KULTUR

The Wall live in Wien

Franz J. Sauer

Harry Waters ist ein hochdekorierter Jazz-Pianist und Organist, fest im Film-Score-Business von Los Angeles verankert. Nach Wien kommt der 46 jährige Musiker nun als Mastermind einer konzertanten Aufführung von „The Wall„, dem Opus Magnus seines Vaters Roger.

„Eigentlich war es Jakas Idee. Er ist dann an Graham Broad herangetreten. Oder hat er mich zuerst angerufen?“ Jaka Bizilj, umtriebiger Slowene mit Berliner Wohnsitz, ist mit seiner Company „Star Entertainment“ vorne dabei, wenn es darum geht, extravagante Show-Konzepte umzusetzen. So stellte er bereits vor 20 Jahren eine megalomanische Nabucco-Produktion auf die Showbühne vor Schloß Schönbrunn, rief 2002 mit prominenten Partnern die Initiative „Cinema for Peace“ ins Leben oder brachte mit dem chinesischen Künstler Ai Wei Wei die vielbachtete Installation „Six Columns“ auf die Säulen des Berliner Konzerthaus. Abseits des Showgeschäftes fiel er etwa durch die Organisation des Transportes von Alexej Nawalny nach dessen Giftanschlag in die Berliner Charité auf. Und nun bringt er „The Wall“ auf die Konzertbühnen Europas.

© Carsten Weide

Ein Vorhaben, an dem in den letzten 42 Jahren, seit die Mega-Rockshow von Pink Floyd erstmals auf die Bühne gebracht wurde, einige große Veranstalter scheiterten. Roger Waters weigerte sich stets standhaft, die Rechte an dem Multimediaspektakel, das 1983 von Alan Parker mit Bob Geldof in der Hauptrolle verfilmt wurde, freizugeben. Lieber inszenierte er es höchstselbst. Etwa 1990 nach dem Mauerfall auf dem „Niemandsland“ des damals unverbauten Potsdamer Platz zu Berlin. Oder aber von 2010 bis 2013 als weltumspannende Stadion-Tournee, die ihn, Waters, kurzfristig zum bestverdienensten Entertainment-Künstler der Welt machte. Und nun die Produktion von Star-Entertainment. Wohl nicht ganz zufällig mit Originalmitgliedern der einstigen The Wall-Bands von 1990 und 2010, denen phasenweise auch Harry Waters als Keyboarder mit angehörte.

Harry Waters, Keyboarder und Mastermind der Wall-Shows (© Richelle Rich)

„Ich habe mit meinem Vater darüber geredet, er weiß von der Tour, klar, aber in die Sache mit den Rechten war ich null involviert, darum kümmert sich nur Jaka selbst.“ gibt Harry Waters im Interview mit dem WIENER zu Protokoll. Der 46jährige Jazzer, durchaus gefragt als Filmscore-Schreiber und in Los Angeles zuhause, spielt seit seinem achten Lebensjahr Klavier, warum es ausgerechnet die Tasten waren, auf denen er sich zum Musiker entwickelt, kann er nicht mehr sagen. „Irgendwann haben mich meine Eltern an ein Klavier gesetzt und offenbar hatte ich Talent.“ In der Tat beweist der gebürtige Londoner viel Gespür für Vintage-Instrumentarium, etwa für den klassischen Flügel oder die gute alte Hammond B3, die er virtuos bedient. Gewisse Anklänge an Peter Woods, jenen Session-Orgler, der schon auf der Original-Platte von The Wall gelegentlich für den indisponierten Richard Wright einsprang, sind zu hören, klein Harry sah im gelegentlich im väterlichen Proberaum über die Schulter.

Überhaupt „The Bleeding Hearts Band“. Jenes Ensemble, das Roger Waters um sich scharte, weil er seiner ursprünglichen Partie verlustig ging, bestand stets aus den Top of the Pops. Nukleus und Groove der Truppe: Graham Broad, britischer Drummer, der gemeinsam mit Phil Collins die Trommel-Schulbank bei Lloyd Ryan drückte und in den 80ern mehr als gefragter Sessionist war, zeichnete hauptverantwortlich dafür, dass das von Roger Waters nach dem Split mit Floyd vorgetragene Songmaterial aus den alten Tagen zunächst so gar nicht nach Pink Floyd klang. Weiters bei der Herzblut-Band dabei: Paul Carrack, Andy Fairweather-Low, Peter Woods, Andy Bown, Snowy White, Raphael Ravenscroft und an den Leadgitarren Superstars vom Kaliber Eric Clapton (Pros and Cons of Hitchhiking) oder der jüngst verstorbene Jeff Beck (Amused to Death).

Mit dem genannten Ensemble, in leicht wechselnden Besetzungen, bestritt Waters von 1985 an alle Tourneen, auch die legendäre Mega-The-Wall-Show 1990 in Berlin. Erst nach der 2011-Wall-Tour tauschte Waters seine Mitmusiker durch Rock-Youngster aus, als es daran ging, sein letztes Studio-Album „Is this the World we Want“ aufzunehmen. Immerhin – zur aktuellen Waters-Tourbesetzung (er kommt mit „This Is Not A Drill“ ab März nach Europa) gehört auch Jon Carin, eigentlich festes Mitglied der, hm, „aktuellen“ Floyd-Besestzung, der die Bleeding Hearts Band ab 1999 verstärkte. Er ist übrigens somit, was Keyboards bei Pink Floyd-Nummern betrifft, insgesamt länger mit von den Partien als Wright, der 2007 verstarb, es war.

„Tja, weißt Du, Rock’n’Roll verkauft sich besser als Jazz“ antwortet Harry Waters danach gefragt, warum wir ihn hierzulande noch nicht mit seinen hochhonorigen Jazz-Truppen „McNally Waters“ oder seiner Harry Waters Band sahen. Was nicht heißt, dass ihm die Rock-Sache mit des Vaters Musik keinen Spaß macht. „Wir sind insgesamt 14 Musiker auf der Bühne, halten uns weitgehend an die Original-Scores, lassen aber gelegentlich die Solos richtig fliegen.“ Zu dem großen Ensemble gehören auch alte Waters- und Gilmour-Mitstreiter wie Chester Kamen an der Gitarre (nicht verwandt mit Original-Wall-Orchestreur Michael Kamen, sehr wohl aber der Bruder von Nick Kamen). Wer jedenfalls Gefallen an den durchaus anspruchsvollen Arrangements und Extemporierungen der Musik-Crew von der Wall-Show am Potsdamer Platz hatte, wird auch am 10.2. in der Wiener Stadthalle seine Freude haben.