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Was ist Fatwa-Sex?

Christian Jandrisits

Das per Fatwa über ihn verhängte Todesurteil, sagte Salman Rushdie, war unheimlich und verwirrend. Aber es brachte auch Fatwa-Sex. Come again?

Text: Manfred Sax/Fotos: Getty

Fatwa. Laut gängiger Definition ist das eine von einer muslimischen Autorität erteilte Rechtsauskunft, die ein religiöses oder rechtliches Problem klären soll. Im Iran des Jahres 1989 war Ayatollah Khomeini die größte entsprechende Autorität. Das ihm zugetragene Problem hieß Salman Rushdie bzw. war dessen taufrisches Buch (The Satanic Verses). Seine Fatwa: ein Aufruf zur Ermordung von Rushdie wegen Blasphemie. Und bekanntlich hätte ein ­Attentäter (Name bei Redaktionsschluss nicht bekannt) Mitte August diese Fatwa sozusagen abgehakt, so weit, so übel. 

SEXY RUSHDIE mit Exfrau Padma Lakshmi

Nur geht es hier nicht darum. Thema hier ist eine Rushdie-Erfahrung, die – nach Jahren der Fatwa-bedingten Isolation – ab Anfang der Nullerjahre seinen Lifestyle beeinflusste; Quasi die Erkenntnis eines Todgeweihten, die er anlässlich eines Gast-Auftritts bei der populären US-Sitcom „Curb Your Enthusiasm“ präsentierte. Ja, meinte er, so eine Fatwa sei unheimlich und verwirrend, aber es gäbe da auch einen Bonus: „In so einer Situation wirst du für viele Frauen attraktiv. Plötzlich bist du ein gefährlicher Mann. Und es gibt viele schöne Frauen, die auf sowas stehen. Es ist nicht so, dass sie auf dich stehen. Es ist die Fatwa, die dich wie sexy Feenstaub einhüllt. Daher musst du an die Öffentlichkeit. Du darfst nicht wie eine Person rüberkommen, die sich verstecken will. Geh an die Öffentlichkeit, und Fatwa-Sex wird folgen.“ (1)

Es war nicht so, dass sein Ruf nach der Fatwa ruiniert war. Spätestens nach Scheitern seiner vierten Ehe (mit der indischen Celebrity Padma Lakshmi, 2004-2007) beschuldigte ihn niemand mehr, einen Genierer zu haben. Zahlreiche weibliche Celebs pflasterten seinen Weg, von Bollywood (Superstar Ria Sen) bis Hollywood (Olivia Wilde, Rosario Dawson et al). Deren nachträgliche Reflexionen wenig mit sexy Feenstaub am Hut hatten („Rushdie? Sexbedürftig wie ein Kleinkind; feig, funktionsgestört, unreif“ etc). Aber notorisch blieb er. Schwer verdaulich sein Gig im Popvideo „Falling Down“ (2009), als sich die Zunge des damals 62-jährigen Schriftstellers im Ohr von Scarlett Johannson verfing.(2) Dazu die englische Kolumnistin Hadley Freeman: „Richtig, ich sagte Salman Rushdie leckt Scarlett Johannsons Ohr. So, und jetzt versuchen Sie mal, aus dem Rest Ihres Tages noch was zu machen.“ Tja. 

SEXY RUSHDIE mit seiner „samuraischwertscharfen Tochter“ anno 2011 in Venedig

Übrigens saß Ihr Berichterstatter einst (2011) an einem (langen) Tisch mit Mister Rushdie. In Venedigs Palazzo Polignac, anlässlich einer Gala für den Künstler Julian Schnabel. Mir gegenüber saß Schnabels Tochter Stella, neben ihr eine 17-jährige Schönheit, die als „Tochter“ von Rushdie vorgestellt wurde und ­heftig mit Ms. Stella diskutierte, auf wessen Yacht man sich am nächsten Tag treffen solle. Als ich Julian Schnabel auf diese vermeintliche Tochter ansprach, meinte er nur lachend, sie sei „so gefährlich wie ein gewetztes Samuraischwert“. 

Fatwa-Sex also – wenn einem ­erfolgreichen Autor ein Todes­urteil widerfährt, das ihn glauben macht, er sei für die Frauenwelt unwiderstehlich. Aber natürlich wirkt die Fatwa nach dem Attentat weiterhin belebend. Die Satanischen Verse verkaufen sich wieder so rasant, wie es warmen Semmeln nach­gesagt wird. 

● (1) youtube.com/watch?v=1JdMRsJ7AS8
(2) youtube.com/watch?v=USiLOQFW3X4