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Was wäre, wenn wir die Männer wieder lieben würden?

Eine Notwendigkeit sind sie schon lange nicht mehr. Aber können Männer eine Liebenswürdigkeit sein – in Zeiten, da sie als Ursprung allen Übels gelten? Männerhass ist zum Modetrend geworden. Janina Lebiszczak bricht eine Lanze für wertvolle Alliierte und weiß, wie man wahre Alphas entdeckt.

TEXT: Janina Lebiszczak / Foto: Unsplash/Brianna R

Vielleicht bin ich ein „Succubus“. Das wäre – die mystisch Angehauchten unter euch werden den Begriff kennen – ein weiblicher Dämon, der sich von männlicher Energie ernährt. Und zwar bevorzugterweise beim Sex. Es geht aber auch ohne. Oder in Kombination. Kann ja kein Zufall sein, dass ich nach einer verschleppten Grippe just an jenem Tag gesundete, als ich mit den drei wertvollsten Kerlen in meinem Leben intensiven Kontakt hatte – und bei zweien davon behielt ich meine Kleidung an.

Vielleicht habe ich einen überdurchschnittlich hohen Testosteron-Spiegel. Das wichtigste männliche Sexualhormon ist auch bei Frauen im Blut in meist höherer Konzentration vorhanden als Estradiol, immerhin das wichtigste Geschlechtshormon einer erwachsenen Frau. Das würde die ausgeprägten Schultern über dem nicht minder ausgeprägten Busen erklären. Auch meinen Drang zu Abenteuern, die Entschlossenheit. Ich bin eine treibende Kraft. Schieße erst und frage später.

Vielleicht liegt es an der starken Vaterfigur – und wenn ich „stark“ sage, dann meine ich das im guten Sinne. Mein Vater war ein Macher, ein Mad Man mit einem weichen Herzen. Ein Alpha-Wolf und ich sein Alpha-Welpe. Geschlecht spielte keinerlei Rolle. Ich wuchs mit dem Glaubenssatz auf, alles schaffen zu können, wenn ich mich genug bemühe – egal ob Manderl oder Weiberl.

Vielleicht mag ich Männer aber auch einfach gerne. Sie sind – schlag’ nach bei Cher – mein allerliebster Nachtisch. Die wusste bereits 1996, was Sache ist: „Men are like dessert. I adore dessert, I love men. I think men are the coolest. But you don’t really need them to live.“ Auf gut Deutsch und verknappt: je weniger bedürftig man als Frau ist, desto besser schmeckt’s. Desto größer, wahrhaftiger, freier ist das Leben.

Foto: Unsplash/Leif Christoph Gottwald

Aber darf ich das? Es mir schmecken lassen? Der Mann – vor allem wenn aufgrund der Gnade des Geburtsorts und Hautfarbe privilegiert –wird mit Hingabe gehasst. Im Generalverdacht, ungeniert. Gemeint sind selbstverständlich heterosexuelle „CIS-Männer“, also jene, die sich als Mann identifizieren, eventuell sogar gerne. Aber ich bin ein Kind der Generation X, nicht Z – und werde mit ausuferndem Gender-Vokabular sparsam umgehen. Nicht weil ich bockig bin, sondern weil mich die zur Unkenntlichkeit entstellten Facetten der Definitionen nerven. Du queer? Du bi? Du meinetwegen non-binär? Ist okay. Ich Frau. Feministin. Komplett binär. Mag Menschen.

Warum ich mich erkläre? Weil ich den Shitstorm bereits schmecken kann. Die „Norm“ ist außer Mode, und damit auch meine Liebe zum Mann und zum Frausein. Das derzeitige Motto lautet „Bully the Bully“, nicht ohne Grund. Viele Männer haben viel Dreck am Stecken. Vielen Frauen steckt so viel alte Furcht in den Knochen, dass diese Ursuppe bei jedem aktuellen Anlass wieder hochköchelt. Es ist eine ähnliche Angst, wenn uns der Zeitgeist des Frauseins berauben will. Weiblich gelesen? Nein: Weiblich durch und durch. Vereint in einer uralten Leidensgeschichte, vereint im Blut, verhüllt, verbrannt, verstümmelt, verfolgt, verlacht und in ihren Bedürfnissen nach gleichem Lohn und gleichen Rechten vernachlässigt.

Doch zurück zu den Männern: Das Pendel schlägt zurück. sie bekommen ordentlich aufs Maul, und zwar en gros. In pseudoemanzipatorischen, pseudolustigen Bekundungen auf Social Media, aber auch im Feuilleton. Die französische Autorin Pauline Harmange etwa sorgte mit ihrer Schrift „Ich hasse Männer“ für Aufsehen, in der sie den (gewaltlosen) Männerhass als Freiheitskampf und Grundlage einer starken Schwesternschaft darstellt. Alle Männer? Wirklich alle? Ja, alle. Weil jeder ein potenzieller Übeltäter ist. Auch die „Guten“. Punkt.

In so einer Welt will ich nicht leben. Auch wenn ich reflexartiges Verteidigen im Zuge von Diskussionen zu #MeToo, Rammstein, Weinstein, physischer und physischer Gewalt gegenüber Schwächeren, von eben allen üblen Nebenwirkungen des Patriarchats und so mancher religiösen Überzeugung nicht leiden kann. Denn dann kommt es immer wieder zu reflexartigen „Aber nicht alle Männer sind schlecht“-Beteuerungen. Liebe Männer, die bringen uns nicht vom Fleck. Liebe Frauen, Verallgemeinerungen und Feindbilder ebenso wenig.

Foto: Unsplash/Saikiran Kesari

Apropos Feindbilder: Der neueste heiße Scheiß beim Männerhass ist der Vorwurf der „Petromaskulinität“. Lärm zu machen und den Planeten zu zerstören, sei fast ausschließlich unter Männern identitätsstiftend, heißt es in einem aktuellen Buch namens „Männer, die die Welt verbrennen“. Nun – auf die darin genannten prominenten Beispiele wie Putin, Trump und diesen Vollhonk namens Andrew Tate kann man getrost sauer sein. Leider reicht das dem Autor nicht, die Testo-Killer werden auch im Durchschnitt verortet. Der Mann, der Auto fährt (nach Gründen wird nicht gefragt), der Mann, der gerne grillt, der Pyrotechnik mag, Fleisch isst (wie oft und welcher Qualität wird nicht erörtert) – er ist der Feind. Sogar Holzhäckseln und Rasenmähen werden als Dominanzverhalten gedeutet. Kinder, irgendwo muss auch mal gut sein. Call me Post-Feministin, aber ich bin froh, wenn ich beim Grillfest mit Freunden die Salatbar bestücken darf, das archaische Ritual des Feuermachens überlasse ich gerne den Boys. Fleisch essen wir alle selten und wenn, dann meistens beim bösen BBQ, reichlich und von bester Qualität. Ein Auto fahre ich selbst, es ist uralt und damit nachhaltiger als die Anschaffung eines (faktisch unleistbaren) E-Autos. Und bitte: mäht und häckselt weiterhin und erfreut euch einer geilen Show, bei der das Bühnenbild explodiert – so etwas gibt es eh viel zu selten. Wir sind unter dem Deckmantel der Zivilisation immer noch Urviecher und wer das leugnet, wird keinen Meter machen im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit. Selbst 56.788 unterschiedliche Pronomen können nicht verhindern, dass wir, so es hart auf hart geht, aus Feuer, Ficken und Verteidigen bestehen.

Es gibt unzählige männliche Identitäten abseits der Petromaskulinität. Die Wissenschaftlerin Gotelind Alber, die seit Jahrzehnten an der Schnittstelle von Gender und Klima forscht, schildert z. B. die „ecomodern masculinity“. Der ecomoderne Mann fühlt sich innerlich dem Umweltschutz wie auch dem Wachstum und der Technologie verpflichtet und ja: das geht beides. Als Beispiel nennt sie Arnold Schwarzenegger, der viel vorangebracht habe in Sachen Klimaschutz. Ich bin ein glühender Arnie-Fan. Und ich weiß, ich darf das nicht sein, weil er gegenüber manchen Frauen übergriffig war. Ich darf keinen Mann, der Fehler machte, mögen und ich darf keinen Mann mögen, weil er mal Fehler machen wird.

Das ist ätzend. Ich werde mich nicht daran halten. Ich werde lieben. Väter, Brüder, Kollegen, Freunde, Partner, sogar in Ungnade gefallene Vorbilder.
Was macht einen Mann also zu einem guten Mann? Und gibt es sie wirklich – die „männliche Energie“? Ich meine nichts ist gefährlicher als ein fragiler Mann. Einer, der sich seiner Männlichkeit nicht bewusst ist, sich ihrer sogar unsicher ist. Aus diesem schwarzen Loch entstehen Bullys, Unterdrücker, Mörder und Vergewaltiger. Männlichkeit hat nichts mit Muskelmasse, Körpergröße oder Kontostand zu tun, sie ist ein „State of Mind“. Ob diese politisch zu verorten ist? Schwer zu sagen: Ich habe von links-liberal ebenso viel Mist abbekommen wie von rechts-konservativ. Einen linken Frauenhasser etwa erkennt man gut daran, dass er nur Einzelne hochleben lässt – und zwar für ihre Härte. Im Gegensatz zu weichen, verletzbaren Frauen verhalten sich „Bad Ass Bitches“ ihrer Ansicht nach nämlich endlich mal adäquat. Linke wünschen sich auch gerne, dass Partnerschaft, Liebe und Sexualität frei von traditionellen gesellschaftlichen Mustern und ohne altbackene Moralvorstellungen gelebt werden. Daraus resultiert oft eine gewisse Respekt- und Verantwortungslosigkeit, beim Dating ebenso wie bei den Alimenten.
Und rechts? Eigentlich selbsterklärend. Jedoch: Welches Rechts genau, das Autochthone oder das Importierte? Sein Ziel scheint immer dasselbe: Wir sollen gebären, dienen, versorgen. Und bitte schön aus dem öffentlichen Bild verschwinden.

Es wird immer enger für uns Frauen. Wir brauchen dringend Alliierte. Wir brauchen Männer, die sich ihrer Männlichkeit bewusst sind und ihr bewusst sein dürfen. Ob sie dabei zündeln, bruzzeln und Auto fahren scheint nebensächlich. Was zählt, ist, dass sie keine Angst vor Frauen haben. Dass sie Verantwortung übernehmen, ihnen Platz einräumen und dafür kämpfen, dass ihnen dieser Platz auch erhalten bleibt. Männer hatten (und haben noch) die sprichwörtliche Herrschaft. Und verständlicherweise Angst davor, dass Frauen ihnen antun könnten, was man selbst Frauen anzutun pflegt(e). Nehmen kann ich euch diese Befürchtung nicht ganz. Ihr müsst jetzt einfach stark sein. Quasi männlich. Für uns. Für euch. Für alle. Dann wird sehr wahrscheinlich nicht alles, aber vieles wieder gut.