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Archiv 2011: Florian Klenk – Der neue Aufdecker der Nation

Jakob Stantejsky

Er lockte mit seinen aufgedeckten Grasser-Meischberger- Protokollen tausende Zuhörer ins Audimax. Im WIENER- Interview spricht Aufdecker-Journalist Florian Klenk über seine ersten Erlebnisse mit Flüchtlingen, über seine geheimen Informanten und Boulevard-Journalismus.

Text: Anita Kattinger und Andi Schiller / Foto: Marco Rossi

Die Realität schreibt die besten Witze. Die Crème de la Crème der österreichischen Polit-Satire zündete ein pointengeladenes Schmähfeuerwerk unter tosendem Applaus im Wiener Audimax. Inhalt der publikumsstarken Aufführung: die Abhörprotokolle in der so genannten Buwog-Affäre zwischen Karl-Heinz Grasser und Freunden. Aufdecker und Moderator Florian Klenk bedankte sich keck in einer kurzen Ansprache für die Zuspielung der Telefonprotokolle bei seinem anwesenden Informanten, der inkognito im Audimax saß. Trotz sich wild umher drehender Köpfe konnte die Person nicht ausgemacht werden. Das ist auch gut so.

Gutbürgerliches Elternhaus
Nicht wenige von Klenks Storys ließen alpenländische Volksvertreter „supernackt“ aussehen. Die aktuellen Abhör-Protokolle sind bei weitem nicht sein erster Coup: Öffentlichkeitswirksame Skandale wie der im Zuge seiner Abschiebung zu Tode gekommene Schubhäftling Marcus Omofuma oder die Korruptionsaffäre rund um den Verein „Freunde der Wiener Polizei“ gehen ebenfalls auf das vermerkstarke Konto des umtriebigen Redakteurs. So spektakulär seine Enthüllungen sein mögen, so unspektakulär wirkt Klenk als Mensch. In k(G)rasser Opposition zu den von ihm journalistisch entkleideten Akteuren, er- scheint der gern in diversen Polittalks gesehene Sohn eines ehemaligen Gemeinderats auffallend besonnen.

Der WIENER bat Klenk in seinem Büro, umnebelt von Gauloises-Rauchschwaden, zum Interview. Selbstverständlich ranken sich hunderte Gerüchte über den Aufdecker in der Branche. Gern wird ihm unterstellt menschlich ein Ungustl zu sein, dem WIENER allerdings präsentierte er sich von seiner Schokoladenseite.

Florian Klenk wuchs in einem gutbürgerlichen Elternhaus im niederösterreichischen Eichgraben auf. Schon früh machte das Kind Erfahrungen mit Ungerechtigkeiten: „Mein Vater saß für die SPÖ im Gemeinderat in Eichgraben. Er gab eine lokale Zeitung namens „Eichgraben konkret“ heraus. Über eine Umwidmung von Grünland in Bauland hat mein Vater eine Serie geschrieben. Ein Bauer hatte vor, einen Schweinestall zu bauen. Mein Vater hat sich daraufhin die Pläne angesehen und mich gefragt: ‚Bua, was siehst? Da ist ein Klo, da ist ein Gastraum, da ist eine Küche. Der will keinen Schweinestall, sondern ein Wirtshaus im Grünland und der Bürgermeister bewilligt das.‘“ Das Kind sammelte in seinem Heimatort auch früh Erfahrungen mit Flüchtlingen. Sein Vater, hauptberuflich ein Physiker der OMV, schenkte eines Tages einem Flüchtling aus Traiskirchen ein neues Fahrrad, das dem Flüchtling aber promp von der Polizei wegen Diebstahlsverdachts wieder weggenommen wurde: „Das hat mich als Kind unglaublich empört. Da muss ich 13 oder 14 gewesen sein. Das Gefühl, dass sich die Polizei nicht korrekt verhält, aber sich als Teil des Staates korrekt zu verhalten hat, ist ein roter Faden in meiner Arbeit.” Trotz dieser Kindheitserinnerungen bezeichnet Klenk nicht einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn oder Solidaritätsempfinden als Antrieb für seine Arbeit, sondern den Glauben daran, dass eine „offene, demokratische Gesellschaft sich an Gesetze zu halten hat“. Das heißt nicht, dass jeder Zeitungsdiebstahl verfolgt werden muss. „Wobei ich Zeitungen nicht mehr klaue. Ich will nicht, dass man mir deswegen das Bein stellen könnte“.

Vertrauen ist für Klenk „der Grundcredit“
Sein Rechtsstudium dürfte ihm jene gesetzlichen Skills verschafft haben, die ein trittfestes Bewegen auf dem rutschigen Parkett des Enthüllungsjournalismus garantieren. „Vor dem Studium war der Wunsch da, entweder Strafverteidiger oder Journalist zu werden. Für beide Berufe braucht man Argumente, um zu überzeugen. In meinem Gerichtsjahr habe ich gelernt, wie man Akten liest und das findet, was nicht in den Akten steht. Am Gericht hat sich gezeigt, dass mich weniger die Arbeit der Anwälte interessiert, als über Prozesse zu schreiben“, erinnert sich der Jurist. Sein Diss-Thema hat übrigens einen schönen aktuellen Bezug – er schrieb über die Unschuldsvermutung.

Durch seine Arbeit nach dem Studium bei der Organisation „Helping Hands“, die bosnischen Flüchtlingen rechtsberatend zur Seite stand, lernte Klenk seine heutigen Informanten kennen. Menschen, die ihm vertrauen und G’schichten kennen. Klenk: „Der Grundcredit eines Investigativen ist, dass die Leute ihm vertrauen. Vertrauen hat etwas mit Fairness zu tun. Meine Geschichten sind die Früchte einer jahrelangen Vertrauensarbeit. Mein Job besteht nicht darin, einen Informanten in der Tiefgarage zu treffen und einen Koffer mit Akten entgegen zu nehmen. Es ist eine mühselige Sammlertätigkeit: Protokolle von öffentlichen Prozessen, Anklageschriften, Anzeigen, die öffentlich wurden, Papiere aus dem Parlament.“

Die neue Generation
Der 37-jährige Innenpolitikchef der Wiener Wochenzeitung „Falter“ wird längst als neuer Aufdecker der Nation gehandelt. Die Generation nach dem verstorbenen Alfred Worm. News-Chefredakteur Peter Pelinka erkennt neidlos die bisherigen Erfolge an: „Florian Klenk ist – natürlich neben Kurt Kuch – meiner Meinung nach einer der allerbesten investigativen Journalisten im Lande. Auch weil er bei allem Interesse an Aufdeckung nicht das oberste Prinzip von Fairness vergisst. Deswegen hat Klenk im Vorjahr auch den Alfred Worm-Preis für investigativen Journalismus der Verlagsgruppe News erhalten.“ Wolfgang Höllrigl, Chronik-Chef der Tageszeitung Österreich und ehemaliger Chefredakteur des wiener, sieht es genauso: „Nach Freddy Worm ist er DER investi- gative Journalist. Es gibt auch andere wie News-Journalist Kurt Kuch und Profil-Journalist Michael Nikbakhsh.“ Höllrigl weiß, wovon er spricht. Der Chronik-Reporter deckte selbst als junger Journalist in den 70ern die Geschichte seines Lebens auf: den Fall rund um Euthanasie- Arzt Heinrich Gross. Das Urgestein hält aber auch mit Kritik nicht hinterm Berg: „Er stellt den Boulevard an den Pranger, bedient sich aber der gleichen Mittel. Mir gegenüber hat er sich bei seiner Recherche über die Tageszeitung Österreich sehr eingeschmeichelt, obwohl er sicher gewusst hat, in welche Richtung die Geschichte laufen wird. Dieses scheinbare Interesse ist ein Mittel des Boulevard-Journalismus. Eine sperrige Geschichte wie die Grasser-Geschichte so darzustellen, dass man diese von Anfang bis Ende liest, kann nur ein guter Boulevard-Journalist.“ Klenk lässt den negativen Aspekt dieses Vor- wurfs nicht gelten: „Ich bin sicher kein Witwenschüttler, der Leute gegen ihren Willen ausquetscht. Freundlich sein heißt nicht, dass ich in allen Punkten mit der Meinung meines Gegenübers übereinstimmte. Ich würde auch mit Karl-Heinz Grasser freundlich reden.“

Geschichte von der Parkbank
Politik-Beobachter vermuten sehr hohe Beamte im Justiz- oder Innenministerium hinter Klenks Informanten. Der Falter-Journalist ortet derzeit eine Hochblüte seiner Zunft. In Zeiten von Machtwechseln würden Schubladen aufgehen. Es geht aber auch anders: Den Skandal um Stein, wo es darum ging, dass sich drogenkranke Häftlinge das Leben genommen hatten, deckte Klenk durch Zufall auf. Er setzte sich auf eine Parkbank und kam mit einem Obdachlosen ins Gespräch: „Das Reporterglück war, dass dieser Obdachlose im Gefängnis in der Sanitätsabteilung tätig war und eine elektrische Schreibmaschine verwendet hatte. Diese hatte er in sein Obdachlosenheim mitgenommen und die Krankenberichte dieser Leute waren noch darauf gespeichert.“ Ob er aus einem linkslinken Momentum heraus mit dem Obdachlosen sprach? Klenk stößt sich an dem Wort linkslink und wird unrund: „Mich interessiert das Obdachlosenheim genauso wie das Bundeskanzleramt.“

Was bringt die Zukunft?
Auch wenn Florian Klenk gerne den Konten von Grasser nachjagt, will er das „nicht ein Leben lang machen“. Er sieht sich „draußen in der Welt“. Verreisen können, sich die Dinge vor Ort anschauen. Große Reportagen schreiben – solche Reportagen, wie er demnächst als Buch veröffentlicht. Und Journalismus von den Amis lernen. Aber vielleicht können sich die auch was von ihm abschauen.


Aufdecker von großen Skandalen
Alfred Worm und Florian Klenk

Die ältere Generation verbindet mit dem Wort Aufdecker einen großen Namen: Alfred Worm. Zu Lebzeiten eine Legende und gern gesehener Gast in Diskussionsrunden. Der gebürtige Niederösterreicher, der 2007 starb, deckte den AKH-Skandal, die Waldheim-Affäre und den Bawag-Skandal auf. Viele sehen Florian Klenk als würdigen Nachfolger. Der Falter-Innenpolitik-Chef und stellvertretende Chefredakteur hat aber ein differenziertes Bild: „es gibt den Worm der 80er und 90er, den ich für einen wichtigen Journalisten halte. Die Republik würde anders aussehen, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Gegen Ende seiner Karriere war Worm mit Bundespräsident Klestil zu eng verbandelt und genoss es zu sehr, sich an der Seite von Politikern zu sehen.“

Geboren am 23. Juni 1973 in Wien als Sohn eines Physikers und sozialdemokratischen Gemeinderats und einer Ärztin. 1992 absolvierte der damalige Jus-Student ein Praktikum beim Kurier. Seinem Mentor, Kurier-Journalist Peter Pisa, verdankt Florian Klenk, dass er in dieser Zeit auf den Geschmack von Gerichtsreportagen kam. Seine dissertation schrieb er über „die Unschuldsvermutung“. nach dem Studium war er rechtsberatend für die Flüchtlingsorganisation „Helping Hands“ tätig.