Motor

Der beste Freund des Menschen

Das Auto als nüchterne Mobilitätslösung? Von wegen! Autos sind Zeitmaschinen, Bankomaten, Aliens, sie sind mit Raketenantrieb, Maschinengewehren, Klingen in den Zentralverschlüssen ausgerüstet, können schwimmen und springen, und manchmal verfügen sie sogar über ein Eigenleben. Zumindest ist das in Film und Fernsehen so.

Text: Maximilian Barcelli / FJS / Fotos: Getty Images

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„Ich glaube an das Pferd. Das Auto ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“ Ein Zitat, das dem letzten Kaiser von Deutschland zugeschrieben wird. Ob das jetzt wirklich Wilhelm II. oder einfach nur Uroma Gerti gesagt hat; so oder so handelt es sich um eine kolossale Fehleinschätzung. Nicht nur, dass sich das Auto zum Mobilitätspartner Nummer eins hochgemausert hat, es ist auch emotional tief in uns verankert. Dass wir im Pkw mehr als eine technische Errungenschaft sehen, ihn als Lebewesen wahr­nehmen, hat nicht zuletzt die Filmindustrie zu verantworten. Sie hat das Auto von der Neben- zur Hauptrolle graduiert und ­lebendig gemacht. Nicht selten im wahrsten Sinne des Wortes.

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Jim Douglas, ein begeisterter, aber wenig begnadeter Rennfahrer, wäre die Karriereleiter wohl nie so hochgeklettert, wenn ihn ein kleiner VW Käfer mit der Startnummer 53 und einem seltsamen Eigenleben nicht dazu gedrängt hätte, ihn zu kaufen. Im selben Jahr, als Douglas mit Herbie ein Rennen nach dem anderen gewann, nämlich 1968, rettete Tschitti Tschitti Bäng Bäng im gleichnamigen Film Jeremy, Jemima und deren Opa Bungie Potts aus den Fängen der Barons Bomburst. Die Begeisterung vom Auto mit Eigenleben ist bis in die Gegenwart nicht abgerissen: Mit den technischen Möglichkeiten der heutigen Filmindustrie verwandelt sich ein Chevrolet Camaro schon gerne mal in einen außerirdische Autobot. Übrigens: War Bumblebee in den 80ern ursprünglich als VW Käfer konzipiert, so entschied Regisseur Michael Bay, diesen zum Camaro zu transformieren – nämlich um keine Assoziationen mit Herbie zu schaffen (und weil General Motors ordentlich Cash in die Filme geknallt hat). Transformieren kann sich auch das Batmobil. Zwar nicht vom Auto zum Autobot, aber zum Motorrad. Ohne Eigenleben, aber mit einer hochmodernen künstlichen Intelligenz ausgestattet: K.I.T.T. Der Pontiac Firebird Trans Am aus „Knight Rider“ fungiert als Geldautomat, scannt uneinsichtige Ecken, springt via Turboboost über Hindernisse und löscht Brände mit CO2-Düsen (da war doch was …). Kurzum: boxt Michael Knight regelmäßig aus der Scheiße raus.

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Um als Auto ständig sein Herrl zu retten, bedarf es aber nicht zwangsweise eines Eigenlebens oder superster Intelligenz. Oft reicht mordsmäßiges Tuning. Mit Waffen wie der mit Maschinen­gewehren, Schleudersitz und ­abwerfbaren Krähenfüßen aus­gestattete Aston Martin DB5 von James Bond. Oder rein motorisch wie der Zehn-Sekunden–Toyota Supra von Paul Walker aka Brian O’Conner aus „The Fast and the Furious“, in welchem Teil der gefühlt 240.000 das war, ist uns leider entfallen. Und dass Fahrzeuge von Superhelden, im speziellen Fall hier nun etwa das von Batman, selbst dann im Querdrift um die Ecke wetzen, wenn sie eigentlich nur mit 30 km/h durchs Winkelwerk von Gotham City rollen, liegt wohl auch an megalomanischer Bereifung, übernatürlichen Leistungsdaten oder aber auch der schlechten Rundumsicht aus dem winzigen Ausguck.

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Und auch Autos von der Stange können in Serien, Filmen oder TV-Sendungen durchaus gewichtige Nebenrollen an sich weisen, wie die letzten 50 Jahre oftmals bewiesen. So hat der notorische Steve McQueen, bekanntermaßen auch Dezennien nach seinem Tod noch immer Stilikone für jeden coolen Mann, gleich mehreren ­Autos zu Kultstatus verholfen, am deutlichsten wohl dem Ford Mustang Hatchback, den er durch „Bullitt“ prügelte, immer schon die Visage aus dem Fenster haltend, damit jeder sieht: Hier fährt der gute Steve selbst. Der junge Roger Moore verdankt in der Rolle des Simon Templar ein Gutteil seiner ­Einzigartigkeit dem eleganten Volvo P1800, mit dem er reihenweise Gauner zur Strecke brachte. Columbos Peugeot, Danny Wildes Ferrari Dino, Sonny Crocketts falscher Daytona, Magnums Ferrari, McCormicks „Coyote“ – lauter unverzichtbare Stilmittel ihrer Serien oder Spielfilme. Und sogar ein furchtbarer Blechhaufen wie der Pontiac Aztek schafft es an der Seite von Bryan Cranston alias Walter White, über mehrere Staffeln „Breaking Bad“ zu so etwas wie einem Kultauto zu werden.

The fugitive Kowalski, played by American actor Barry Newman, stands in the desert next to his Dodge Challenger in a scene from ‚Vanishing Point‘, directed by Richard C Sarafian, 1971. (Photo by Silver Screen Collection/Getty Images)

Obwohl all die genannten Fahrzeuge jeweils nichts Spezielles mehr können als das, was Auto eben können, nämlich, seine Insassen von A nach B zu bringen und dabei nach Möglichkeit ein bisschen gut auszusehen, haben diese Autos einen speziellen Charakter, den sie via Mattscheibe, Kinoleinwand oder Netflix-Browser gekonnt ausstrahlen. Ohne sie und ihre Aura sind die Charakterzüge der menschlichen Protagonisten nicht vollständig, nicht greifbar. Die Autos fungieren hier als eine Art Bindeglied von der echten Welt tief hinein in die Fiktion des Drehbuchs. Ebenso, wie sie in ihrer teils langweiligen Normalität durch den Plot des Stückes aufgeladen werden, strahlen auch sie an ihre Fahrer plötzlich Eigenschaften ab, die diese in einem anderen Licht erscheinen lassen. Man erinnere sich beispielsweise daran, welche Wirkung dereinst amerikanische Straßenkreuzer – als sie noch eindeutig als solche zu identifizieren waren – etwa im Straßenbild von Wien vermittelten; als Zuhälter, Strizzis oder bestenfalls Cowboys wurden die Fahrer dieser automatisch charakterisiert, ohne dass man diese je im echten Leben gesehen hätte. Diesen Eindruck manifestiert hatten zuvor Film und Fernsehen, und niemand konnte sich dagegen wehren, auch wenn am Steuer der feisten Karre bloß ein Steuerberater, Rechtsanwalt oder ein in Ehren ergrauter Laryngologe ­saß, der den Komfort der Amischlitten ganz einfach zu schätzen wusste.

Actor Peter Falk smoking cigar inside car on set of his television series Columbo. (Photo by Mark Godfrey/Timepix/The LIFE Images Collection via Getty Images/Getty Images)

Ginge es nach uns, bekämen auch Autos längst Oscars verliehen. Sie spielen sowohl im Film als auch im Plot des Lebens bisweilen eine wichtige Rolle, was gut und gern den Schluss zulässt: Autos sind Kulturgut.