nie wissen wird. Na?
Selbstverständlich wird die ganze Evolutionsgeschichte, wie sie uns widerfährt, nie ein vollständiges Kapitel haben. Aber Studien untermauern, dass viele Ingredienzen des Samens – Testosteron, Östrogene, follikelstimulierende Hormone, Prolaktin und und und – für die Empfängerin von Segen sind. Zum Beispiel haben sie bestätigt, dass Frauen, die sexuell ohne Kondom unterwegs sind, für Depressionen weniger anfällig sind (Gallup 2002, Test an 293 Studentinnen unter Verwendung des Beck Depression Inventory-Tests). Samen kann Wunder wirken, zumal bei Morgenübelkeit. Wobei es übrigens egal sein dürfte, ob dieser Samen nun vaginal oder oral verabreicht wird. Eine weitere Studie – Koelman, Coumans et al: Der Zusammenhang zwischen Oralsex und geringem Vorkommen von Präeklampsie: eine Rolle für Samenflüssigkeit? – brachte Evidenz, dass Fellatio die Gefahr von Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) vermindert. Tja, das sind interessante Fakten. Und was ein selbstlos empathischer Mann ist, sollte sie an Bord nehmen. Schließlich geht es um sie, seine Göttin. Es geht um den Ritter im Mann, den sie in ihren verwundbarsten Momenten braucht. Also ran an die Holde, wie schon Bowie sang: Suck, Baby, suck; give me your head (David Bowie: Cracked Actor, Album: Aladdin Sane, 1973). Es ist für einen guten Zweck.