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Der Kuss der Muse

Manfred Sax

Der Kuss der MuseLuxus ist auch ein Zustand des Geistes. Eine sinnliche Erfahrung, jenseits des Besitzes eines Luxusartikels. Es sind Faktoren wie bewusste Wertschätzung, innere Befreiung und empfundener Genuss, die etwas zum Luxus  erhöhen. Dem Wiener Künstler Ludwig Drahosch widerfuhr dieser rare Genuss durch einen Musenkuss.

Redaktion: Manfred Sax

„Luxus? Für mich ist das innere Freiheit; dass ich mir gestatte, am Strand bei Sonnenuntergang den Anblick einer schönen nackten Frau unbeirrt zu würdigen“, sagt der Maler und Fotograf Ludwig Drahosch. Ja, der geborene Wiener ist ein Renaissance-Mann. Wie jene der ersten Stunde, die den Terror der Gotik überwanden. „Da hat die Kirche vorgegeben, was zu malen war. Nur Gott anstrahlen, die Frau als Teufelswerk und so weiter.“ (Drahosch) Aber dann kam Botticelli und malte die schöne Simonetta Vespucci. Und Giorgione inszenierte die Schlummernde Venus, den ersten weiblichen Akt. Es gab wieder Musen, Erweckungen der inspirierenden Göttinnen der Künste in der griechischen Mythologie. Eine große Befreiung, meint Drahosch: „Stell dir vor, wenn die Renaissance nicht passiert wäre: Die ganze Sinnlichkeit wäre weg, nur noch Könige und Kriege.“ 

”Seelwasserbrandungen“
 by Ludwig Drahosch mit Muse Nina.

Wahr ist auch, dass dieser Tage keine Renaissance, wie er sie sieht, passiert. „Ich lebe in einem Zeitgeist, der mit mir nichts anfangen kann. Der Kunstmarkt erlaubt dir sehr wohl Destruktivität und Zerstörung, verdammt aber Schönheit. Ich wusste lange nicht mehr, wofür ich male, und für wen.“ (Drahosch) Der fehlenden Inspiration folgte das, was er eine lange „Down-Phase“ nennt.

Und dann traf er Nina. Erlebte das, was man den Kuss der Muse nennt. Belebung der Sinne, innere Befreiung, purer Genuss. Damit lässt sich leben, ganz ohne Genierer, dem Zeitgeist zum Trotz. Es ist nun mal so: Du kannst deine Umwelt nicht kontrollieren. Aber du kannst kontrollieren, wie du dich in ihr fühlst – und das ist Luxus.

Wahrer Luxus ist ein „State of Mind“, eine ­Befindlichkeit des Geistes. Geflügelte Worte der legendären „Luxus-Queen“ L’Wren Scott, einst Muse von Herb Ritts und Girlfriend von Mick Jagger.

Man müsse „den Instinkten trauen und entsprechend leben“, sagte sie. Nur ist das nicht einfach. Es hilft, wenn du einen Trigger hast, der dich über die Tristesse der Realität erhebt. Drahoschs Trigger war Nina. „Ich traf sie zufällig, auf Facebook“, erzählt er. „Ich sehe ihre Fotos und war inspiriert. Ich wollte sie malen. Da ist mir dann aufgefallen, dass ich das eigentlich nicht darf. Die Gegenwart erlaubt mir nicht, eine Frau zu malen, die schön ist. Am Kunstmarkt wär das existenzieller Selbstmord.“ Eine Gedankenkette, die ihn an die dunklen Jahre vor der Renaissance erinnerte, als nur Gott verherrlicht werden durfte. Und zu persönlichen Konsequenzen führte: „Ich male, was ich will, und die Frau, die ich will. Ich finde es natürlich, dass ein Mann an einer Frau das Schöne sucht.“ Seither malt und fotografiert er Nina.

Außerdem schrieb er ein Buch mit Titel „­Simonettas Schatten“. Womit selbstverständlich die Vespucci gemeint ist. Ein Stück Kunstgeschichte aus seinem Blickwinkel. „Diese Simonetta liefert den Schatten an der Wand. Laut Plinius beginnt ja die Geschichte der Malerei mit einer Schattenzeichnung.“ (Drahosch) Interessantes Detail: Diese Schattenzeichnung wurde von einer gewissen Dibutade, mythische Tochter eines Töpfers, gefertigt. Sie zeichnete das Schattenprofil des Kopfes ihres Lovers. Dass eine Frau die Malerei erfand, Frauen später aber nur als Musen männlicher Künstler Furore machten, wird noch so manches Kapitel in der Geschichte der Kunst schreiben.

Ludwig ­Drahosch:
Simonettas Schatten. Eine ­Erzählung über die Unbelehrbarkeit des Schönen; Verlag Margarete Tischler, 168 Seiten, EUR 22,00. Seit 5.10.2022 im ­Handel.