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Was ein Mann schöner is wie a Aff‘ is ein Luxus

Luxus im Wandel der Zeit – Die tollen Aufbruchsjahre der 1970er und 1980er Jahre. „Luxus ist grundsätzlich ein an sich unnötiger Mehrwert, den man aber doch ganz gerne besitzen würde.“

von Harald Havas / Fotos: ebendieser

Das berühmte von Friedrich Torberg der Nachwelt erhaltene Zitat der alten Tante Jolesch über die – angesichts anderer – weniger wichtigen ästhetischen Vorzüge des männlichen Geschlechts enthüllt nicht nur tiefe Wahr­heiten über die wechselseitigen Erwartungen von Mann und Frau, sondern auch durchaus einiges zum Thema Luxus selbst. Luxus ist nämlich grundsätzlich ein an sich unnötiger Mehrwert, den man aber doch ganz gerne besitzen oder erleben würde. ­Zumindest gelegentlich.

Denn Luxus ist immer relativ. Es ist das, was man sich gerne leisten möchte, aber im Regelfall nicht leisten kann oder nur sehr selten. Trinkt jemand, der sonst jeden Groschen umdrehen muss, in einer gediegenen Bar 4 cl Whisky zu einem Preis, für den er eine ganze Flasche eines durchaus akzeptablen Supermarkt-Whiskys (Mc Intyre, schon gesehen bei ­Billa um € 8,49 für 0,7 l ist übrigens echt nicht schlecht, überzeugt euch selbst einmal, ihr ­Spirituosen-Snobs) erwerben könnte, dann ist das für ihn ­Luxus. Und wer zu Hause kein Badezimmer hatte (ich hoffe inständig, dass die Vergangenheitsform hier doch für fast alle Einheimischen gilt), für den war eine heiße Dusche im Tröpferlbad durchaus ein luxuriöses Ereignis. Nur für Menschen, die über nie versiegendes Kapital verfügen, ist eigentlich nichts ein Luxus – selbst wenn die neue custom made Yacht ein bissi an die Schmerzgrenze geht. Für diese Zeitgenossen gilt dann eher der Spruch „Braucht kein Mensch, muss ich haben!“, die merkantile Antithese zum Zen-Buddhismus.

„Damals noch mit echtem Metall­besteck bei oft mehreren kostenlosen, von Stewardessen, die noch nicht Flugbegleiterinnen hießen, servierten, heißen Mahlzeiten.“

Kurz gesagt, Luxus ist immer das, was knapp außerhalb der Erreichbarkeit liegt. Unerreichbaren Luxus gibt es natürlich auch, aber dieser wird vom gemeinen Volk höchstens bestaunt (gekrönte Häupter, Milliardäre, Filmstars), jedoch nicht unbedingt selbst begehrt. Der nächstgrößere Flachbildschirm an der Wand dagegen lockt durchaus, wenn er knapp, aber derzeit doch außerhalb der finanziellen Verfügbarkeit liegt.

Natürlich gilt auch in Sachen Luxusgütern das berühmte Spiel von Angebot und Nachfrage. Und eine Regel dabei besagt, je mehr etwas massenhaft zur Verfügung steht, desto kleiner wird der Preis. Das passiert ja ständig, insbesondere im Bereich der neuesten ­(Unterhaltungs-) ­Elektronik.

„Österreichischer Wein dagegen war kein Luxus, sondern Allerweltsgetränk, bis zum sogenannten Glykol-Skandal.“

In kaum zwei anderen Jahrzehnten jedoch erfolgte dieser Wechsel von Luxus zu All­gemein­gut so rasch wie in den 1970er und 1980er Jahren. Die Siebzigerjahre waren sozusagen der Peak der Weltwirtschaftswunder. Die ­so­ziale Marktwirtschaft hatte ihr Versprechen eingelöst und jeder verfügte nun über alles, was ein, zwei Jahrzehnte davor noch unerreichbar schien. Ein eigenes Auto, eine eigene Wohnung, ein Wochen­endhaus, Ferien im Ausland … Das war auch in den Achtzigerjahren noch so, obwohl damals bereits die Zeit der paradiesischen Versprechungen des Neoliberalismus – Stichwort Thatcherismus und Reaganomics – heraufdämmerte, die allen gläubigen Yuppies (young urban professionals) und Dinks (double income no kids) immer mehr und noch mehr von allem Luxus aufgrund der Segnungen der Trickle-Down-Economics versprach. Dass diese Trugbilder tatsächlich zu einem sozialen Abstieg nicht nur der Arbeiterklasse und Mittelschicht, sondern sogar ein paar Etagen darüber zugunsten der Super-Super-Superreichen ­führen würde und führt, wollen auch 40 Jahre danach trotz einschlägiger Beweise ja noch ­immer nicht alle wahrhaben.

Doch zurück zur Zeit um 1980. War ein Urlaub außerhalb des Schrebergartens oder Arbeiter­strandbads eine Generation davor noch blanker Luxus, fuhr man in den Siebzigern im Sommer an die Adria und im Winter nicht nur einmal, sondern bis zu dreimal (Weihnachten, Energiewoche, ­Ostern) auf Skiurlaub. Pure Normalität um 1980, was umso ironischer ist, da heutzutage auch ein nur einmaliger Skiurlaub für ­viele Österreicher bereits wieder kaum leistbaren Luxus darstellt. Kurz darauf wurden in den ­Achtzigern auch Fernreisen erschwinglich. Soll heißen: Strandurlaube in zuerst Türkei und Tunesien sowie bald darauf Ostafrika, Thailand oder der DomRep. Damals noch mit echtem ­Metallbesteck bei oft mehreren kostenlosen, von heißen Stewardessen, die noch nicht Flug­begleiterinnen hießen, servierten, heißen Mahlzeiten. Wer sich nun vom Pöbel absetzen wollte, musste Amadeus-Klasse fliegen. Oder eine der gerade aufkommenden Mittelmeerkreuzfahrten buchen.

Der größte Wandel im Schnelldurchlauf vom Luxusobjekt über das Alltagsgut zum Altmetall und Sondermüll spielte sich aber auf jeden Fall im Bereich jedweder Elektronik ab: Fernseher, bald darauf Farbfernseher, Fernseher fürs Kinderzimmer, Fernseher fürs Wochenendhaus, Dach­antennen, bald darauf Satellitenschüsseln und Kabelfernsehen, Videorecorder (davor war der ­Besitz eines Schmalfilmprojektors Luxus), Walkman, Discman, überhaupt CD Player (lange ­Luxus, weil de facto unnötig), ­Taschenrechner, anfangs nur zum Addieren später auch für kom­plexe Rechenoperationen, Digitaluhren, anfangs rot und grün ­blinkend, Schnurlostelefon, ­Anrufbeantworter, Faxgerät, ­Pager, Mobiltelefon (natürlich mit ­Tasten), unhandliche Computertrümmer mit in Kilobyte zu ­messenden Speichern, Mupid mit BTX … you name it.

LUXUS EIS. Auch beim Eskimo-Eis konnte man Klassenunterschiede zelebrieren. Jolly war Standardwerk, ein Cornetto gab’s nicht alle Tage.

Ähnliches im nicht nur für Kinder interessanten Spiele­bereich: Pong als erstes Videospiel für zu Hause, bald darauf Geräte mit Steckkassetten, G 7000 von Philips, Atari 2600, dann der Spielecomputer Commodore 64 mit unendlich vielen, unter der Hand raubkopierten Games auf Floppydisk, dazu immer kleinere und immer cleverer werdende Spiele für die Hand, von ­Tric-­o-Tronic (Game&Watch) bis Game Boy. Im Unterschied zu den anderen Geräten weiter oben wurden die Spielkonsolen allerdings nie zu Schrott, sondern werden bis heute sorgfältig ­gepflegt, hoch gehandelt und ­tatsächlich auch bespielt.

„Ein Highriser-Fahrrad in sinnloser Zickzack-Konstruktion mit Mittelschaltung war Luxus pur.“

Ansonsten waren die Begehrlichkeiten im Kinderbereich, also der Luxus für die Kleinsten, immer die jeweilige Markenware. Barbie war Luxus und daher musste man sich als Mädchen oft mit Steffi & Co. begnügen. Big Jim, alias Barbie für Buben, war sowieso Luxus. Ein Highriser-Fahrrad in sinnloser Zickzack-Konstruktion mit Mittelschaltung per Handknüppel war Luxus, ­alternativ gab es halt ein Zehngang-Rad. Später dann das eigene Moped von Puch oder KTM.

Überhaupt Motorgefährte. War zuvor auch nur ein einziger Kleinwagen Luxus (Steyr Baby!), galt später als Luxus, was größer, breiter oder schneller als das ­Allerweltsauto VW Golf war. Dazu kam der Luxus des „Zweitwagens“ für die Gattin, manchmal des Drittwagens für den Nachwuchs. Einen ähnlichen Noch-Luxusstatus haben heute nur Elektroautos. Spätestens, seitdem auch jede Billig-Automarke etwas SUV-ähnliches im Angebot hat.

Käufliche Erotik eines gewissen Niveaus war natürlich ebenfalls Luxus, aber dafür gab es tatsächlich noch bis in die 1980er Jahre Straßenprostitution in der Wiener Innenstadt (vor allem Kärntner Straße, Graben und Kohlmarkt). Auch Essen gehen, abgesehen vom Wirten am Sonntag oder irgendeiner Geburtstags- oder sonstigen Feier, war luxuriös. Dass sich das änderte, konnte man an (und in) dem neuen ­Falter-Führer „Wien, wie es isst“ (ab)lesen.

Auch die ersten Plastiksackerl waren Luxus und außerhalb gediegener Meinl-Filialen lange überhaupt nicht erhältlich. Österreichischer Wein dagegen war kein Luxus, sondern Allerweltsgetränk – bis zum sogenannten Glykol-Skandal um beigemengtes Frostschutzmittel, der im End­effekt zur Neuaufstellung der ­österreichischen Winzer und zu von der Önologie gerühmten Weltklassetropfen in Biobiobioqualität führte. Und somit ironischerweise zu heimischen … ­Luxusweinen.

Luxus ist eben eine komplizierte Spirale, die sich vielfach ineinander verdreht wie ein abgestürzter 70er-Jahre-„Slinky“-Stufengeher. Was einmal selten ist, kann bald darauf uninteressante Massenware sein, was billiges Massenprodukt ist, kann plötzlich zur begehrten und ­teuren (Strom, Gas, hüstel …) Mangelware werden. Das war um 1980 so und das ist heute so. ­Außer man ist Multimilliardär. Oder Zen-Buddhist.