Buch

Georg Biron: „Sag nicht Vogelkopf!“

Ab sofort ist die Georg Biron-Trilogie komplett. Nach den autobiografischen Romanen „Eisenschädel“ und „Frischfleisch“ ist jetzt mit „Vogelkopf“ der dritte Band im Wieser-Verlag erschienen. Der WIENER bringt die besten „Sager“ und gibt eine Kaufempfehlung.

Mirabella war gut gelaunt. Wir sprachen über sexuelle Erlebnisse. Über Jobs und Geld. Über gescheiterte Beziehungen. Über schöne Urlaube. Mit Lust naschte sie später von einer schaumigen Zabaione. Ganz, ganz langsam.
Sie ließ sich Zeit.
»Was denkst du, wenn du eine fremde Frau siehst, die dir gefällt?«, fragte sie. – »Wenn ich eine Frau sehe, die mir gefällt, höre ich auf meine innere Stimme.« – »Und was sagt deine innere Stimme?« – »Die innere Stimme sagt: Sag einer klugen Frau, dass sie schön ist, und einer schönen Frau, dass sie klug ist. Behandle eine Königin wie eine Hure und eine Hure wie eine Königin. Sag, worauf du Lust hast! Wenn sie will, dann ist es gut. Und wenn sie nicht will, dann ist es auch gut.«

Ein Fluß in Preußen

»Bitte, bitte, bitte«, sagte Mirabella nach dem Essen. »Erzähl mir was von dir und der Liebe.« – »Die Liebe??? Die Liebe ist ein Fluss in Preußen und mündet in den Sorgensee … Aber man springt trotzdem immer wieder ins kalte Wasser. Als junger Mann war ich verliebt, verlobt, verheiratet. Auf Hochzeitsreise waren wir in Griechenland, mit Zelt auf einer Insel. Einmal in der Nacht werde ich wach und merke, dass ich allein im Zelt liege. Meine Frau ist nicht da. Ich schau aus dem Zelt hinaus: Vollmond, Strand, Meer, Bäume und Fischerboote. Und was sehe ich? Ich sehe, dass meine Braut da unten am Strand liegt, nackt, und mit dem Disc-Jockey. Hey! denk ich, der reitet nicht seine Platten, sondern meine Alte! Nach einer Stunde oder so ist sie dann ins Zelt zurückgekommen, ganz leise, um mich nicht zu wecken. Ich hab nix gesagt damals. Das war vielleicht ein Fehler.« – »Tja, man sollte nie heiraten«, sagte sie cool. »Heiraten ist tödlich.« – »Der Teufel schläft nicht«, stöhnte ich. – »Im Gegensatz zu Gott«, sagte sie. – »Wir werden einen Exorzisten brauchen«, brummte ich. – »Nein! Wir werden zwei Grappe brauchen«, antwortete Mirabella. Ja, Grappa ist der beste Exorzismus, dachte ich.

Biron’s Bali Tavern

Herbert lebte in einer Villa in Benoa. Er hatte einen alten Jeep. Mit dem wir kreuz und quer über die Insel Bali fuhren. In Sanur entdeckte ich am Straßenrand unter Palmen eine Hütte, die zu mieten war. Eine verlassene Coconut Bar. Es könnte ein Zeichen sein.
»Bleib stehen!«, sagte ich und stieg aus. »Vielleicht sollte ich hier bleiben, diese Hütte mieten und meine eigene Bar eröffnen. Biron’s Bali Tavern. Was meinst?« – »Sei nicht albern, steig wieder ins Auto«, antwortete Herbert. »Du bist kein Wirt, du bist Schriftsteller.«

Sag nicht Vogelkopf!

Plötzlich brummte das Satellitentelefon. Ich hob ab. – Der Toni: »Vogelkopf! Wie gehts dir?« – »Sag nicht Vogelkopf zu mir!« – »Wo bist du?« – »Wie kommst du auf Vogelkopf? Das hat der Unterweger immer zu mir gesagt.« – »Ich weiß«, sagte er. »Das hat mir eine Freundin von dir erzählt, die ich mir im Nightfly‘s eingetreten hab. Die geile Yolanda … – Und jetzt sag mir, wo du bist.«

Roland

Imola. 30. April 1994. Kurz nach zehn. Ich trank mit Mirabella Caffè in der VIP-Lounge von McLaren-Peugeot. Dann ließ ich sie im Trenchcoat bei den Technikern vom Team sitzen und versuchte, nach Gerald Pototschnig von der Kleinen Zeitung ein Interview mit Roland Ratzenberger zu bekommen. Der erst in einem einzigen Formel 1-Rennen am Start gewesen war. Es war schwül, eigentlich viel zu heiß für die Jahreszeit, als das Abschlusstraining begann. Ratzenberger winkte freundlich ab und meinte: »Ich hab jetzt keine Zeit. Das Interview machen wir nachher!« – Ich sagte: »Okay.« – Doch das Universum sagte: »Einspruch!«
23 Minuten nach ein Uhr mittags löste sich der linke obere Teil des Frontflügels bei der Anfahrt zur Villeneuve-Rechtskurve. Das Auto verlor seinen Anpressdruck, hob kurz ab, war weder zu steuern noch zu bremsen, kam von der Strecke ab und raste mit 315 km/h geradeaus in eine Betonmauer. Nach dem gewaltigen Aufprall wurde der Simtex zurückgeschleudert und rutschte neben der Rennpiste bis zur Tosa-Linkskurve, wo er schließlich nach einem Dreher auf dem Betonband zum Stillstand kam. Bruch der Wirbelsäule. Schädelbasisbruch. Aus.
Der Rettungshubschrauber flog mit einem Toten davon, der offiziell noch nicht für tot erklärt war. Das hatte juristische Gründe. Sonst wäre die Rennstrecke ein Tatort gewesen und hätte gesperrt werden müssen.

Kalte Krieger

Der Kalte Krieg war zu Ende, doch die Kalten Krieger waren immer noch da. Wie Gespenster aus einer anderen Zeit. Sie spukten herum im Nebel der Gegenwart. Sie verstanden die neuen Zeiten nicht. Auch ich verstand die neuen Zeiten nicht. Der Turbokapitalismus war geboren. Der Markt entfesselt. Profitmaximierung total.
Geld. Geld. Geld. / Göd. Göd. Göd. / In Göd We Trust!

Vulva Furiosa

Karsky holte für einen Drehtag eine prominente Miss Zürich-Soundso auf das Set. Die sich bereit erklärte, halbnackt auf und ab zu laufen. Es aber ablehnte, vor der Kamera zu bumsen. Weil sie einen Werbevertrag mit einer global agierenden Kosmetikfirma hatte. Doch als sie dabei zusah, wie Sissi von Toni durchgenudelt wurde, war es mit ihrer Noblesse vorbei. Sie war nass und stürzte sich ins Geschehen. Sie wurde zur reißerischen Vulva Furiosa. Die nicht genug kriegen konnte. Ihre Borderline-Performance sorgte für großartiges Filmmaterial. Wir alle waren enthusiasmiert. Zwei Tage später kam der Karsky mit der Nachricht eines Rechtsanwalts daher. Eine Klagsandrohung für den Fall, dass die Miss Zürich-Soundso nicht sofort aus dem Film herausgeschnitten wird. Vulva Furiosa perdu.

Besuch vom Satellit

Britta musste pinkeln. Ich fuhr rechts ran. Sie stieg aus und huschte hinter einen großen Felsen. Ich stieg ebenfalls aus und folgte ihr. Im Schatten des Felsens studierte ich den Faltplan, den ich aus der Lobby des Hotels in Aït-Ben-Haddou mitgenommen hatte. Es waren noch circa 33 km bis zur Oasenstadt Zagora. Wir waren auf der richtigen Straße. Plötzlich hörten wir ein leises Pfeifen. Das schnell anschwoll. Und ein Rauschen. So, als würde Wind schnell durch eine Ritze fahren.
»Was ist das?«, fragte Britta. Ich schaute mich um, aber ich konnte nichts entdecken. Doch dann krachte auf einmal ein Metallteil – circa 80 mal 80 mal 50 Zentimeter – von oben auf den Mercedes. Faaaaaack! Die Windschutzscheibe löste sich in Tausende kleine Splitter auf. Dann fing die Alarmanlage zu kreischen an. Ich starrte auf das Ding aus einer anderen Welt, das auf dem Autodach einen tiefen Krater geformt hatte. Dicke Kabelteile hingen aus dem Objekt, auf dem der Text »Satellite Technologies« zu lesen war.
Wir hatten Besuch von einem Satelliten-Bestandteil bekommen. Und wie zum Hohn schaltete sich das Navigationssystem ein, und wir hörten die Frauenstimme, die irgendwas Spannendes von sich gab. Wahrscheinlich: Hallo, mein Schatz! Du musst die Bundesstraße nach Quarzazate nehmen! – Ich schrie: »Kusch!«

  • Eisenschädel“. Die Biron-Trilogie – Teil 1: Ein autobiografischer Roman, 206 Seiten, gebunden, ISBN: 978-3-99029-558-8. 21,00 Euro. Wieser Verlag, 2022.
  • „Frischfleisch“. Die Biron-Trilogie – Teil 2: Ein autobiografischer Roman, 216 Seiten, gebunden, ISBN: 978-3-99029-590-8. 21,00 Euro. Wieser Verlag, 2023.
  • „Vogelkopf“. Die Biron-Trilogie – Teil 3: Ein autobiografischer Roman, 220 Seiten, gebunden, ISBN: 978-3-99029-650-9. 21,00 Euro. Wieser Verlag, 2023.