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Taylor Swift Absage: Plötzlich politisiert
Bald drei Tage sind seit der Absage der drei Wien-Konzerte von Taylor Swift vergangen. Seither gehört die hochsommerliche Stadt den Swifties, die hochdekoriert glitzernd und an den charakteristischen Freundschaftsbändern erkennbar durch die Bezirke ziehen, spontane Acapella-Shows anstimmen oder einfach nur eine gute Zeit haben. Es wäre kaum offensichtlich, dass die jungen Musik-Fans sich durch die No-Shows die Laune nachhaltig vermiesen hätten lassen. Dennoch hat die Taylor Swift Absage in Wien das Potential, bei einer nicht unbedeutenden Anzahl von großteils jungen Menschen, denen Politik bislang herzlich egal war, eine harte Front gegen den Islamismus und vieles, was damit zusammenhängt, zu formieren. Und zwar weltweit.
von Franz J. Sauer
Seit Wochen kennt die Pop-Berichterstattung in Wien vor allem ein Thema: Taylor Swift. Nicht nur der Boulevard oder die Popmusik-Presse widmen dem US-Superstar, deren drei Wiener Stadionshows seit Monaten ausverkauft sind, Kolumnen, BIldberichte und Titelbilder. Auch der Feuilleton, die Polit-Berichterstattung, ja sogar die Primetime-News im Fernsehen räumen dem Phänomen TS breitbandig Fläche ein. Dass ausgerechnet Armin Wolf dann in der ZiB 2 des 7. August verkündet, der Veranstalter habe „vor kurzem“ die drei Wien-Shows von Taylor Swift am 8. 9. und 10. August im Wiener Ernst-Happel-Stadion abgesagt, kommt doch eher unerwartet. Obwohl es sich seit dem frühen Abend bereits ansatzweise abgezeichnet hatte.
Terrorwarnung mit jihadistischem Hintergrund
Nach einem Aufsehen erregenden Anti-Terroreinsatz im Bezirk Neunkirchen (NÖ) am Nachmittag hatten die Polizei-Generäle Franz Ruf (Direktor für die öffentliche Sicherheit) und Gerhard Pürstl (Wiener Landespolizeipräsident) gegen 18h eine Pressekonferenz einberufen und bekannt gegeben, dass ein junger Österreichischer Jihadist festgenommen worden war, den man der Planung eines unmittelbar bevorstehenden Terroranschlages im Raum Wien verdächtigte. Die Anschlagspläne hätten insbesondere die Konzerte von Taylor Swift im Visier gehabt. Die unmittelbare Gefahr für die Shows sei nun zwar „minimiert“, jegliche Gefährdung könnten freilich auch die hochrangigen Polizisten nicht ausschließen, hieß es noch bei der PK. Unmittelbar danach berichteten einige Medien von weiteren Flüchtigen, nach denen in Zusammenhang mit der Aktion bei Ternitz zur Zeit noch gefahndet werde.
Belastbaren Informationen aus informierten Kreisen zufolge dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits festgestanden haben, dass die Show nicht stattfinden würde. Die von einem ausländischen Geheimdienst lancierte Gefahrenmeldung (es dürfte sich um die CIA handeln) war nicht nur auf informellen Weg den heimischen Behörden weitergegeben worden, sondern dürfte auch zumindest zeitgleich direkt ans Management und den engsten Betreuerkreis der Künstlerin gegangen sein, weshalb Taylor Swift selbst Wien gar nicht erst anflog. Besonders die Tatsache, dass auch unter den unmittelbar im Stadion tätigen Mitarbeitern ein Verdächtiger lokalisiert und noch während der Aufbauarbeiten festgenommen wurde (es gilt die Unschuldsvermutung, er ist bis dato nicht geständig) machte aus sicherheitstechnischer Sicht eine Durchführung der Shows unmöglich, zumal man kaum mit Sicherheit innerhalb von 24 Stunden verlässlich ausschließen hätte können, dass mehr dem Täterkreis zuzuordnende Personen bei den Shows jobben würden.
Tausende Swifties lassen sich ihre Laune auch zwei Tage nach der Show-Absage nicht verderben und versammeln sich in der Wiener Innenstadt, wo sie die verlustig gegangene Show quasi selbst stagen …
Mobilisierung gegen Islamisten
Warum und wann die Absage der Shows tatsächlich und endgültig beschlossen worden war, kann den nun um ihr Vergnügen gebrachten, rund 200.000 Swifties letztlich egal sein. Keineswegs egal wird hingegen sein, wer ihnen tatsächlich die Shows gestohlen hat. Es ist anzunehmen, dass es nicht nur die hier vor Ort versammelte (und sich die Freude gottlob nicht nehmen lassende!), sondern die weltweit zig Millionen Menschen umfassende und ziemlich zusammengeschweißte Taylor-Swift-Fangemeinde (die New York Times berichteten bereits wenige Minuten nach deren Veröffentlichung und weiterhin konsekutiv von der Absage der Wien-Shows, die Wiener Terror-Absage war weltweit Thema in den folgenden Tagen) rechtschaffen persönlich nimmt, wer sie hier in Wien quasi über die Bande um ihr größtmögliches Vergnügen, nämlich einen Konzertabend mit ihrem Idol, gebracht hat. Einen konsequenteren, effizienteren und vor allem zielgerichteteren Schlag gegen den Islamismus (wer auch immer das in diesem Fall genau sein sollte) hätten sich auch die ultrarechtesten Spindoktoren nicht ausdenken können. Und dass Superstar Taylor Swift ihre Gefolgschaft sehr wohl auch politisch zu mobilisieren vermag, hat sie in ihrer Heimat, den USA, nun bereits in zwei Wahlkämpfen unter Beweis gestellt.
Einen konsequenteren, effizienteren und vor allem zielgerichteteren Schlag gegen den Islamismus hätten sich auch die ultrarechtesten Spindoktoren nicht ausdenken können.
Dass es hätte noch viel schlimmer kommen können, wären die Anschlags-Pläne erfolgreich gewesen, ist hier übrigens eingepreist. Es federt erfolgreich ab, dass die Schockwellen der Enttäuschung die unmittelbaren Akteure (Polizei, Behörden, Veranstalter) der Absage treffen; Sie haben schließlich Schlimmeres verhindert. Der tatsächliche Feind steht glasklar fest: Die Bösen sind die Islamisten, sie haben sich mit den Swifties nun rechtschaffen angelegt. Und dass aus Enttäuschung schnell Unmut oder auch schierer Hass werden kann, ist durch zahlreiche, popkulturellen Initialzündungen für spätere Ausschreitungen historisch belegt.
Die Kommentare und das Blutbad im Kopf
Auf den Punkt polemisiert: bislang waren Irma (die hier für jedes random Ösi-Girl steht, das sich innigst auf das Taylor Swift Konzert gefreut hatte) der immer grantig dreinschauende, bärtige Papa von Schulfreund Mohammed und dessen unnahbare Mama mit der strengen Burka vielleicht ein bisserl unheimlich, aber im Großen und Ganzen wurscht gewesen. Nun hat sie ein Bewußtsein für die beiden. Und der Irma-Papa darf nach den Nachrichten ausnahmsweise vor versammelter Familie saftig vor sich hin politisieren, was ihm die liberale Mama sonst immer energisch verbietet. Er hat es ja schließlich schon immer gesagt …
Letzteres hat freilich auch die FPÖ, wie nach den News schnell und polternd von NÖ-Vize Udo Landbauer kundgetan wird, während Regierungsvertreter vom Kanzler abwärts in ersten Reaktionen die Absage der Shows entsprechend vorsichtiger als „Erfolg für die menschenverachtenden Terroristen“ betrauern. All jene, die es aus ideologischen oder sonstwie seltsamen Beweggründen partout nicht über die Lippen bringen, den radikalen Islam und seine Auswüchse auch nur ansatzweise zu kritisieren, heben die Angelegenheit reflexartig wie zeitgeistkonform auf die Genderebene und identifizieren zweifelsfrei zwei „misogyne Männer“ als Vertreter eines gesamten, in seinem eisernen Frauenhass gefestigtes Geschlechts („Das Unheimlichste, was da draußen herumläuft“), das den Angriff nicht nur aus „Angst vor einer jungen erfolgreichen Frau“ geplant hat, sondern den offenbar ausschließlich weiblichen Swifties zur Konzertfreude auch gleich den einzigen Safespace für Frauen und Mädchen genommen hätte, in den sie sich noch flüchten könnten. Man sieht schon – auch wenn einige der lancierten Schwachsinnigkeiten freilich absurder nicht sein könnten: es kam wenig inhaltlich Überraschendes aus den jeweils meinungsgefestigten Lagern.
All jene Kommentatoren, denen Kritik am radikalen Islam und seinen Auswüchsen schon aus trotziger Ideologie und daher prinzipiell nicht über die Lippe kommt, hatten schnell holprig herbeigerechtfertigte, dafür umso lautstärker zum Ausdruck gebrachte Misandrie zur Hand, indem sie den wahren geistigen Hintergrund der geplanten Anschläge in der männlichen Angst vor starken, jungen Frauen verorteten.
Der islamistische Hintergrund des ersten Tatverdächtigen (er hatte erst jüngst einen Eid auf den IS geschworen, heißt es) wird jedenfalls in der Berichterstattung der nächsten Zeit wohlgeschmiedet heißes Thema bleiben, drei Tage lang Primetime-News bislang. Umso spannender wird es daher zu beobachten sein, wie sich nun all jene unmittelbar von der Absage Betroffenen mittelfristig positionieren werden, deren traurige Enttäuschung über den entgangenen Konzertgenuß sich in den nächsten Tagen um die (wohl proper organisierte, aber doch unbesteitbare) Mühsal, ihr Ticket-Money zurückzubekommen, potentieren wird.