STIL
Voll retro in die Zukunft
Die Schweizer Uhrenindustrie steht nach einem kurzen Durchhänger wieder voll am Gas. Oft kommt der Erfolg mit einem Blick in den Rückspiegel.
Text: Philipp Pelz
Seltsam! Haben wir das nicht schon einmal gesehen? Hat Doc Brown einen Fluxkompensator in die Austrian Maschine eingebaut und wir sind nicht auf der dies jährigen Messe gelandet, sondern ein paar Jahrzehnte zurück? Solch ein Gefühl beschlich Besucher der wichtigsten Expositionen hin und wieder, wenn es darum ging, Neuheiten zu entdecken. Tatsächlich haben jüngst viele Hersteller ihre Produktgestalter in die firmeneigenen Archive geschickt, um einen Blick zurück zu wagen, um historische Schönheiten ins Hier und Jetzt zu bringen. Ist das einfallslos? Eher nein, denn es macht kaum Sinn, ständig das Rad neu erfinden zu wollen. Ohnehin können die Vorbilder von damals nicht eins zu eins neu produziert werden, haben sich doch die Geschmäcker stark entwickelt. Frühere Herrenuhren würden heutzutage als zarte Damenuhr durchgehen. Neue Technologien, zum Beispiel bei der Leuchtmasse, ermöglichen bessere Ablesbarkeit von Zifferblättern, was wiederum die Gestaltung derselben beeinflusst.
High-Tech-Materialien geben bekannten Formen einen neuen Twist, was ebenso ungemein interessant wirken kann. Manche Hersteller haben immer schon sehr viel richtig gemacht und Ikonen fürs Handgelenk kreiert. Hier sind eher evolutionäre Entwicklungen angebracht. Diese Aufgabe klingt leicht, ist jedoch bedeutend schwieriger zu lösen. Würde Jaeger LeCoultre allzu viel an seiner Reverso ändern, oder Patek Philippe an der Calatrava, es hätte einen Aufschrei der Fanboys und -girls zur Folge. So passt man also behutsam Durchmesser an, optimiert Schließen und Bänder und spielt eventuell mit Gehäusematerialien. Doch auch die Modegötter bedienen gerne das Vintage-Thema und fungieren so als Inspirationsquelle für Zifferblattfarben oder historisch angehauchte Uhrbänder. Auch heuer werden wir also sicher wieder einige Kreationen bewundern können, die doch irgendwie vertraut wirken. Gut so!
Retro-Schönling
Vor 80 Jahren schuf die Holsteiner Firma Oris den Vorgänger dieses Handgelenkschmeichlers. Eine gut ablesbare Uhr für Flieger sollte es sein, dank übergroßer Krone auch mit Handschuhen gut zu bedienen. Das Datum wurde auch damals schon über einen zentralen Zeiger angezeigt. Zeitgemäße 40 mm Durchmesser treffen bei der Big Crown Pointer Date 80th Anniversary auf trendiges Grün und noch trendigere Bronze.
Info unter oris.ch / Preis: 1.800 Euro
Fotos: Hersteller