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Archiv 1995: Klub der geschlagenen Männer
Neben politischem Hickhack und explosivem Terror beschäftigt Israel auch ein häuslicher Kleinkrieg. Ehemänner klagen zunehmend über die niederschmetternde Schlagkraft ihrer militärisch geschulten Frauen daheim. Hunderte Herren suchen bereits in Selbsthilfegruppen Schutz vor der femininen Faust im Nacken.
Report von Josef Neumayr.
Eine Nacht lang waren Ellic und Chaim glücklich verheiratet. Dann versäumte er, ihr das Frühstück ans Bett zu bringen, und sie schlug schallend zu. Auch eine Morgengabe. Und weil der Bräutigam nicht recht wusste, „welche Platte da läuft“, bekam er gleich die nächste gelangt. Und dann noch eine. Zack. Prack. Chaim war viel zu baff, um sich zu schützen, und floh bücklings aus dem Schlafzimmer. „Meine Frau hat sich zwar schnell wieder beruhigt“, erzählt der Israeli, „aber wohl auch jeden Respekt vor mir verloren. Vielleicht hätte ich Gleiches mit Gleichem vergelten sollen – nur bin ich halt kein Schläger.“ Also hat er seiner Süßen doch noch den Kaffee serviert. Goldbraun. Mit einem Stück Zuckerbrot.
Zwei Jahre später kann der 25-Jährige die Folgen „noch immer nicht fassen“. Beschämt und gedemütigt ist er bei einer Institution gelandet, die ihm und anderen Prügelknaben Gleichheit vor dem Gesetz verschaffen will: im „Verein für geschlagene Männer“. Ein Kuriosum zwar, aber offenbar nicht nur in Israel simple Notwendigkeit. Denn neuerdings schließen sich auch in England und den USA immer mehr Ehekrüppel zu solchen Selbsthilfegruppen zusammen.
In Tel Aviv treffen sich die Getroffenen seit fünf Jahren in einem kleinen Klublokal in einem Hinterhof. Fünf weitere Zufluchtsstellen gibt es mittlerweile im ganzen Land. Denn der Andrang ist massiv: 300 neue Fälle pro Monat. Staatliche Unterstützung bekommen die insgesamt nun schon 12.500 zahlenden Mitglieder keine, denn die ist in Israel bloß Frauenbünden vorbehalten. „Irgendwas ist in unserem Land schiefgelaufen“, meint Amnon Aviad, 45, Vorstand der traurigen Runde in Tel Aviv. „Unsere Scheidungsrate von 30 Prozent unterscheidet uns nicht vom Rest der westlichen Welt. Aber das juristische Werkzeug, unsere Ehegesetze also, ist in seinem Kern 2000 Jahre alt und mehr.“ Gemeint ist das „Halacha“, jenes jüdische Familienrecht, das noch auf biblischen Ursprüngen fußt und daher feminine Handgreiflichkeiten ziemlich außer Acht lässt. „In einem Macholand wie Israel treffen Schläge durch Frauenhand tief in die Weichteile der männlichen Psyche“, bilanziert Dr. Eleanor Leibowitch, eine von 60 freiwilligen Mitarbeitern des Vereins. Auch die 40-jährige Anwältin empfindet die einschlägigen Paragraphen im Lande als extrem ungerecht: Es gibt zwei verschiedene Anlaufstellen für Eheleute in Not, das ist das größte Problem. Die eine ist das Zivilgericht, die andere eine Art Kirchengericht, das von einem traditionell konservativen Weisenrat besetzt wird. Beide sprechen zwar das gleiche Recht, eben das Halacha, legen es aber unterschiedlich aus.
Im Streit um Alimente und Unterhaltszahlungen etwa hat gewöhnlich jener Partner die besseren Chancen, der als erster den ehelichen Ring verlassen will. Und die Unterhaltszahlungen enden übrigens in Israel erst dann, wenn das jüngste Kind beider Partner sechs Jahre alt ist. Kündigt eine Rosenkriegerin ihren Job, erhöht das die Unterhaltszahlungen ihres Privatsponsors im Fall einer Trennung noch.
Eine Nummer, aus der kaum ein Mann herauskommt. Denn grundsätzlich kann er nicht einmal einen zweibeinigen Drachen zur Scheidung zwingen. Es sei denn, der kam nebenbei auch noch unter andere Männer, und die Seitensprünge sind auf Video dokumentiert. Gleiches gilt im Knüppelfall: Da glauben Richter gewöhnlich nur, was sie auch sehen. Im Zweifel gegen den Angeklagten hingegen die Gerichtspraxis bei Herren mit Hieb: „Steht ein Ehemann im Verdacht, ein Schläger zu sein“, berichtet Anwältin Leibowitch, „dann ist er sofort draußen aus dem gemeinsamen Haus und aus dem Leben seiner Partnerin.“
Ein faires Familiengesetz ist nicht in Sicht. Dagegen sprechen sich die religiös verbrämten, rechtskonservativen Kleinstparteien aus. Dass Israel deswegen ein Paradies für Frauenpower sei, hält Jonathan Defrise, 42, Rechtsberater im Männerklub, indes für „überzeichnet“. Das Familienrecht bevorzuge zwar das schönere Geschlecht. Aber mehr Prügel, so Defrise, müssen auch hier immer noch die Frauen einstecken. Und wenn dann eine kräftig zulangt, gab’s vorher oft jahrelange Demütigung durch den Mann.
Die durchschlagende Wirkung von Rosenkriegerinnen hat nicht zuletzt auch mit Israels Frauen-Wehrpflicht zu tun. Denn wer mit 18 zur Landesverteidigung gedrillt wird, lernt auch fürs Leben, wie man umwerfend agiert. Um Beispiele ist kein Anwalt verlegen. Beliebteste Taktik im Nahkampf sind Tritte unter die Gürtellinie. Im Reflex schützt jedermann seine Hoden und vergisst auf weitere Deckung. Advokat Defrise erzählt auch gern von der Begegnung eines Klienten mit einem Aschenbecher aus Stahl, bombensicher eingesetzt von der zornigen Gemahlin. Polizisten zeigten dem Verletzten, wie man eine Gehirnerschütterung bespöttelt, und er schlich zurück ins laute Heim. Wo die bessere Hälfte mittlerweile nicht untätig war: Tisch und Bett händisch getrennt, sein Auto an einer Mauer geparkt und seine Koffer vor die Tür geworfen. Jetzt ist er einer von 500 solcherart Obdachlosen. „
Die größte Gemeinheit ist aber“, schimpft der Delogierte, „dass ihr auch noch die Kinder bleiben.“ Um als Vater das Sorgerecht zugesprochen zu bekommen, muss die Alternative schon an der Nadel hängen oder HIV-positiv sein. Resultat: Binem geschiedenen Mann bleibt selten mehr, als die Liebe abzuhaken. Ist er aber mit Alimenten im Verzug wie im konkreten Fall, „weil sie mir den Rohrstock über- und das Besuchsrecht entzogen hat“, geht’s ab in Beugehaft, bis das ausständige Geld eintrifft. Wie, ist nicht Sorge der Justiz. Im Selbsthilfeverein hat man darüber hinaus nur noch eine, wie von Prügelknabe Chaim zu hören ist: „Mir ist völlig egal, wie viel ich zahlen muss.“ Hauptsache für den Mann: „Ich komme bald aus Ellies Schlagschatten heraus.“