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Februarkämpfe 1934 – Die letzten Tage des KOLOMAN WALLISCH
Bei den Februarkämpfen des Jahres 1934 starben 400 Österreicher. Einer von Ihnen war der Sozialdemokrat Koloman Wallisch. (Aus dem WIENER Archiv/Februar 1984)
Es war vor 50 Jahren – Sozialdemokraten und Christlich Soziale, die Vorläufer von SPÖ und ÖVP, standen einander bewaffnet gegenüber. In Linz begannen die Kämpfe. Warum es dazu kommen musste, ist bis heute umstritten. Das Einzige, das man weiß, ist die Tatsache, dass die Februarkämpfe mit der endgültigen Ausschaltung der Demokratie endeten, mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und mit über 400 Toten. Am Beispiel eines dieser Toten, des Sozialdemokraten Koloman Wallisch, will der folgende Artikel von Michael Kreissl die Ereignisse des 12. Februar 1934 dokumentieren.
Es ist kalt und trüb an diesem 12. Februar 1934 in Graz. Pünktlich um acht Uhr betritt Landesparteisekretär Koloman Wallisch sein Büro in der steirischen SP-Zentrale. Die Stimmung ist gedrückt. Ratlosigkeit und Ungewissheit haben sich bei den Genossen breitgemacht. Jeder Blick fragt: „Wie soll es weitergehen?“ Erst gestern, am Sonntag, den 11. Februar, hatte der rechtsradikale Vizekanzler Emil Fey angekündigt: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten für unser Vaterland!“ War das der Startschuss für die endgültige Zerschlagung der Sozialdemokratischen Partei?
Seit fast einem Jahr war das Parlament nun schon ausgeschaltet. Die Regierung unter Kanzler Dollfuß stützte sich auf eine starke Polizei und auf die Heimwehr – eine paramilitärische Organisation, deren Führer Ernst Rüdiger Starhemberg sich wiederholt zum Austro-Faschismus bekannt hatte. Österreich war längst kein demokratischer Staat mehr, aber auch noch keine vollkommene Diktatur. Die Sozialdemokratische Partei war noch nicht verboten, die gewählten SP-Bürgermeister nach wie vor im Amt. Die Arbeiter-Zeitung durfte erscheinen – wenn auch stark zensuriert. Und der republikanische Schutzbund, der sozialdemokratische Gegenspieler der Heimwehr, existierte trotz des Verbotes vom 31. März 1933 im Untergrund weiter. Die Polizei hatte noch lange nicht alle Waffen, die die Arbeiter in den Gemeindebauten und Parteilokalen eingemauert hatten, gefunden. Kaum jemand zweifelte aber an der Absicht der Regierung Dollfuß, die Sozialdemokraten endgültig auszuschalten und eine klerikal orientierte Diktatur zu errichten.
In den letzten Tagen verdichteten sich die Gerüchte, wonach diese Ausmerzung unmittelbar bevorstünde. Doch weder Koloman Wallisch noch die Wiener Parteiführung glaubten, dass es bereits an diesem Montag soweit sein könnte. Dienstag vielleicht, oder Mittwoch.
KURZ NACH ZEHN KOMMT DIE MELDUNG: „IN LINZ HABEN DIE KÄMPFE BEGONNEN!“
Vielleicht, so hofften die Genossen wohl insgeheim, würde Dollfuß überhaupt darauf verzichten, die Partei zu verbieten, die Zentralen zu schließen, die Funktionäre zu verhaften. „Sie werden doch erkennen, dass nicht wir die Gefahr sind, sondern die Nationalsozialisten?“ machte sich so mancher Sozialdemokrat Mut. Doch das erkannten die Konservativen erst, als sie – gemeinsam mit den Sozialdemokraten – vier Jahre später in deutschen Konzentrationslagern saßen und ums Überleben kämpften.
An diesem 12. Februar jedoch beginnt der Arbeitstag für Koloman Wallisch wie üblich – mit Routinearbeit, Bürokram und Briefesortieren. Um zehn Uhr taucht dann seine Frau unerwartet im Büro auf. Auch sie hat von den Gerüchten gehört und ist besorgt. Wallisch kann sie beruhigen. Er schickt sie nach Hause. „Es wird schon nichts sein“, sagt er. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: In Linz sind bereits die ersten Kämpfe zwischen den Sozialdemokraten und dem Bundesheer ausgebrochen. Richard Bernaschek, der Führer des oberösterreichischen Schutzbundes, hatte ohne Rücksprache mit der Wiener Parteizentrale für den Fall einer polizeilichen Durchsuchung des Linzer Parteibüros den Befehl erteilt, bewaffneten Widerstand zu leisten. Wallisch erfährt erst später von den Zusammenstößen in Linz.
Die Wiener Parteizentrale informiert gegen 11 Uhr ihre Landesbüros von den Vorkommnissen und gibt folgende Anweisungen durch: Der Schutzbund habe sich zu bewaffnen, die Arbeiterschaft in den Streik zu treten. Offensives Vorgehen sei allerdings zu vermeiden, nur im Falle eines Angriffs durch Heimwehr, Polizei oder Bundesheer solle man von den Waffen Gebrauch machen.
Koloman Wallisch ist verzweifelt. Hektisch gibt er die nötigen Direktiven an die Grazer Parteisektionen durch und fährt anschließend nach Hause zu seiner Frau: „Ich bin überzeugt, dass unser Handeln organisierter Selbstmord ist“, sagt er zu ihr, „besonders jetzt, da die Regierung so überaus gut mit Waffen und Munition und Personal gerüstet ist … Ich weiß, dass die Arbeiter in der Obersteiermark kämpfen werden. Ich weiß aber auch, dass nicht überall gekämpft werden wird und dass die Eisenbahner beim Generalstreik nicht mitmachen werden. Ich weiß auch, dass ich nach dem Zusammenbruch eines der Opfer sein werde.“ Koloman Wallisch sollte in allen Punkten recht behalten. Doch das Erkennen des Schicksals war für ihn gleichbedeutend mit der Erkenntnis, dass die Tragödie der kommenden Tage unvermeidbar sei.
Koloman Wallisch will auf schnellstem Weg nach Bruck an der Mur, in jene Stadt, wo er jahrelang Wahlkreissekretär der SP war, ehe er Landesparteisekretär, Nationalratsabgeordneter und Mitglied des SPÖ-Parteivorstandes wurde. „Wenn es wirklich einmal ernst wird, werde ich bei euch sein“, hatte Wallisch seinen Freunden gesagt, als er seinerzeit Bruck verließ, um sich nationalen Parteiaufgaben zu widmen. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo es ernst wurde.
Im Taxi, das ihn nach Bruck bringt, sagt Wallisch zu seiner Frau: „Wenn man den Leuten die Hoffnungslosigkeit dieses Kampfes klarmachen will, dann hört man, dass man als gutbezahlter Bonze eben kein Interesse am Kampf habe. In der letzten Zeit war ich oft nahe daran, mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen, weil ich mich diesem Ansturm von zwei Seiten nicht mehr gewachsen fühle – auf der einen Seite sehe ich die unausbleibliche Niederlage, auf der anderen Seite drängen die Ungeduldigen immer heftiger zum Kampf.“ Koloman Wallisch hat in seinem Leben bereits zu viele Niederlagen eingesteckt, als dass er in dieser Situation den ungebrochenen strahlenden Helden spielen könnte. 1919 musste der deutsch-stämmige Ungar seine faschistisch gewordene Heimat verlassen, ein Jahr später wurde er seiner politischen Aktivitäten wegen aus Jugoslawien ausgewiesen. Dann schien es, als hätte er im obersteirischen Industriegebiet eine Lebensaufgabe gefunden: ein Arbeiterführer sein, der von seinen Anhängern verehrt und von seinen Gegnern gehasst wird.
Doch am 12. Februar 1934 fährt Koloman Wallisch seiner größten Niederlage entgegen. Und seiner letzten. „Mir ist schon lieber ein rasches Ende, als dieses aufreibende Dasein“, sagt er zu seiner Frau, kurz bevor sie in Bruck an der Mur ankommen. Dort hat sich in der Zwischenzeit der gesamte sozialdemokratische Schutzbund versammelt. Um ein Uhr stehen etwa 300 kampfbereite Sozialdemokraten in den städtischen Betrieben Gewehr bei Fuß. Wallisch weiß, dass die Regierungstruppen haushoch überlegen sind. „Unsere einzige Hoffnung besteht in einem Überraschungsangriff“, erklärt er den Genossen. Mit Gewehren und selbstgebastelten Handgranaten sollen die Schutzbündler die 80 Gendarmen in der Kaserne und die 120 in der Forstschule verschanzten Heimwehrler ausschalten.
„DER KAMPF IST AUSSICHTSLOS“, meint Wallisch „WIR SIND ZU SCHWACH. VOR EINEM JAHR HÄTTEN WIR EINE CHANCE GEHABT, ABER JETZT … „
Ein Schutzbündler schildert den Angriff auf die Gendarmeriekaserne, den der sozialistische Jugendfunktionär Sepp Linhart leitete, so: „Wir waren nicht mehr als 14 bis 15 Mann und sollten das Gebäude von vorne angreifen… Im Laufschritt ging es zur Kaserne, wir stürmten durch das Tor, vorbei an den Gendarmen, die links und rechts aus den Fenstern schossen, durch die Einfahrt gegen den Hof. Im Hof standen Gewehrpyramiden, im Hintergrund des Hofs war ein schussfertiges Maschinengewehr gegen uns gerichtet. Wir nahmen die Gendarmen sofort unter Beschuss, die versuchten, zu den Waffen zu gelangen, konnten aber selbst nicht in den Hof eindringen … In unserer Aufregung schossen wir alle gleichzeitig und es trat der Moment ein, in dem alle nachladen mussten. Da sprangen die Gendarmen aus den Seitengängen und das Maschinengewehr begann zu arbeiten. Linhart fiel, ein anderer Schutzbündler wurde schwer verletzt … Unter Zurücklassung von Linhart – den Verletzten konnten wir mitschleppen – verließen wir das Gebäude.“ Der Angriff auf die Forstschule, in der sich die Heimwehr verschanzt hält, verläuft ebenso erfolglos.
Trotz des Scheiterns der beiden Aktionen beherrschen die Sozialdemokraten einen Tag lang die Stadt. Sowohl die Gendarmen als auch die Heimwehr werden zumindest in ihren Stellungen eingeschlossen. Wallisch hofft unterdessen auf einen Sieg im „roten Wien“. Auch dort wüten mittlerweile die Kämpfe. Um zirka 11 Uhr war in Wien durch Stromabschaltung das Zeichen zum Generalstreik und zur Bewaffnung des Schutzbundes gegeben worden.
Die Schutzbündler besetzen Gemeindebauten und Arbeiterheime. Die Regierungstruppen, die zunächst vollkommen überrascht sind, dass die Arbeiter zu den Waffen greifen, können sich sammeln und der Reihe nach gegen die Stützpunkte der „Roten“ vorgehen. Um das Ottakringer Arbeiterheim, um den Goethe-Hof und vor allem um den Karl-Marx-Hof kommt es zu heftigen Kämpfen. Nachdem die Regierung die Arbeitersiedlungen mit Kanonen beschießen lässt, bricht der Widerstand allmählich zusammen. Schon in der Nacht zum 14. Februar muss Otto Bauer, der Führer der Sozialdemokraten, sein Hauptquartier am Laaer Berg verlassen und in die Tschechoslowakei fliehen. Andere Parteifunktionäre, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, werden verhaftet. Am 16. Februar ist die „Ordnung“ wiederhergestellt.
Wallisch und seine Brucker Genossen wissen nicht, was in Wien passiert. Vergeblich warten sie an den Radiogeräten auf die Nachricht: „Genossen, der Sender XY ist in unserer Hand, es lebe die Republik, es lebe der Sozialismus!“ Das einzige, was sie stattdessen hören, ist die Propaganda der Dollfußregierung. Die Meldungen, dass Otto Bauer und der Schutzbund-Führer Julius Deutsch ins Ausland geflohen seien, will keiner so recht glauben. Noch am Abend des 12. Februar taucht südlich von Bruck der erste Bundesheer-LKW auf. Wenn sich die Industrieorte zwischen Graz und Bruck erhoben hätten, wäre es der Regierung unmöglich gewesen, Truppen nach Bruck zu entsenden. Natürlich – Wallisch hatte es ja vorausgesehen: Die SPÖ hat den Kampf zu einem Zeitpunkt aufgenommen, an dem er nicht mehr zu gewinnen war. Vor einem Jahr, als Dollfuß beschlossen hatte, ohne Parlament zu regieren, hätten sich die Eisenbahner noch an die Spitze des Generalstreiks gestellt. Heute transportieren sie die Regierungstruppen zu ihren Einsatzorten. Wallisch gehörte immer zu jenen Parteivorstandsmitgliedern, die gerne ein entschlossenes Auftreten der Partei gesehen hätten. Doch Otto Bauer sagte: „Wir wissen, dass, wenn es zur Entscheidungsschlacht kommt, dies Opfer kosten wird, die wir vor den Müttern dieses Landes nur verantworten können, wenn wir vorher alles getan haben, um eine friedliche Lösung auf demokratischer Grundlage möglich zu machen.“ Und Koloman Wallisch hatte alles getan, um die radikalen Teile der Arbeiterschaft zum Warten auf diese friedliche Lösung zu überreden. Jetzt war es für die friedliche Lösung zu spät. Die SPÖ war aber auch zu schwach, um einen Kampf zu gewinnen. In der Nacht vom 12. zum 13. Februar beginnt die Beschießung von Bruck. Ab 22 Uhr dringen die Truppen über die Grazer Brücke in die Stadt ein. Der Schutzbund leistet Widerstand – nicht lange: Es fehlt an Munition, Gewehren, Granaten. Als jeder weitere Widerstand sinnlos erscheint, ruft Koloman Wallisch eine Frau zu sich: „Es geht schier“, sagt er. „Wir müssen uns in die Berge zurückziehen. Von allen Seiten ist Militär im Anzug. Wenn sich die Wiener nicht halten, sind wir verloren. Wir gehen über die Hochalm nach Frohnleiten … Am besten, du versteckst dich irgendwo … Den Marsch über das tiefverschneite Gebiet würdest du nicht aushalten.“ Paula weigert sich: „Ich will mich nicht verstecken … Ich bin stark, ich werde es aushalten. Ich will es aushalten.“ Eine abenteuerliche Flucht beginnt. Sturm, Kälte und Schnee machen sie zum Martyrium.
Paula Wallisch bleibt mit einer Freundin und einem kranken Schutzbündler auf einer Almhütte zurück. Wallisch selbst zieht mit seinen Schutzbündlern weiter. Da erfährt er, dass Frohnleiten bereits von der Heimwehr besetzt ist. Er will sich stellen, um durch sein Opfer das Leben seiner Genossen zu retten. „Das darfst du nicht tun, Koloman“, flehen sie – er gibt nach. Dann plötzlich, mitten im Wald, stoßen sie auf eine Gruppe Heimwehrler. Noch einmal raffen sie sich auf, stellen sich dem Kampf, liefern ein letztes Feuergefecht. Die Heimwehrler werden zurückgeschlagen. Wallisch rät jetzt seinen Leuten, die Waffen wegzuwerfen und nach Hause zu gehen. „Es ist sowieso alles verloren.“ Er selbst will sich mit zwölf anderen nach Jugoslawien durchschlagen. Als Paula Wallisch erfährt, wo sich ihr Mann aufhält, schlägt sie sich zu ihm durch: „Durch die zerrissenen Überschuhe drang von unten der Schnee auf meine dünnen Halbschuhe“, erzählt sie. „Bald waren meine Strümpfe nass, auch von Blut, da ich infolge der Anstrengungen und Strapazen unwohl wurde und natürlich keine hygienische Wäsche mithatte.“ In einem Bauernhof findet sie dann ihren Mann: „Ich fiel ihm ganz erschöpft an die Brust. Er streichelte mir den Kopf und sagte, mit den Tränen kämpfend: ‚Armes Weiberl, musst meinetwegen so viel mitmachen!‘ – Ich antwortete, mich an ihn schmiegend, dass ich jedes weitere Opfer bringen wollte, wenn er nur glücklich durchkäme.“ Paula Wallisch und zwei Freunde machen sich nun auf, um einen möglichen Fluchtweg ausfindig zu machen.
Paula bittet eine Bäuerin, sie für eine Nacht aufzunehmen. Doch die Bauern wurden gewarnt: „Wer dem Wallisch und seiner Frau weiterhilft, wird vor ein Standgericht gestellt und es wird ihm sein ganzes Hab und Gut weggenommen.“ In einem Heustadl findet Paula schließlich Unterschlupf. Bald stoßen auch Koloman und der Schutzbündler Walter Zuleger zu ihr. Plötzlich fahren vier Lastautos vor. Militär! Das Dorf wird durchsucht, einige Soldaten nähern sich dem Versteck. Wallisch ist nervlich am Ende. Er hat lange genug gekämpft. Warum soll er dieses Leben länger als unbedingt nötig aushalten. Er zieht seinen Revolver und setzt ihn sich an die Schläfe: „Bitte zuerst mich!“ fleht ihn Paula an. Walter fährt dazwischen: „Wallisch! Nicht schießen!“ – Gewandt nimmt ihm Paula den Revolver ab: „Noch haben sie uns ja nicht.“ Nach ein paar quälend langen Stunden, die die drei tief im Heu vergraben abwarten, ziehen die Soldaten wieder ab. Es ist sinnlos, länger im Heustadl zu warten. „Wir müssen weg hier, möglichst weit.“ Die drei Flüchtlinge wollen versuchen, in einem Taxi zu entkommen. Mit viel Glück kommen sie unerkannt durch zwei Straßensperren der Heimwehr – wer hätte schon gedacht, dass der meistgesuchte Mann der Steiermark mit dem Taxi durch die Ortschaften fährt. Doch dann überschlägt sich der Wagen auf einer vereisten Straße. Wie durch ein Wunder bleiben sie unverletzt und versuchen, ihre Flucht mit dem Zug fortzusetzen.
Als Wallisch, auf dessen Ergreifung eine Belohnung von 5000 Schilling – damals eine enorme Summe – ausgesetzt ist, von einem Bahnhofsvorsteher erkannt wird, gibt er auf. Er will nicht länger das gehetzte Wild sein. Er ist am Ende seiner Kräfte. Psychisch und physisch. Die drei ergeben sich einem einzelnen Heimwehrburschen, der sie auf der Straße anhält. „Jetzt hat die Hetzjagd endlich ein Ende. Gott sei Dank!“ sagt Koloman, als ein Gendarmeriewagen anhält, um die Verhafteten mitzunehmen. Auf dem Gendarmerieposten angekommen, wird Koloman Wallisch von einem Stabsrittmeister Rudolf Sager wütend empfangen. „Du Hund, du Gauner, du Bandit, haben wir dich endlich! Jetzt kommst du uns nicht mehr aus, du Bestie, du roter Schweinehund! Der Galgen für dich ist schon aufgerichtet!“ Ermattet, abgekämpft, grau im Gesicht, sitzt Koloman Wallisch mit gesenktem Kopf neben seiner Frau auf der Holzbank des Gendarmeriepostens.
Draußen toben erregte Heimwehrler: „Haut ihn nieder! Erschießt ihn gleich!“ Am 19. Februar 1934 steht Wallisch in Leoben vor Gericht. Der Staatsanwalt fasst noch einmal zusammen, was der politische Gegner über Koloman Wallisch denkt: „Wallisch ist eine Eiterbeule am gesunden Volkskörper der Obersteiermark und diese muss ausgeschnitten werden, um den Volkskörper wieder gesund zu machen und die Bevölkerung wieder ihrem Vaterland zuzuführen.“ Wallisch wird zum Tod durch den Strang verurteilt. Paula Wallisch schildert die letzte Begegnung mit ihrem Mann: „Frau Wallisch, kommen Sie heraus.“ Ich taumelte zur Tür hinaus, wurde in die Zelle Nr. 6 geführt und fand nun meinen Mann inmitten eines kleinen Raumes stehend. Einen Augenblick stockte ich, dann fuhr es mir durch den Kopf: Abschied nehmen! Ich stand wie besinnungslos – brüllte auf. Dann nahm mich Koloman in seine Arme und sprach begütigend mit sanfter Stimme auf mich ein: „Du hast so viel mit mir durchgemacht, aber du bist die Frau eines Rebellen und musst noch einmal tapfer sein! Oder soll ich zusammenbrechen? Sollen diese Halunken über mich triumphieren? Sollen sie?“ fragte er eindringlich und hob seinen Kopf zu mir empor. „Nein“, erwiderte ich und versuchte stark zu sein. Koloman berichtete von seiner Verhandlung und erzählte, dass viele Brucker Bürger anwesend waren, die nach der Urteilsverkündung ihre Freude nicht laut genug bezeugen konnten. Koloman sagte schließlich noch: „Ich bin dir so dankbar für alles, was du mit mir und meinetwegen mitmachen musstest, besonders aber dafür, dass du mich im Heustadl daran gehindert hast, mich zu erschießen. So konnte ich den Herren doch noch so manches in die Ohren schreien, was ihnen unangenehm war. Und ich kann dem Proletariat das letzte Opfer bringen – dass ich als Märtyrer für das Proletariat sterbe. Ich habe jetzt eine Bitte an dich: Wir haben uns die ganze Zeit unserer Ehe so lieb gehabt, wir waren so glücklich miteinander, erfülle den letzten Wunsch, sei stark, mache mir den Abschied nicht schwer.“ Koloman Wallisch wurde am 19. Februar 1934 im Hof des Kreisgerichtsgefängnisses von Leoben gehenkt. Seine letzten Worte waren: „Es lebe die Sozialdemokratie! Hoch! Freiheit!“