AKUT
Archiv 2009 – Gewinn garantiert
Aktien waren gestern – wer wirklich hohe Renditen machen will, investiert am besten in Kunst, Autos, Wein und Comics.
Text: Anita Kattinger / Fotos: David Payr
Die Aktien rasseln ins Bodenlose. Unsere Altersvorsorge geht flöten. Milliardäre werden zu Millionären. Aber einen bestimmten Typus kratzt die Krise wenig: den Sammler. Sie stecken ihr wohlverdientes Geld in die schönen Dinge des Lebens. Und steigen damit profitabler aus als der beste Broker an der Wallstreet. Wer weiß, wie es geht, lukriert Wertsteigerungen bis zu 900 Prozent. Ein Report über die geheimen Kunstdepots, Garagen, Lager-hallen und Weinkeller dieser Republik. Im WIENER brechen vier Sammler ihr Schweigen und sprechen über die Wertanlage von Lifestyle-Produkten.
So ganz behagt es dem Liebhaber moderner Kunst nicht, den WIENER in sein Allerheiligstes vor zu lassen – sein Kunstdepot. An die 6.500 Kunstwerke nennt Baumax-Chef und Kunstsammler Karlheinz Essl sein eigen. Ein Vermögen könnte er durch den Weiterverkauf verdienen, der Philanthrop will es aber nicht. Im Gegenteil: Alle Meisterstücke werden mit dem kunstsinnigen Bürgertum gegen Eintritt geteilt. „Ich denke beim Ankauf von Kunst-werken überhaupt nicht darüber nach, wie viel sie bei einem Verkauf bringen könnten. Wir spekulieren nicht mit Kunst. Wenn wir Kunstwerke anschaffen, dann nur weil sie ins Museumskonzept passen und nicht weil wir sie gewinnbringend verkaufen möchten.“
2006 zeigte die Sammlung Essl erstmals einen Querschnitt aktueller chinesischer Kunst. Im Vorfeld der Ausstellung reiste der Kunstsammler mehrmals nach China und sah sich die Arbeiten in den Ateliers der Künstler an. Essl: „Bei dem Maler Zhang Xiaogang handelt es sich um ei-nen der ganz großen chinesischen Künstler der Gegen-wart. Das Bild ,Bloodline: Big Family‘ entstand 2005 und stellt den Künstler als Kind mit seiner Mutter dar. Auf den Köpfen sind zarte Blutlinien zu sehen, die für die starke Beziehung zwischen Kind und Mutter stehen.“ Warum er sich für dieses Bild entschieden hat? „Interessant an Zhang Xiaogang ist, dass er einen neuen Blick in die Geschichte Chinas gewährt. In der chinesischen Tradition hat der Familienverband einen sehr hohen Stellenwert, aber durch die kapitalistische Neuausrichtung Chinas wurden diese Familienverbände zerstört.“
Über Geld spricht man nicht – genaue Zahlen möchte Karl-Heinz Essl nicht preisgeben, nur so viel: Das Bild kostete mindestens 100.000 Euro und ist vier Jahre nach dem Kauf mindestens 1,000.000 Euro wert. Das entspricht einer Wertsteigerung von 900 Prozent. Aktienbesitzer können von solch einem Zuwachs nur träumen. Auch wenn ihm das Spekulieren mit Kunst zutiefst zuwider ist, hat der Kunstexperte doch einen frommen Rat: „Es geht um den Mehrwert durch den ästhetischen Genuss. Wenn die Begeisterung nicht dabei ist, würde ich lieber die Hände davon lassen. Kunst bereichert das Leben – das geht über den Geldwert weit hinaus.“
Anders tickt hingegen Baumeister Josef Panis. Der Oldtmer-Sammler aus Wiener Neustadt trennt sich nur allzu leicht von seinen Autos. Jedes ist verkaufbar, solange der Preis stimmt! 14 Autos umfasst der Fuhrpark – davon stehen acht Oldtimer in seiner Garage. Mitte der Neunziger besuchte Panis die Ennstal Classic und war weniger von den Karosserien als von den Geschwindigkeiten fasziniert. „Von Oldtimern hatte ich anfangs überhaupt keine Ahnung. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass ich mich mit Wertsteigerungen sehr gut auskenne. Mir geht’s beim Sammeln um die kaufmännischen Überlegungen.“ Seitdem fuhr Panis selbst zehnmal die Ennstal Classic und dreimal die Mille Miglia in Italien. Sechs bis zwölf Rallyes fährt der Herrenfahrer im Jahr.
Wie wird man zum Kenner der Branche? „Ich habe mich in der Szene umgehört, habe Messen besucht und ganzgenau die Entwicklungen der Preise beobachtet. Genauso wie ein Börse-Mensch seine Aktien beobachtet.“ Klar gebe es Leute, die mehr Oldtimer in ihrer Garage stehen haben als er. Aber schließlich kaufe Panis nur Wagen in Topzuständen. Seine aktuelle Perle: ein Ferrari 340 America Ghia Coupé. Das Prachtstück wurde 1950 auf dem Pariser Salon vorgestellt. Nur vier Stück gibt es von diesem Oldtimer – 1952 machte Jack McAfee in diesem Wagen beim Carrera Panamericana den fünften Platz. Das mexikanische Autorennen zählte damals zur Sportwagen-Weltmeisterschaft. Das Coupé kaufte der Baumeister vor einem Jahr. Der Wert: rund 1,5 Millionen Euro. Da-für musste sich Panis von drei anderen Gustostückerln trennen. Trennungsschmerz verspürte er keinen.
Eine besonders schöne Wertsteigerung erzielte Josef Panis mit einem BMW 328 Coupé. Der Kaufpreis bewegte sich 2003 zwischen 250.000 und 300.000 Euro. Sechs Jahre später gibt es eine Preissteigerung von 100 Prozent. Das Startkapital für Anfänger: „Ab 300.000 Euro ist man dabei. Eine Wertsteigerung von zehn Prozent pro Jahr ist immer drinnen.“
Auf internationale Kritiker muss ein Weinsammler mehr hören als ein Oldtimer-Sammler. Da reicht es nicht aus, wenn der Käufer vom Objekt der Begierde überzeugt ist. Spitzengastronom Leo Doppler schenkte dem amerikanischen Weinkritiker Robert Parker Glauben, der seinen wertvollsten Tropfen mit 97 von 100 Punkten bewertete. Der Besitzer zweier Wiener Nobel-Restaurants – Hansen in der Börse und Vestibül im Burgtheater – kaufte anlässlich der Geburt seines Sohnes zwölf Flaschen des Château Mouton-Rothschild 2000. „Bei Top-Weinen geht es nicht darum, wie sie schmecken. Wichtig sind der Name, der Jahrgang und ob es sich um eine Rarität handelt. Ein Briefmarken-Sammler sucht auch nur Rari-täten und nicht die Schönen.“ Für jede 0,75 Liter Flasche des Bordeaux zahlte Doppler 335 Euro. In den vergangenen neun Jahren stieg der Preis pro Flasche am Weinmarkt um 120 Prozent an – heute würde die Flasche für 735 Euro über den Ladentisch wandern. Doppler: „Dieser Wein wurde damals extrem gehypt.“
Zwar würden die Weinflaschen samt Holzkiste reißenden Absatz finden, ein volles Glas unter seinen Gästen wohl weniger. „Würde ich den Wein verkaufen, müsste ich pro Glas 200 Euro verlangen, damit ich Gewinn mache. Nächstes Jahr zum 45er lässt der Spitzengastronom sich selber an eine Flasche ran. Sein Gaumen hält die Trockenperiode nicht länger aus – Doppler will wissen, wie 735 Euro schmecken. Von einer rauchigen Frucht, kräftig im Abgang, einer sehr feinen Nase nach Johannisbeere und Brombeere lechzt er. Sein Tipp: „Nur das Beste kaufen. Niemals Geld in Weißweine anlegen, die sind zum Trinken da. Nur in Bordeaux, Burgunder und Kalifornier investieren.“ Leider gibt es auch schwarze Schafe unter den Weinhändlern: Nicht alles, was alt aussieht, ist auch alt. Viele Flaschen werden in Asien nachgemacht und an Ahnungslose verschachert.
Mit Plagiaten haben nicht nur Weinsammler zu kämpfen. Auch Comic-Sammler Erwin Hutterer weiß ein Lied da-von zu singen. „Über Ebay wird viel Schindluder betrieben. Meist handelt es sich um Nachdrucke, nicht um die Originale.“ In seinen drei Wiener Comic-Shops verkauft Hutterer alles: von den neuesten Barack Obama-Comics und Manga-Heften bis zu den guten alten Micky Maus-Comics. Von seiner privaten Sammlung würde er sich allerdings niemals trennen. Aber wie viel kann denn schon bunt bedrucktes Papier wert sein? So um die 10.000 Euro sind schon drinnen. Wenn man so wie Erwin Hutterer die erste Ausgabe der Micky Maus besitzt. Der allergrößte Teil der alten Comics ist übrigens Schrott, um jetzt all jene zu stoppen, die bereits die Dollarzeichen in den Augen haben. Wann birgt ein Comic das Potenzial, eine rasante Wertsteigerung vor sich zu haben? „Wenn es davon nur noch wenige Stück gibt, wenn es sich damals um einen aufwendigen 4-Farbdruck handelte und die Hefte nicht ausgefranst sind.“
Ein Einsteiger sollte sich an die bekannten Zeichner halten. Hansrudi Wäscher ist so ein klingender Name. Der Schweizer zeichnete die beliebten 1950er Jahre Abenteuergeschichten über Sigurd, Tibor und Akim. Der Ritter Sigurd mit der blonden Haartolle hatte viele Anhänger, wurde aber als Schund bezeichnet. Um vier Schilling war das Sigurd-Abenteuer „Das Geisterschiff “ in den 1950ern erhältlich – heute ist es 1.500 Euro wert und im Besitz des Comic-Shop-Chefs. Auch das Schicksal kann den Wert steigern: „Die grüne Göttin“ aus der Akim-Serie wurde Opfer eines Zugunglücks. Die deutschen Abonnenten gingen leer aus, die österreichischen durften sich freuen. Heute ist dieses Exemplar mit Original-Unterschrift von Hansrudi Wäscher rund 3.000 Euro wert.
Ein Hoffnungsschimmer: Egal ob Wein, Kunst, Comics oder Autos, wer auf einer Rarität sitzt, braucht sich vor einem Wertverfall wie bei Aktien nicht zu fürchten. Es gibt immer Gleichgesinnte, die den Wert erkennen. Der Sammler steckt in uns …