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Archiv 1993: Niawer?
Den Namen sollten wir uns merken, denn dieser Mann steht im Aufzug nach oben: Michael Niavarani schaffte den Sprung von der Kellerbühne ins Fernsehen und an die Spitze der Kabarett-Institution Simpl. Ein Porträt von Christian Kornherr (Text) und Christiano Tekirdali (Foto).
Wnn nur bloß nicht dieser Name wäre. Niavarani. Das klassische Hoppala für jeden Fernsehansager. Aber Sie sollten langsam mit dem Üben beginnen. Denn Niavarani kommt. Als Intervall-Komiker (Bösmeinende sagen auch Pausentrottel) im Prominenten-Witzprogramm „Wer lacht, gewinnt“. Der Mann hat sich für die erste Fendrich-Show qualifiziert, spielt einen Sketch mit dem Meister persönlich. Für das Graumann-Theater spielt er, bearbeitet Stücke, führt Regie. Noch keine 26, wird Michael Niavarani im Herbst Martin Flossmann als Simpl-Chef ablösen. Farkas, Waldbrunn, Maxi Böhm. Beinahe alles, was Österreich bisher zum Lachen gebracht hat, hat dort seinen Job gelernt. Jetzt übernimmt Niavarani die heiligen Hallen. Wie schon gesagt, wir sollten üben. Na los: Niavarani, Niavarani, Niavarani. Und seien Sie froh, dass Sie nicht den vollen Namen lernen müssen. Michael Iradj Mashady Hassan Niavarani wurde in Wien geboren. Sein Vater stammt aus einer der gesegneteren persischen Familien. Er besuchte eine noble englische Privatschule, als es bei einem Studienaufenthalt in Wien passierte: Herr Niavarani lernte das Fräulein Swoboda kennen, bald danach war Michael unterwegs. Die Familie lebte mit einer Unterbrechung ständig in Wien. An das eine Jahr in Teheran hat Michael (er war damals fünf) nur die besten Erinnerungen: ständig wurde er abgeknutscht. Als der Schah von den Ajatollahs gestürzt wurde, verlor die Familie alles. Michael war damals elf Jahre und bekam die Katastrophe voll mit. Seine Großmutter traf das Schicksal am härtesten. Als eine der reichsten Frauen Teherans hatte sie nie arbeiten gelernt. Heute lebt sie in den USA und schmiert Brötchen bei einem Party-service. Michael Niavarani: „Trotzdem hat sie ihren Humor nie verloren. Sie kann über die grauslichsten Revolutionsszenen reden und dich trotzdem zum Lachen bringen.
Den braunen Mundgeruch des Landes hat Michael Niavarani nie am eigenen Leib gespürt. Vielleicht, weil sein Vater ein angesehener Geschäftsmann und kein Gastarbeiter war. Trotzdem würde er gerne als Ausländer erkannt werden. Um denen zu helfen, die es nicht so leicht hatten wie er. Daheim bist du dort, wo du auf wächst. Alles andere zählt nicht. Und überhaupt: das größte Problem der Menschheit sei die Religion. Aus diesem Grund ist Michael Niavarani trotz katholischer Mutter und mohammedanischem Vater ohne religiöses Bekenntnis. „Die Unfehlbarkeit des Papstes ist eine selbsternannte Herrlichkeit. Die Mohammedaner schlachten Kinder ihres eigenen Glaubens ab. Das alles kann nicht gottgewollt sein. Wenn Gott das gewollt hat, muss er ein unglaubliches Arschloch sein.“
Richtig, Michael Niavarani galt lange Zeit als schwererziehbares Kind. Erkannte keine Autoritäten an, verweigerte das Lernen, weil er den Sinn dahinter nicht erkannte. Dem Mathematiklehrer sagte er einmal ins Gesicht: „Hören Sie, das interessiert mich alles nicht.“ Erst als in Deutsch die Reclam-Heftchen mit verteilten Rollen gelesen wurden, erwachte sein Interesse am Unterricht. „Ich ging zur Schule, um mich in den Pausen auf das Freifach Bühnespiel vorzubereiten.“ Michael wurde sozusagen durchs Theaterspielen ein besserer Mensch. Mit 17 zog er die Lehren aus dieser Tatsache und wechselte vom Gymnasium auf die Schauspielschule von Michael Mohapp und Dany Siegei. Schließlich wurde er Mitglied von Mohapps Graumann-Theater. Sechs Jahre lang hat Michael Niavarani wie die anderen Ensemble-Mitglieder aus Idealismus gespielt und vom Schnorren gelebt. Und keine Minute war vergebens. Das Graumann-Theater ist eine Kleinbühne, mit 100 Leuten hoffnungslos überfüllt. Da gibt’s kein Schummeln, wenn die ersten Gags nicht sitzen, erfrieren Zuschauer und Darsteller gemeinsam in der eisigen Kälte des Kellerlokals. Die Mimik und das Timing der Lacher werden da zur Überlebensfrage. Vielleicht hat Michael Niavarani deshalb ziemlich bodenständige Ansichten über seine Arbeit: „Komik ist ein Handwerksberuf wie Tischler oder Schlosser. Aus dem Bauch kannst du erst arbeiten, wenn du die Grundlagen beherrschst.“
Unter seinen Vorbildern wird man nur gute Handwerker finden: Charly Chaplin, Jerry Lewis, Mel Brooks, Woody Allen. Natürlich fürchtet sich Michael Niavara-ni vor der Übernahme des Simpls. Nicht nur wegen des großen Namens. Eigentlich müsste die Aufgabe ja heißen, aus der müden Institution wieder ein bissiges, lebendiges Kabarett zu machen. Konkurrenz für Resetarits, Heinzl & Co. Trotzdem klingen Niavaranis Zukunftsperspektiven eher wie ein Wahlversprechen der großen Koalition: „Man kann die Welt nicht mit Kabarett verändern.“ Er wolle „nur“ gute Unterhaltung machen, das Stammpublikum halten, durch mehr Tempo und skurrilere Sketches langsam neue Kundschaft gewinnen.
Michael Niavarani will unterhalten, nicht mehr, nicht weniger. Ganz im amerikanischen Sinn des Entertainments: Komik muss sich verkaufen. Staatlich unterstützter Dilettantismus macht ihn ganz krank. Etwa die Tatsache, dass für Ernst Wolfram Marboes gigantische, aber nur mäßig aufregende Geisterkönig-Inszenierung im Weihnachtsprogramm 60 Millionen Schilling verblasen wurden. „Damit hätte man mindestens zehn jungen Talenten die große Chance geben können.“ „Es gibt viele begabte Menschen im ORF
, aber ein paar Dilettanten betätigen sich als große Verhinderer.“ Mit so viel Ehrlichkeit wird es Michael Niavarani im Monopol-Funk nicht leicht haben. Aber auf seine „Wer lacht gewinnt“-Auftritte war er sowieso nie besonders stolz, sie dienten ihm nur dazu, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern.
Niavarani würde gerne am Broadway arbeiten, dort, wo der Konkurrenzdruck enorm ist, Erfolg und Genie täglich an der Abendkasse abgerechnet werden. Vielleicht schafft der künftige Ober-Simpl irgendwann dieses Ziel. Denn zum Schluss verriet uns Michael Niavarani sein Erfolgsgeheimnis: „Alles, was ich mir wünsche, geht in Erfüllung.“ Noch vor ein paar Jahren dachte er: Einmal müsste man Jerry Lewis in Las Vegas sehen. Als er dann im Publikum saß, wünschte er sich: Mein Gott, einmal müsste man mit Jerry Lewis in der gleichen Show auftreten können, ein bisschen mit ihm plaudern dürfen. Genau das passierte nun bei den Aufzeichnungen zur Fendrich-Show. Eigentlich könnte er jetzt in Pension gehen, meint Michael Niavarani. Er hat alles erreicht, von dem er noch vor kurzer Zeit geträumt hat. Wenn es da nicht ein paar neue Träume gäbe. Aber die werden nicht verraten, sonst gehen sie nicht in Erfüllung.