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Nunu Kaller vs. Manfred Sax: Macht der Weltfrauentag noch Sinn

Eine Frage, zwei Ansätze. Nunu Kaller und Manfred Sax zum 8. März, dem seit 1911 das Motto Weltfrauentag anhaftet. Zunächst Nunu Kaller.

Falls Sie fragen: Danke, mir geht’s gut. Ich lebe auf privater und beruflicher Ebene genau das Leben, das ich möchte. Ich lebe gleichberechtigt auf ganzer Linie, bin so quasi das Erfolgsmodell meiner Vorfahrinnen, der Suffragetten. Eigentlich müsste ich den Internationalen Frauentag gar nicht feiern. Haben die vor mir ja eh alles erreicht.

© Maximilian Maquez Lottmann

8. März. Der Tag, der vor über 100 Jahren entstand, als Frauen um Wahlrecht und Emanzipation kämpften. Begründet wurde er von Suffragetten. Von Frauen, die gleiche Rechte wollten. Heute kriegen wir von der HR im Büro ein Primel-Stöckerl auf den Tisch gestellt mit einem Dankeskarterl, das sich bereits liest wie ein feuchter Händedruck. Was wollens denn jetzt noch, denken sich dann wohl die Chefs, Wahlrecht und gesetzliche Gleichstellung habens doch eh, aber unser Gehaltsschema halten wir sicherheitshalber intransparent, weißt eh, Frauen sind größeres Risiko, Schwangerschaft und so.

Nö, Primeln brauch ich nicht. Es gibt immer noch eine gewaltige Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, es sind immer noch weitaus mehr Frauen in der Teilzeitfalle, die sich spätestens in der Pension drastisch auswirken wird, und dass es überhaupt noch eine Quote braucht (und es braucht sie), Himmelnochmal! Die Antwort liegt in den patriarchalen Strukturen, die auch in Österreich immer noch fröhliche Urständ feiern.

Das allein macht mich schon wütend genug, um am 8. März weiterhin laut zu sein für gleiche Rechte von Frauen. Doch was mich noch wütender macht: Dass so viele glauben, es ist eh alles erreicht für Frauen, man muss sich jetzt anderen Themen widmen. Man muss sich auf andere Gruppen fokussieren, man muss den Feminismus „aufmachen“, weil den klassischen Feminismus braucht es ja nicht mehr. Es fühlt sich manchmal an wie im alten Rom kurz vorm Untergang – es geht uns zu gut. Wir halten Erreichtes für selbstverständlich.

© Gettyimages

Übrigens wie hieß es von sozialistischer Seite, die den Frauentag begründete? „Hoch die internationale Solidarität.“ Na dann schauen wir mal solidarisch in andere Länder: Je patriarchaler und fundamental-religiöser die Strukturen, desto schlechter stehen die Karten für Frauen. Im Iran sah man es in den vergangenen Monaten besonders gut. Da wurden Frauen verschleppt, gefoltert, verhaftet, getötet, weil sie ihre Kopftücher im Freien abnahmen, sich die Haare schnitten und tanzten. Wenn ich in Wien an der Ampel stehe und mit Musik in den Ohren tanze, dann werde ich maximal angegrinst oder ausgelacht (ich entscheide mich meistens für erstere Interpretation, aber wer weiß das schon so genau…).

In Wien krieg ich freundliche Post von der Polizei, wenn ich das mit dem Stehenbleiben bei der Stop-Tafel mal wieder nicht ganz so ernst nehme, in Dubai hätte ich vor ein paar Jahren noch nicht mal Autofahren dürfen. Es gibt noch viele Beispiele: Frauen sind in jedem Land der Welt benachteiligt. Und auch wenn es in Österreich vielleicht am Papier (und nur dort!) anders aussieht, ist der Weltfrauentag als solcher in seiner ursprünglichen Erfindung immer noch relevant. Leider.

Ps: Ich hasse Primeln.

Und nun: Manfred Sax:

Die Nachricht roch nach Triumph, quasi bahnbrechend. „Neuer Weltrekord für eine Fußballerin!“, titelte das Tagblatt. Gemeint war Alessia Russo, Stürmerin von Manchester United. Arsenal London hatte für die 24-jährige Charismatikerin eine im Frauenfußball noch nie dagewesene Transfersumme geboten. Kein Wunder. Russo hat das, was man unter „Hauptrollenenergie“ versteht. Niemand kannte sie, als sie vergangenen Sommer im Rahmen der Frauenfußball-EM als Ersatzspielerin von Team England aufs Feld lief. Zwei Wochen später erschallte aus 90000 Kehlen ein gewaltiges „Ruuuusssooo“, als sie den Rasen von Wembley betrat. Binnen zwei Wochen von ”Russo who?“ zum Darling der Nation. Mach das mal nach. Klar, die Transfersumme für Russo war nicht mit jenen Summen zu vergleichen, die etwa ein Ronaldo verdient. Wie auch, würde jeder „echte“ Fußballfan einwerfen, Männer spielen um Klassen besser. Frauen würden nie gegen Männer gewinnen und so weiter. Andererseits: Frauenfußball hat im Publikum eine frische Kultur etabliert, dort tanzen ganze Familien zu ”Sweet Caroline“ anstelle von bierbäuchigen Incels mit ihren laschen Parolen (”Harry Kane is a wanker, is a wanker.“ etc). Englands Frauen schafften, was den Männern nie gelingen will: den Triumph in einem Sport, den sie erfunden haben. Und dann ist da noch dieser gewisse Unterschied an Klasse: Wenn Männer siegen, hopsen sie auf und ab und spritzen mit Champagner herum. Als die Engländerinnen gewannen, luden sie zur Party auf den Trafalgar Square und versetzten 10000 Fans mit einer Topversion des Tina Turner-Klassikers ”River Deep, Mountain High“ in Ekstase. Das ist ein anderes Niveau. Anyway, die Rekordsumme für Alessio Russo belief sich auf umgerechnet 600 000 Euro. Also soviel, wie Cristiano Ronaldo verdient – nur eben pro Tag.

Tja.

Am 8. März ist Weltfrauentag, daher dieser Einstieg. Auch das Zentralorgan internationalwomensday.com bemüht die Grafik eines Sportplatzes, um eine Botschaft zu vermitteln. Es geht um den Unterschied zwischen Equality (Gleichheit) und Equity (Gerechtigkeit). Der Weltfrauentag wurde 1911 etabliert, und der Zeitgeist gab Frauen Rückenwind. Es war Krise, gefolgt von Weltkrieg, und Frauen wurden zu Jobs gebeten, die vorher nur Männer innehatten. Das gab Verhandlungspower und führte endlich zum Wahlrecht auch für Frauen. (Österreich: 1919) Ein Erfolg, der damit in Zusammenhang stand, dass weltweit alle Aktivistinnen eben auf dieses eine Ziel hsetzten. Heute steht der Weltfrauentag etwas verwässert da. Es gibt ja so viele besondere Tage, und jeder hat ein anderes Motto.

Es gibt den Selfie-Tag (21. Juni), den Tag der Vergesslichen (2. Juli), den internationalen Tag des Kusses (6. Juli), den Welt-Emoji-Tag (17. Juli). Es gibt sogar den Welt-Tag der nackten Gärtner (6. Mai). Und halt auch den Weltfrauentag. Da bringen die Russen den Russinnen Tulpen, die Chinesinnen kriegen einen arbeitsfreien Halbtag. Und das Zentralorgan des Weltfrauentags fordert uns heuer auf, den Unterschied zwischen Equality und Equity zu verstehen. Der da wäre? Na, wenn zwei Menschen dank zweier gleich großer Kisten über den Zaun auf ein Spielfeld blicken, ist das Gleichheit. Wenn aber einer der beiden Menschen kleiner ist, braucht er eine größere Kiste. Das wäre dann Gerechtigkeit. Und was tun mit der Erkenntnis? Ganz einfach, sagt das Zentralorgan: Lasset uns am 8. März Equity umarmen! Allerhand.

© Billy Sax

Anzunehmen, dass Iranerinnen auf derlei Schreibtisch-Solidarität pfeifen und stattdessen auf die Straße gehen werden. Sie werden geschlossen marschieren und den Mullahs einheizen, und etwas aktive Solidarität von der Restwelt wäre sicher willkommen. Aber hey, wir werden spätestens am Tag danach darüber informiert. Immerhin ein passabler Zeitpunkt. Der 9. März ist der Welt-Panik-Tag.