KULTUR

Das ORF-Team am Weg

Wiener Opernball 2023: Wer den Walzer richtig tritt …

Franz J. Sauer

… na, wie gehts weiter, liebe FALCO-Fans? Gerne und regelmäßig sich der WIENER vor und in der Wiener Staatsoper um, wenn diese zur wichtigsten Event-Location des Landes wird. Und entdeckt abseits des offiziellen Opernball durchaus sehenswerte Ecken des schönen Hauses am Ring.

von Franz J. Sauer mit Bildern von ihm selbst (bunt, schlecht) und Götz Schrage (S/W und großartig)

Zunächst: Die Stimmung war großartig. Im Foyer, in den Seitengängen, am Presseeingang, beim Würstelstand und auch unterhalb der Loge von Lugner-Star Jane Fonda, welche sich quite regungslos das Defillée am Parkett ansah. Vielleicht war die Miene ja auch nur aus gesundheitlichen oder MakeUp-technischen Gründen so versteinert. Richard Lugner war da jedenfalls nicht der Grund, der war gerade nicht zugegen.

Nein, wirklich: Der Opernball 2023 zeichnete sich akkurat durch eine gesamtheitliche Gute-Laune-Stimmung aus, welche die sonst durch das edle Gemäuer am Ring wabernde Distinktion fröhlich vor sich her trieb. Von der jüngsten Debutantin bis hin zum ältesten Würdenträger, alle wähnten sich zur rechten Zeit am rechten Ort, freuten sich auf langverdiente Zerstreuung in seltsamem Gewand und bewegten sich teils sicherlich mehr an einem Abend, als sonst in der ganzen Woche. Wer es nicht weiß, dem sei es hier gesagt: Gesellschaftstanz ist nicht umsonst als Sportart bekannt.

Witzig wie alleweil: Wenn sich Grethi und Plethi (zu denen sich hier freilich auch der Autor zählt) in den Gängen hinter den Logen die Hälse recken, um möglichst unauffällig festzustellen, ob man nicht zufällig gerade neben irgendeinem Promi steht und dadurch im Fernschaun ist. Auch die Anwesenheit irgendwelcher ORF-ler (diesfalls im Dienst: Nadja Bernhard, Tarek Leitner, Andi Knoll, Mirjam Weichselbraun und ein paar Hundertschaften an Technikern und Redakteuren) in der Nähe bedeutet meist Kamera-Rotlicht. Auch wenn diese selbst des öfteren so wirkten, als ob sie gerade umsonst auf irgendeinen Promi warteten, der ihnen hoffentlich vor die Linse rennt.

Wen das ORF-Team hierwohl gerade befrug?

Unsereins blieb diesesmal höchst erfolglos beim Star-Spotting, nichtmal Mr. Big oder irgendein/-e Politiker/-in lief mir über den Weg. Dafür gefühlt ziemlich viele Militärs mit entsprechendem Ordens-Behang. Aber vielleicht sensibilieren einen die Zeiten nebst ihrer Berichterstattung bloß für sowas und in echt waren es genauso viele oder wenige wie immer.

Den Hauptfloor bespielten diesmal nebst dem Hausorchester die Bernd Fröhlich Big Band, was großteils wenig anderes Personal bedeutet, wie dereinst unter dem Label des jüngst verstorbenen Richard Österreicher. Namen wie Thomas Kugi, Werner Wurm, Martin Fuss oder auch Thomas Palme, Bernie Eder und so weiter veredelten den Klangkörper, dessen Frontfrau die wundervolle Tini Kainrath gab – frisch angereist von der FALCO-Goldfisch-Show im U4, was durchaus Marathon-Qualitäten zeigt. Überhaupt und wie immer hoch: Die Qualität der diversen Bands auf den diversen Floors (wir haben insgesamt sieben gezählt …), mit Musikrichtungen von Jazz bis Standard und von Pop bis House.

Doch – wir greifen vor. Daher springen wir zurück zum Anfang des Balles, schalten zum Roten Teppich vor der Oper und übergeben an unseren Starfotograf Götz Schrage:

Mehr drinnen als draußen Thema waren die erwarteten „Klimakleber“, denen man bekanntlich den Big Bang vor den Pforten in guter, alter Opernball-Demo-Tradition zutraute, der letztlich aber ausblieb:

Während sich drinnen also die Musiker eingrooven, die Tänzer eintanzen, die Eröffner ansch….. (t’schuldigung, aber so ist es, ich schreibe aus Erfahrung) und die Showacts routiniert einsingen, schafft es Ihr Chronist, sich erstmals in der Oper zu verirren. Zwar ist jedes Stiegenhaus mit Pfeilen versehen, allerdings sind die heute begehbaren Bereiche des Hauses von jenen, die eigentlich dem Personal vorbehalten sind, nur schwer voneinander zu unterscheiden. Und so kann es, vor allem, wenn man den Lift nimmt (jeder von Ihnen übrigens permanent mit einer Ordnerin bestückt, deren Tätigkeit diesfalls unter die Genfer Konventionen fallen müsste, weil, wer tanzt, naja, der schwitzt, und die Opernlifte sind eher eng …) sein, dass man beim Künstler-Ballsaal – sonst als Kleiber-Saal bekannt – ankommt, obwohl man zu Radio Wien Disco wollte, wo Mel Merio, die wundervolle Loosbar-DJane ihres Amtes waltet.

In den Kleiber-Saal darf man als Nicht-Künstler aber nicht rein, eh klar. Also versucht man dorthin zurück zu gelangen, wo man gestartet ist. Und spätestens jetzt wird die Sache kompliziert. Weil der Kleiber-Saal nahe den Proberäumen des Balletts liegt, sich dort also ebenfalls schöne Menschen in Frack und Ballkleid tummeln, wähnt man sich im Publikumsbereich. Dabei befindet man sich sozusagen in den „Privaträumen“ der Tänzerinnen und Tänzer, wo die ihren eigenen Opernball zelebrieren. Ratlos steht man dann herum, sucht nach Wegweisern, die es nicht gibt, und wird harsch von einem Offiziellen auf den rechten Weg verwiesen: „Philharmoniker? In Kölla!“

Folgsam geht es also per Lift in den Keller. Wo tatsächlich die anwesenden Philharmoniker residieren. Derer Unsereins ja letztlich auch keiner ist. Und im Automaten am Gang gibt es – what a Zeitreise! – Tschick, die wir wirklich bald mal gut gebrauchen können.

Gefühlte 20000 Stufen später landet man schließlich doch im 5. Stock bei der genannten Disco (sie hatte sich im gegenüberliegenden Trakt versteckt, wer soll sowas bloß wissen), wo Mel schon längst für Stimmung sorgt und sich die Fläche langsdam füllt. Das Energiebündel am Pult weiß schließlich, was zu tun ist, die Hits fliegen nur so durch den Saal und die Schuhsohle beginnt sich langsam von meinen Lackschuhen zu lösen, die ja schließlich nur einmal alle fünf Jahre zum Einsatz kommen und das offensichtlich nicht sehr mögen …

Zurück im Parkett, tausende Stiegen weiter unten, wandelt sich die Strenge Enge der Eröffnung langsam in eine wilde Menge sich drehender Derwische unterschiedlichster Könnensgrade. Von Tango bis Rumba (angeblich ist Eric Claptons „Change The World“ ein solcher) und von Slow Waltz bis Freestyle.

Wild durchmischt, von Profi- bis Promitänzer schlägt ein weiteres Mal durch, was schon eingangs auffiel: Hier ist jeder guter Laune. Was die etwas seltsame, oft im Vorfeld aufgeworfene, aber auch am Ball selbst ein paar Mal gestellte Frage, ob sowas wie der Opernball noch zeitgemäß sei, endgültig terminiert. Klar kann man gegen alles sein, was einem anderen als einem selbst Freude bereitet. Die Frage ist bloß, warum das anderen ihre Freude lassen so derart aus der Mode gekommen ist. Und was den von Aktivistin Lena Schilling gerne geäußerten Vorwurf „Hier tanzen die reichsten Leute Österreichs“ etwas konterkariert: Die billigste Karte hier kostet 300 Euro, soviel wie zwei Tickets für den Robbie WIlliams im Stadion also, falls er hier wiedermal gastiert. Oder aber wie ein nobleres Paar Sneakers. Oder aber einen Bruchteil des letzten Flugtickets ins nächste Yoga-Retreat in Goa oder sonstwo. Ausserdem lege ich hier gerne meine höchstpersönlichen Finanzen offen: Ich muss noch sehr viel arbeiten, bis ich nichts habe. Aber gut – ich habe auch nicht getanzt. Mich hat Frl. Schilling also kaum gemeint …

VIPs, VIPs, VIPs wohin das Auge blickt.

Gut. Wieder rauf zur Disco. Wieder mit dem Lift weil Schuhe endgültig kaputt (Dass es hier einen Not-Schuster gegeben hätte, erfahre ich erst am Nachhause-Weg). Und wieder verirre ich mich (nach einem interessanten Talk mit Geigen-Göttin Lidia Baich am Weg in den Kleiber-Saal), wieder zu den Balett-Tänzern. Wo ich Staatsopern-Balett-Legende Franziska Hollinek-Wallner über den Weg laufe, die mich kurzerhand zur Balett-Privat-Party mitnimmt. Wo im übrigen so richtig die Post abgeht, gleichwohl aber keine Fotos erwünscht sind. Daher hier nur eines von der schönen Franziska …

… und eines zum Beweis von ihr und mir am Ball:

Ach ja, ein paar Worte noch zum Orden, dem eindeutigen Blickfang des Abends an mir. Es ist dieser das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien, das einst an meine Mutter Marija Sklad-Sauer verliehen wurde und das sie unbedingt nochmal am Opernball ausführen wollte – was ihr leider vom Schicksal verwehrt wurde. Also führe nun ich es für sie aus. Und ich schmücke mich hier auch nicht mit fremden Federn, weil für den Kenner ist auf den ersten Blick erkennbar: Es handelt sich hierbei um eines für Frauen. Das für die Jungs sieht anders aus und hängt am Band. Ich habe diese Tatsache den Abend über etwa 50 mal erklärt. Und bekam meist als Feedback, dass man das mit dem Geschlecht heutzutage nicht mehr ganz so ernst nehmen sollte … hm!

Zwei Eindrücke noch zum Abschluss:

Und jenes Bild hier, jenes des Livrierten auf der rechten Seite, der den „Backstage“-Bereich bewacht, erinnerte mich an einen großen, großen, heimischen Künstler, der den Opernball heuer nicht nur nicht besuchte, weil er leider nicht mehr unter uns weilt: Hoch Professor Weber!

Der Autor wurde für den Opernball-Report mit einem Frack aus dem Verleih von Juergen Christian Hoerl ausgestattet. Der hatte sofort und ohne viel Federlesens einen in dieser Übergröße lagernd …