AKUT

DAS SCHUNDBLATT

Franz J. Sauer

Ab 14. November hat Österreich die häßlichste Banknote der Welt. Der WIENER fragte Künstler und Prominente um ihre Meinung zur Gestaltung des neuen Tausenders. Eine Geldscheinbeschimpfung. (Ausgabe Novemer 1983)

Der neue Tausender kommt! Ab 14. November heißt es Abschied nehmen von der gestrengen dreinblickenden Dame auf dem Blauen. Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner wird von Physiknobelpreisträger Erwin Schrödinger abgelöst. Den graphisch begabten Herrschaften mit der Druckpresse im Keller wird er wenig Freude machen – am Schrödinger Tausender hat die Österreichische Nationalbank jahrelang herumgetüftelt. Jetzt ist er die fälschungssicherste Banknote, die Österreich je hatte. Die Hüter der ästhetischen Kultur Österreichs werden allerdings wenig entzückt sein über die neueste Version von „Österreichs beliebtester Druckgraphik“.

ERNST FUCHS, Altmeister der Wiener Schule des Phantastischen Realismus:

Ich mache mir Sorgen. Denn diese Note ist doch typisch Inflationsgeld: Schlampig gestochen, mit einer unausgewogenen, schwächlichen Linienführung. Mich erinnert sie an ein schlechtes Nierentischerl. Natürlich ist keine Entwerfer- oder Stecher-Signatur darauf. Man versteckt sich also wiedermal hinter mysteriöser „Teamarbeit“. Schrecklich, diese Banknote. Es nützt alles nichts, in Österreich kann man nur mehr Dirndlknöpfe als generelle Währung einführen. Das einzige, was zur Lage der Kunst hierzulande wirklich passt.

PETER NOEVER:

Es gibt ja keine Ästheten mehr in dieser Stadt. Die sind alle schon ausgestorben. So wie der neue Tausender ausschaut, weiß man gleich, was los ist mit uns: denn die rapide Talfahrt des Geldwertes geht Hand in Hand mit dem totalen Niedergang der ästhetischen Form.

WILLIBALD KRAVISTER, Vorsitzender der Druckerei für Wertpapiere und Mitglied des Direktoriums der Österreichischen Nationalbank:

Mit dem Schrödinger-Tausender liegen wir sowohl sicherheitstechnisch als auch ästhetisch im Weltspitzenfeld. Unsere langjährigen Investitionen, etwa in eine computergesteuerte Guillochendruckmaschine, haben sich gelohnt. Bei einem Geldschein ist die Absicherung gegen etwaige Fälschungen vorrangig. Eine dieser Absicherungsmaßnahmen ist das Durchsichtsornament rechts vom Schrödinger-Porträt. Eine andere ist der sogenannte „Kippeffekt“: bei unterschiedlichen Betrachtungswinkeln ändern sich die Tonwerte des im Tiefdruck hergestellten Bildteils – rechts vom Kopf, an den fünf senkrecht verlaufenden Linien ist das besonders deutlich. Sichtbar. Fälschern wird dieser Tausender sicher keine Freude machen. Parallel zu seiner Ausgabe wird eine große Informationskampagne mit Postern, Vorträgen und Ausstellungen in Banken und Postämtern laufen, mit dem Ziel, die Bevölkerung über die in den Tausender eingearbeiteten Sicherheitsmerkmale zu informieren. Die Österreicher müssen ihren Tausender genau kennen. Warum wir den Schrödinger ausgewählt haben? Bis vor kurzem hat ihn ja fast keiner hier gekannt – aber auch unsere ausländischen Gäste sollen sehen, dass wir große Naturwissenschaftler haben. Und nicht nur ein Volk der Hoteliers, Zitherspieler und Skilehrer sind. In diesem Sinne ist der neue Tausender die ideale Kombination von Sicherheit, präziser technischer Ausführung und ansprechender, ästhetischer Gestaltung. Wir sind stolz auf ihn.

UDO PROKSCH, Selbstdarsteller:

Einen neuen Tausender gibt’s? Bin ich drauf? Nein! Dann ist er schlecht. Eigentlich müsste ja das Los entscheiden, wer auf den Tausender kommt. Oder ein Fernsehquiz. Jeder Österreicher zahlt einen Schilling und hat damit seine demokratische Chance. Und der Bergbauer aus Goisern wird’s dann. Oder der Poldi aus Favoriten. Vielleicht wäre mir Fortuna wieder einmal hold, denn mein Porträt wäre mir natürlich am liebsten. Das wäre dann ein zusätzlicher Anreiz zum Tausender-Horten. Ich lasse mich aber auch so nicht daran hindern.

EVA DEISSEN, Kolumnistin der Kronen-Zeitung:

Erwin Schrödinger statt Bertha von Suttner – dieser Tausender signalisiert die Wende, die Rückkehr der Männer an die entscheidenden Positionen. Zumindest auf den Geldscheinen. Schade um die Bertha von Suttner, die immerhin auch eine der ganz frühen Feministinnen gewesen ist. Als nächstes geht es sicher der Angelika Kauffmann an den Kragen. Aber wie ein Macho schaut der Schrödinger auch nicht gerade aus. Wenn schon ein Mann, dann wäre mir ein fescherer lieber gewesen. Warten wir halt auf die nächste Emanzipationswelle. Die kommt bestimmt.

ENGELBERT BRODA, Schrödinger-Kollege und Professor am Institut für Physikalische Chemie der Universität Wien:

Ja, ich habe mit Erwin Schrödinger korrespondiert. Primär war er eine Kapazität in der theoretischen Physik, ein echter Pionier. Für seinen Beitrag zur Quantentheorie hat er 1933 den Nobelpreis erhalten. Schrödinger war aber auch ein kulturell sehr interessierter Mensch. Er hat sich viel mit Philosophie auseinandergesetzt, ja er hat sogar Gedichte geschrieben. Ein universeller Wissenschaftler also. Was man auch wissen sollte: Er war bis 1933 als Nachfolger von Max Planck Professor in Berlin. Und er ist sofort bei Beginn der Nazi-Herrschaft emigriert, obwohl er kein Jude war. Aber eben ein aufrechter Mensch.

KURT WEISZ, Münzen- und Banknotenhändler, Wiens Spezialist für historisches Papiergeld:

Ob der alte Tausender jetzt zur Antiquität wird? Innerhalb der nächsten zwei Jahre ist die Bertha von Suttner noch im Umlauf. Und dann wird man sehen. Meine Kunden sind keine windigen Spekulanten, sondern echte Sammler. Die kaufen vor allem nach ästhetischen Gesichtspunkten. Wie etwa den Kolo-Moser-Tausender von 1910 – ein Kunstwerk ersten Ranges, bester Jugendstil. Was ich vom Schrödinger-Tausender halte? Also lassen Sie es mich so sagen: Man sieht, dass der Sicherheit einiges an Künstlerischem geopfert wurde. Sein einziger Vorteil: er ist ein wenig kleiner geworden. Man muss ihn beim Einstecken nicht allzu stark zusammenwuzeln. Ist auch was wert.

PETER WEIBEL, Allroundkünstler und Professor für Gestaltungslehre:

Das ist ja ostblockmäßiges Design! Eine Schande! Typisch für die augenblickliche ästhetische Inflation. Statt den Nitsch, den Brus oder den Rainer unser Geld gestalten zu lassen, überschwemmt man uns mit dieser minderwertigen faschistischen Variante des Futurismus. Und dann das: Da kreisen doch rechts neben der Unterschrift des Herrn Kienzl Atome durch die Gegend. Das ist doch nichts anderes als subliminale Werbung für die Atomkraft. Das erinnert mich an Coca-Cola-Spots, die in den USA in manche Kinofilme reingeschnitten wurden und die die Zuschauer nicht bewusst gesehen, aber die bewirkt haben, dass nachher alle zu den Cola-Automaten gestürmt sind. Und jetzt zeigt man dem österreichischen Unterbewusstsein das Atom in einem derartig positiven Zusammenhang wie dem Tausender – und Sie werden sehen, nach der nächsten Abstimmung wird Zwentendorf wieder aufgesperrt werden. Da tun sich ja wahre Abgründe auf. Wenn Herr Sinowatz bei Sinnen ist, dann muss er dieses Machwerk sofort einstampfen lassen. Denn es verstößt doch glatt gegen die primitivsten Grundregeln der Demokratie. Eine Banknote als Werbeträger – ich bin schockiert.

MANFRED DEIX, Karikaturist:

Selbstverständlich könnte ich mir eines meiner Porträts auf dem Tausender vorstellen. Sicher würde ich in diesem Fall keinen Politiker nehmen. Die schauen immer viel zu fad drein. Ein blonder, dicker Franz würde besser passen. Mit den berühmten niederösterreichischen Schasaugen, so ganz kleine, ohne Augenlider. Und viel Zahnfleisch. Lachen muss er. Weil er sich sauwohl fühlt. Eh klar, als typischer Österreicher. Oder vielleicht doch lieber gleich eine ganze Familie – mit Bubi und Mädi. Alle im Steirergwandl. Und hinten drauf wäre dann ein Einfamilienhaus. Eines dieser Reihenhäuser, auf die man sein Leben lang sparen muss. Mit einem Stückerl abgeschorenem Rasen davor, wo man bei Todesstrafe nicht reinsteigen darf. Das wäre dann der Deix-Tausender: ein echt österreichischer Geldschein halt.

OSWALD OBERHUBER, Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien:

Ein total hoffnungsloser Fall! Geschmacklose Beamte, die sich hinter ihren geschmacklosen Schreibtischen in ihren geschmacklosen Büros verschanzen, machen leider unser Geld. Obwohl gerade bei Massenartikeln formale Spitzenqualität so wichtig ist. Denn sie prägen den Geschmack des Volkes. Warum gibt man nicht den Freud, den Schönberg, den Klimt oder den Kokoschka drauf? Oder einen zeitgenössischen Maler? Aber das geht ja in Österreich nicht – tot sein ist bei uns Grundvoraussetzung für diese Ehre. Und das ist ja wohl bezeichnend für unser kulturelles Verständnis.

GOTTFRIED HELNWEIN, Maler:

Phantastisch! Hier werden neue Maßstäbe gesetzt. Das erste No-Future-Geld der Welt. Wenn das die Punker in London sehen, scheißen sie sich an. Dieses kleine Stück Papier ist eine Entlarvung der „Neuen Wilden“ und ihrer heftigen Malerei – was wirklich wild und heftig ist, wissen wir erst jetzt. Der neue Tausender ist das Zahlungsmittel für moderne Künstler, New Waver, schräge Vögel, aber auch für jene Modefreaks, die die gewagte Kleidung und die Möbel aus den 50er-Jahren so sehr schätzen. Geld regiert die Welt, heißt es. Bei dieser Art von Geld kann von Regieren keine Rede mehr sein – das ist absolute Anarchie! Ein Meilenstein. Ich hätte es nicht besser machen können.