AKUT
Archiv 2003 – SEX AUF 2 BEINEN
Beine sind die letzte erogene Zone, die ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde. Bei den Minis, die heuer mit freiem Auge kaum erkennbar sind, sind sie erst recht sehenswert. Nehmen Sie sich ein Beispiel. An den schönsten, legendärsten, gefährlichsten Beinen der Welt.
Text: Manfred Sax Fotos: Francis Giacobelli Wallard
Es soll knapp fünf bis sieben Millionen Jahre her sein, dass irgendwo im tiefen Afrika ein paar Affen beschlossen, sich auf die Hinterläufe zu stellen und fortan als zweibeinige Hominiden ihr Dasein zu fristen. Es war dies ein kleiner Schritt für den Affen, aber – wie wir heute wissen – ein ziemlicher Satz für das, was sich später als Menschheit verstand. „Lucy“, aus der Familie des „Australopithecus afarensis“ und mit einem Alter von dreikommasieben Millionen Jahren so etwas wie das hominide Urweib, hätte es sich nicht träumen lassen, dass dereinst im 21. Jahrhundert um diese Beine, mit denen sie allerhöchstens Fersengeld gab, immenses Aufheben gemacht werden sollte. Aber genau so ist es.
Im Sommer 2003 zum Beispiel sind sie ein modisches Muss. Darunter High Heels von Manoló Blahnik. Darüber ein Objekt, zu dem man bei etwas mehr Stoff fast schon Minirock sagen könnte. Und Männermagazine wie der WIENER basteln an Hitlisten der Ebene „Die schönsten Beine der Welt“. Was einerseits eine verdammt nette Art ist, sich sein Geld zu verdienen. Andererseits: Was ist schon „schön“?
Nun, jetzt und hier ist „schön“ ein anderes Wort für „sexy“, also eine Qualität, die im Organismus des Mannes für hormonelle Wickel sorgt. Allerdings erst seit ein paar kümmerlichen Jahrzehnten. Denn als erotische Signalgeber sind Frauenbeine so ziemlich die letzte erogene Zone, denen die westliche Gesellschaft Öffentlichkeit eingeräumt hat. Während ihr Busen, Taille und Arsch seit jeher seinen Kopf in Chaos zu stürzen vermochten, waren es in Sachen Waden immer nur Männer, die anno Gladiator den Minirock trugen und noch im 19. Jahrhundert die Strumpfhosen anhatten.
Erst ab dem Ersten Weltkrieg durften sich tanzende Pioniere vom Schlage Mata Hari und Josephine Baker der Macht ihrer Schenkel besinnen, ehe Ende der Zwanzigerjahre die Berlinerin Marlene Dietrich als „Blauer Engel“ für die erste einschlägige, Lingerie-drapierte Unvergesslichkeit sorgte. Und erst die Erfindung des Minirocks in den Sechzigerjahren gestattete dem Mann, sich ein permanentes Bild von der Vielfalt der Frauenbeine zu machen. Das konnte zwar unter Umständen zu seltsamen Pop-Ergüssen führen („Ich hab dein Knie gesehen, das durfte nie geschehen“). Aber im Großen und Ganzen sind wir seither imstande, uns dem Sex-Faktor des Frauenbeins zerebral zu nähern. Sexy, beschließen wir nach einer Minute Andacht, das ist eher Gazelle und eher nicht Elefant. Sexy Beine sind eher glatt und eher nicht behaart, und sie verzichten auf Krampfadern, Zellulitis und Achillesfersen jeder erdenklichen Art. Und weil kurze Beine in die Nähe von Lügen gerückt werden, genießen lange Beine zumeist das männliche Wohlwollen. Andererseits ist Länge nicht alles. Eine gewisse Sam Stacy, deren im „Guinness Buch der Rekorde“ vermerkte 126komma36 Zentimeter langen Beine dort enden, wo bei Kylie Minogue der Hals beginnt, ist deswegen nicht unwiderstehlich sexy. Der Sexappeal eines Frauenbeins, erläutern Tiefenpsychologen, vermittelt sich symbolisch. Er kratzt, erstens, an einem in jedem Manne schlummernden Masochismus, den süßen Schmerzen eines Unterworfenen frönend, dem ein Eroberer den Fuß auf die Brust setzt. Zweitens suggeriert er die Frauenbeine als einen sinnlichen Wegweiser zur in ihrem „Schritt“ beheimateten Endstation Sehnsucht. Und last, but not least, ist jedes Bein nur so sexy wie der „Basic Instinct“, den seine Besitzerin damit zu kommunizieren versteht. Also: Schreiten wir zur Sache …
05 DAGMAR KOLLER Den Spagat, erzählte sie uns, legte sie noch mit 50 im Beinumdrehen hin. Die hübschere Hälfte von Wiens berühmtestem Helmut verdrehte einst als tanzende Irma La Douce ganz Österreich den Kopf. Und noch mit respektablen 44 Jahren, also praktisch gestern, wurde sie von den Agenturen als jugendliche Tanzende verkauft. Aber dann „hat mir mein Mann die Augen geöffnet, und ich hab gesagt, ich tanze nicht mehr im kurzen Trikot herum.“ Schade, eigentlich.
04 TWIGGY Heute ist sie 53 und heißt wieder Leslie Hornby, so wie bis zum 23. Februar 1966. Damals spazierte sie erstmals im Mini auf fragilen Bambi-Beinen über einen bescheidenen Laufsteg und revolutionierte als „Twiggy“ (= Zweiglein) das Schönheitsideal der Frau. Schräger Humor, aber so waren sie eben, die Swinging Sixties.
03 JANE FONDA Das Jahr ist 40.000. Der Unhold Duran-Duran bedroht den globalen Frieden, und ein langbeiniges Ding in kultigen Boots namens Barbarella wird auserwählt, die Welt zu retten. Was ihr nach einer denkwürdigen Folterszene in einer „Orgasmus-Maschine“ auch gelingt. Die Rolle machte die spätere Aerobics-Legende Jane Fonda 1968 zum Star. Der Film erfährt heuer übrigens ein Remake (mit Drew Barrymore). Die 65-jährige Jane lehnte einen Gastauftritt dortselbst allerdings ab.
02 BRIGITTE BARDOT Und Gott – in Gestalt des Regisseurs Roger Vadim – erschuf das Weib. So geschehen 1956 (deutscher Titel: „Und immer lockt das Weib“). Und weil dieses Weib sich als ehemalige Ballettschülerin namens Brigitte Bardot entpuppte, glauben die Pariser noch heute, dass Gott ein Franzose war. Die extrem freizügige Blondine (heute 69) war nicht geneigt, ihnen die Illusion zu rauben. Der Interview-Frage „Was war der schönste Tag Ihres Lebens?“ begegnete BB mit den Worten „Es war eine Nacht …“, und um den Mythos zu wahren, zog sie sich bereits 1974 aus dem Filmgeschäft zurück. Clever.
01 MARLENE DIETRICH Auf ihrem Grabstein, schrieb einer ihrer Biografen, sollten eigentlich die Worte „Hier ruhen die schönsten Beine der Welt“ stehen. Darüber kann man natürlich streiten. Aber 1929, als die 28-jährige Marlene in „Der Blaue Engel“ dieselben in ordentlichen High Heels und Stockings präsentierte, machte der Satz einen Sinn. Ironie des Schicksals, dass diese Beine später als erste einem Muskelschwund erlagen. „Ist es nicht seltsam?“, schrieb La Dietrich 1985 in einem Gedicht. „Die Beine, die mich zum Ruhm trugen, wurden mein Sturz ins Elend.“ Sie starb 1992 in Paris.
05 VENUS WILLIAMS Vor mehr als einem Jahrzehnt beschloss ein ehrgeiziger US-Vater, dass seine beiden Töchter mit extrem kräftigem und aggressivem Spiel die Tenniswelt erobern sollten. Venus Williams, das ältere der beiden Girls, beschloss wiederum, dass deswegen die Anmut ihrer Beine dennoch nicht leiden sollte. Das machte sie verletzungsanfällig, und wenig charmante Kommentatoren verglichen ihren Gang häufig mit dem einer Giraffe. Unfair, finden wir.
04 VERA LISCHKA Die Erfolgsdisziplin der 26-jährigen Schwimmerin aus Linz wird als „100 Meter Brust“ angegeben. Das ist natürlich maßlos übertrieben. Auch finden wir, dass es bei der 13-fachen Staatsmeisterin und Besitzerin eines Rauhaardackels namens Franz vor allem die Beine sind, die dem Betrachter zunächst ins Auge stechen. Und ohne die beiden eleganten Dinger wären ihre Erfolge auch nicht möglich, oder?
03 MARIE-JOSE PEREC Es liegt in der Natur der Sache, dass besonders schnelle Läuferinnen immer wieder mit besonders langen Beinen glänzen. Dieser Tage hängen da, wie bei unserer Karin Mayr, häufig auch ein paar satte Muskelpakete dran: Anders bei Perec. Die schnelle Französin (Spitzname „Gazelle“, was sonst?) verbuchte mittels ihrer beiden entzückenden Exemplare 1996 olympische Siege über 200 und 400 Meter. Zum Leidwesen der männlichen Sportfans ist Mademoiselle Gazelle auch mit entsprechenden Allüren ausgestattet. Schwer zu sagen, ob wir sie noch einmal auf der Laufbahn bewundern werden können.
02 PATRICIA KAISER Der Teenager aus dem oberösterreichischen Ried ist ein Multitalent, mit dem Speer ebenso bewandert wie mit ihrer Stimme. Als Pin-up schmückte sie auch schon die Seiten des WIENER. Kein Wunder, bei diesen Beinen. Ihr Problem, gestand sie uns, ist denn auch, dass sie noch immer nicht wirklich weiß, welchem ihrer Talente sie den Vorrang einräumen soll. Egal, finden wir, solange ihre Beine nicht in die Anonymität verschwinden.
01 STEFFI GRAF Zeit ihrer Laufbahn wurden die Sportreporter nicht müde, von ihrer „Forehand“ zu schwärmen. Und vergaßen dabei geflissentlich zu erwähnen, wie sich diese Forehand in einem bezaubernd wippenden Hintern und der entsprechenden Beinarbeit entlud. War die Deutsche, die am 14. Juni ihren 34. Geburtstag feiert, die beste Tennisspielerin aller Zeiten? Eindeutig, meint das Auge des Betrachters. Und Andre Agassi braucht morgens nur die Augen zu öffnen, um guter Laune zu sein.
04 ADRIANA SKLENARIKOVA-KAREMBEU Die Gattin eines Fußball-Franzosen erlebt stets die gleichen Albträume, wenn sie Hosen shoppen geht. Der Grund: Jene 126 Zentimeter, die bei ihr nur aus Bein bestehen und auch dem „Guinness Buch der Rekorde“ nicht verborgen blieben. Bei uns schaffte sie dennoch „nur“ Rang vier, weil sie trotz dieser fabelhaft geformten Gehwerkzeuge als Wonderbra-Girl Furore machte. Die Dame verfügt eindeutig über zu viel des Guten.
03 GABRIELLA REECE
Die 33-jährige Beachvolleyballerina ist Spezialistin für „Blocks“ und „Kills“ und eines der meistgesuchten Internet-Girls. Der Grund: ihre fabelhaften Legs, die ihren Sport zu dem machten, was er für berufene Voyeure heute darstellt – die beste Erfindung seit der warmen Semmel.
02 NICOLE KIDMAN
Hollywoods „Taste of the Season“ ist eigentlich wie Soletti – immer dabei, wenn es um Superlative in Sachen weibliche Form geht. Das gilt insbesondere für ihre exzellenten Beine, die, an einem exzellenten Arsch beginnend, nach einer erstaunlich langen Reise an exzellenten Zehen enden. Außerdem: Es gibt derzeit keine Frau, die ähnlich elegant zur Bühne schreitet, um sich ihren Oscar abzuholen wie La Nicole.
01 NADJA AUERMANN
Ja, fand zum Beispiel Star-Fotograf Herb Ritts, als er ihren beiden 108-Zentimeter-Dingern (bei 171 cm Körpergröße) eine Fotoserie widmete, die sie an den Modehimmel katapultierten. Ja, fanden die Werbestrategen der Austrian Airlines, als sie nach Paradebeinen suchten, um die Vorzüge ihrer geräumigen Grand-Class-Seats ins richtige Licht zu rücken. Und: Ja, finden wir. Weil bei Miss Auermann eigentlich nichts vom Genuss ihrer Beine abzulenken vermag. Nicht weil Nadjas Restkörper nicht ansehnlich wäre. Aber ist das Auge des Voyeurs einmal bei ihren Beinen, bleibt es dort unwiderstehlich hängen. Und alles andere – inklusive der Mühseligkeit des Seins – ist vergeben und vergessen.