STIL

Voll retro in die Zukunft

Jakob Stantejsky

Die Schweizer Uhrenindustrie steht nach einem kurzen Durchhänger wieder voll am Gas. Oft kommt der Erfolg mit einem Blick in den Rückspiegel.

Text: Philipp Pelz

Seltsam! Haben wir das nicht schon einmal gesehen? Hat Doc Brown einen Fluxkompensator in die Austrian Maschine eingebaut und wir sind nicht auf der dies­ jährigen Messe gelandet, sondern ein paar Jahrzehnte zurück? Solch ein Gefühl beschlich Besucher der wichtigsten Expositio­nen hin und wieder, wenn es darum ging, Neuheiten zu ent­decken. Tatsächlich haben jüngst viele Hersteller ihre Produkt­gestalter in die firmeneigenen Archive geschickt, um einen Blick zurück zu wagen, um historische Schönheiten ins Hier und Jetzt zu bringen. Ist das einfallslos? Eher nein, denn es macht kaum Sinn, ständig das Rad neu erfinden zu wollen. Ohnehin können die Vor­bilder von damals nicht eins zu eins neu produziert werden, ha­ben sich doch die Geschmäcker stark entwickelt. Frühere Her­renuhren würden heutzutage als zarte Damenuhr durchgehen. Neue Technologien, zum Beispiel bei der Leuchtmasse, ermögli­chen bessere Ablesbarkeit von Zifferblättern, was wiederum die Gestaltung derselben beeinflusst.


Gipfelstürmer
Der Spezialist für hochwertige Schreib­instrumente und exquisite Lederwaren, Montblanc, ist seit geraumer Zeit auch in der Uhrenwelt ein Gipfelstürmer. Mehr und mehr findet man auch dort seine Linie und baut als relativer Newcomer mitunter die schönsten Vintageuhren, wie etwa diesen Automatic Chronographen aus der 1858­ Serie. Ganz wunderbar passt da das hand­genähte Uhrband dazu. 42 mm Durch­messer sorgen für ordentliche Präsenz am Handgelenk.
Info unter montblanc.com / Preis: 3.990 Euro

 

 


High-­Tech­-Materialien geben bekannten Formen einen neuen Twist, was ebenso ungemein inter­essant wirken kann. Manche Her­steller haben immer schon sehr viel richtig gemacht und Ikonen fürs Handgelenk kreiert. Hier sind eher evolutionäre Entwicklungen angebracht. Diese Aufgabe klingt leicht, ist jedoch bedeutend schwieriger zu lösen. Würde Jaeger­ LeCoultre allzu viel an seiner Re­verso ändern, oder Patek Philippe an der Calatrava, es hätte einen Aufschrei der Fanboys und ­-girls zur Folge. So passt man also be­hutsam Durchmesser an, optimiert Schließen und Bänder und spielt eventuell mit Gehäusematerialien. Doch auch die Modegötter bedie­nen gerne das Vintage­-Thema und fungieren so als Inspirationsquelle für Zifferblattfarben oder histo­risch angehauchte Uhrbänder. Auch heuer werden wir also sicher wieder einige Kreationen bewun­dern können, die doch irgendwie vertraut wirken. Gut so!


Retro-Schönling
Vor 80 Jahren schuf die Holsteiner Firma Oris den Vorgänger dieses Hand­gelenkschmeichlers. Eine gut ablesbare Uhr für Flieger sollte es sein, dank übergroßer Krone auch mit Handschuhen gut zu bedienen. Das Da­tum wurde auch damals schon über einen zentra­len Zeiger angezeigt. Zeitgemäße 40 mm Durchmesser treffen bei der Big Crown Pointer Date 80th Anniversary auf trendiges Grün und noch trendigere Bronze.
Info unter oris.ch / Preis: 1.800 Euro

 


Zum Gipfel
Die Rolex Explorer kann als Para­debeispiel für gelungene Weiter­entwicklung angesehen werden. Am Handgelenk von Sir Edmund Hillary gelangte die Uroma der heutigen Evolutionsstufe auf den Gipfel des Mount Everest. Aktuell weist das robuste Oyster-­Stahl­-Gehäuse einen Durchmesser von 39 mm auf und schützt das Auto­matikwerk vor widrigsten Bedin­gungen.
Info unter rolex.com / Preis: 6.000 Euro

Fotos: Hersteller