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Spousonomics. Kannst du Brot- und Buttersex?
Hast du eine attraktive Partnerin, nur halt leider zu wenig Sex? Schon mal bedacht, ob dein Intimleben zu viel Aufwand macht? Ein Tipp: Versuch es mit Spousonomics.
Text: Manfred Sax / Foto: Getty Images
Aha, du hast also weniger Sex, als du gern hättest; weit weniger. Das sagen alle. Psychologen, Soziologen und Therapeuten sagen es, Sexperten natürlich auch, und junge Leute sowieso. 23 % der Erwachsenen, fand die Uni Chicago(1), hatten 2018 keinen Sex, 2008 waren es nur halb so viele. Und der Anteil der männlichen Leider-nein-Sexer hat sich in diesen zehn Jahren verdreifacht. Es herrscht globale Sex-Rezession, sagt die Wissenschaft. Wir sexen weniger denn je, wir hätten gern mehr. Das sagt etwa der Pharmakonzern Pfizer in seinen einschlägigen Studien schon seit Jahren. Aber weil Pfizer Viagra verkaufen will, wird dieses Unverhältnis von Angebot und Nachfrage gern auf männliche Probleme wie Erektile Dysfunktion reduziert. Die Wissenschaft ist da offener. Sex-Rezession, sagt sie, ist eine Konsequenz von aktuellen Phänomenen wie Existenzangst, psychische Labilität, sinkender Testosteronspiegel, die Kinder, Smartphones, Netflix, Digitalporno und derlei Knüller mehr. Alles Dinge, die deine Libido marod machen. Und hast du dann doch mal Sex, heißt das noch immer nicht automatisch Endstation Sehnsucht. Es kann immer noch sein, dass dein Handy klingelt – und du einer jener 25 % bist, die trotz Penis in Vagina zum Handy greifen.(2)
Weil Probleme nach Lösungen schreien, geben Ratgeber die obligaten Tipps, um das Intimleben zu verbessern: Rede darüber. Hab mehr Vorspiel. Mach Rollenspiele. Geh auf ein romantisches Wochenende. Zünde Räucherstäbchen an, gib dir die blaue Tablette. Und so weiter.
Vor ein paar Jahren ergänzten die US-Autorinnen Paula Szuchman und Jenny Anderson diese Palette gut gemeinter Ratschläge mit einer simplen, auf wirtschaftlichen Erwägungen basierenden Alternative: Mach deinen Sex weniger teuer. Soll heißen: Es muss nicht immer Kaviar sein, Brot- und Buttersex ist auch sehr fein.
Das Buch dazu heißt „Spousonomics – wirtschaftliche Maßnahmen, um Liebe, Heirat und Abwasch zu meistern.“(3) Klingt wie ein Wälzer für Harmonie im Haushalt und ist auch so einer. Nicht wirklich ein Krimi. Allerdings ist da auch ein Kapitel zur Beziehung der „Spouses“, also von Braut und Bräutigam. Dieses Kapitel geht von einer interessanten Theorie aus – dass mit Sex oft zu viel Aufwand betrieben wird. Man nehme obige Ratschläge wie „mehr Vorspiel“ oder „mehr Romantik“. Die eint vor allem eines: Sie kosten Zeit und Energie. Und der Punkt ist, dass genau diese beiden Faktoren im partnerschaftlichen Alltag generell fehlen. Dass der Tag meistens ausgebucht ist, und der Bock nachts irgendwie dahin. After Eight gibt’s bestenfalls Schokolade.
Der Grund Nummer eins, warum Paare nicht genug Sex haben, ist laut Umfrage der Autorinnen genau dieser: Müdigkeit. Wie soll dann der Gedanke an ein Vorspiel motivierend wirken? (Und überhaupt, was soll dieses Wort „Vorspiel“? Vergiss den Begriff. Sex ist Kommunikation, ein Informationstransfer. Sobald deine Nase an ihrem Hals ist, hat dein Organismus einschlägige Information, ist das Sex.)
Müdigkeit also. Hier setzt horizontale Spousonomics an: Wenn die Kosten (der Energie-Aufwand) runtergehen, steigert das die Nachfrage. Wenn Sex aber „teuer“ bleibt, wenn die beiden Lovers denken, er müsse so „heiß“ sein wie beim ersten Mal, fangen sie oft gar nicht erst an. Der Alltag ist nun mal ein Energie raubender Hund.
Die Autorinnen bieten drei Grundprinzipien an, um den Bedarf an mehr Sex zu erfüllen. Er muss – erstens – billig, also leistbar sein. Wenn du müde bist, sei ökonomisch. Geh nicht auf ein Kerzenlicht-Dinner, verzichte auf all den Schnickschnack, der mit den „guten Liebhabereien“, dem stressigen Drang, im Bett „gut“ sein zu müssen, den horizontalen Einsatz erhöht.
Zweitens bedarf es einer guten Transparenz. Raten ist teuer (zeitintensiv). Darüber zu brüten, wie der oder die andere drauf ist, kostet viel Gedankenarbeit („Will sie, heute, hier und jetzt?“) und oft auch Stress. Das ist kompliziert und rentiert sich nicht, meinte mal ein US-Philosoph: „Für zwanzig Minuten Pussy hast du dann drei Stunden Therapie.“(4) Daher lieber gleich reden („Lust auf Quality-Time?“). Wenn du ohne Umschweife transparent machst, was Sache ist, senkt das den Aufwand, spart Zeit – und führt zu mehr Gelegenheiten, die Liebe machen.
Somit – drittens – zur Umsetzung der Theorie der rationalen Sucht. Man wird nach Sachen süchtig (Alkohol, Porno, Netflix etc), wenn man sie immer wieder konsumiert. Und man bleibt dabei, weil die Gründe dafür attraktiver erscheinen als die Gründe dagegen. Das gilt auch für Sex – eine vergleichsweise vernünftige Sucht, die durch Gewohnheit kommt. Und Gewohnheit bleibt, wenn die Begleitkosten (der finanzielle, zeitliche und energetische Aufwand) niedrig bleiben.
Soweit die Dreifaltigkeit der Spousonomics, des ökonomischen Denkens beim Sex. Eine, zugegeben, auf Paare zugeschnittene Sache. Kaum anwendbar für Singles, die sexen immer teuer, zumal die männlichen. Pussy kostet immer, gratis gibt es nur den Penis. Man mag eine FMV (Freundin mit Vorteilen) haben, nur fehlt da meistens die notwendige Vertrautheit. Und Dating-Apps, tja, die sind großteils ein anderer Begriff für verschwendete Zeit. Paare haben mehr Hausverstand bei Detailfragen: dass du mehr Zeit und Energie hast, je weniger Geld du verdienen musst; dass Sex auch Investition ist, er kostet nicht nur Energie, sondern bringt Energie retour, in Form jenes Schubes Testosteron, das die Haare glänzen macht und den Tag weniger grau, dazu eine Dosis Endorphine fürs Wohlfühlen und Oxytocin für partnerschaftliche Zuneigung; dass Energie, die anderswo verprasst wird (Pornhub), dann in horizontalen Momenten fehlt; dass man Störungsanfälligkeit verhindert (Handy abschalten). Und derlei Allgemeinplätze mehr.
Am Anfang aller sexwirtschaftlichen Gedanken steht jedoch eine Frage: Willst du mehr Sex, als du hast? Wenn ja, nimm dir ein Herz. Wie das geht, hat der amerikanische Philosoph Chris Rock in einem seiner berühmten Sketches über „Liebe“ mal so erläutert: „Es ist einfach. Alles, was du brauchst, ist Herz. Steh frühmorgens auf, geh ins Badezimmer, blicke in den Spiegel und sag zum Spiegelbild: Fick dich! Fick deine Träume, fick deine Hoffnungen, fick alles, was du je ersehnt hast! So. Und jetzt geh raus und mach die Schlampe glücklich.“
(1) University of Chicago: General Social Survey http://www.norc.org/Research/Projects/Pages/general-social-survey.aspx
(2) Handy-Studie: https://www.yourtango.com/201165808/shocking-stat-25-percent-people-answer-phone-during-sex
(3) Spousonomics by Paula Szuchman und Jenny Anderson: https://www.goodreads.com/book/show/9292810-spousonomics
(4) Der Schauspieler Chris Rock