ACTION

Andermatt Freedom Ride – das etwas andere Bikertreffen
Andermatt, Mitte Juli: Der Duft von Benzin liegt in der Höhenluft, V-Twins röhren über die Pässe und die Sonne glitzert auf Chrom. Der Andermatt Freedomried 2025 hat das alpine Dorf wieder in ein Paradies für Zweirad-Aficionados verwandelt – egal ob mit Harley, Honda oder einfach nur mit Wanderschuhen. Drei Tage Vollgas für die Seele. Und das Beste: Eintritt frei, Vorurteile verboten.

Wenn im Hochsommer der Klang von V-Twins das Echo des Alphorns in den idyllischen, fast schon unecht kitschig wirkenden Bergen der Mittelschweiz südlich von Zürich übertönt, dann weißt du: Es ist wieder Andermatt Freedom Ride. Was 2024 als launiges Biker-Kränzchen begann, hat sich 2025 zur testosteronsatten Loveparade auf zwei Rädern gemausert – mit rund 2.000 Motorrad-Verrückten, viel Benzin im Blut und erstaunlich wenig Midlife-Crisis-Pathos.
Freiheit auf zwei Rädern – oder in Wanderschuhen, no pressure
Das Festivalmotto? Ride hard, chill harder. Marken? Egal. Status? Wurscht. Ob Harley-Pilot, Tourer-Nerd, Enduro-Naturbursch oder Alpinhipster mit Funktionshose – in Andermatt ist jeder willkommen, der Kurven liebt. Freiheit wurde nicht nur großgeschrieben, sie wurde gefahren, geschwitzt und beim Campfire mit Bier runtergespült.
Kurven, Koffein, Königsrunde
Schon morgens röhrten die Maschinen los wie ein Bienenschwarm auf Steroiden. Die „Königsrunde“? 200 Kilometer, drei Pässe, 3.659 Höhenmeter, Serpentinen wie aus dem Verkehrssicherheitshandbuch des Daredevils persönlich. Wer’s noch deftiger wollte, bog ab zur Hidden-Lake-Route: Offroad, unbefestigt, und ein bisschen wie Mario Kart mit TÜV-Plakette. Für die Schnellstarter: die „High-Up“-Tour mit 3.113 Höhenmetern auf nur 104 Kilometern – ein Hochgebirgs-Workout für Mensch und Maschine bei dem einem nicht nur wegen der Seehöhe die Luft wegbleibt, sondern vor allem ob der unfassbaren Schönheit der Schweizer Alpen. Hier ist alles aufgeräumt, selbst die Wiesen auf den Almen wirken frisch gemäht und wenn sich dann zum nach der nächsten Kurve auftauchenden Postkartenpanorama noch drei Steinadler in nur wenigen Metern Höhe neben der Straße gesellen, dann könnte man fast glauben, man fahre hier in einer Simulation durch die Berge.






Einige fuhren geführt – mit Harley-Guides, Roadbook oder digitalem Navi. Die anderen: Instinkt, Erfahrung, Google oder oldschool Straßenkarte und Gottvertrauen. 150 Biker nahmen an offiziellen Touren teil, der Rest ballerte frei nach Laune über die Alpen – Hauptsache der Tank war voll und die Sonnencreme griffbereit.
Rock’n’Roll statt Rentnerkaffee
Aber halt: Der Freedom Ride ist mehr als bloß Motorlärm und Höhenmeter. Tagsüber: Foodtrucks, Händlerzelte, Testrides und überraschend viele Kinder, die Tischtennis spielten oder sich im Whirlpool vergnügten, als wäre das hier ein Klassenlager mit Burn-out-Prävention. Abends: Livemusik, DJs, Bierstände. Token Rock und DJ Destruction brachten die Holzbeine zum Schwingen. Und wer danach noch stehen konnte, bastelte sich beim BBQ eigene Würstchenphilosophie, griff zu wirklich sensationellen Tacos oder diskutierte stundenlang über die Frage, ob 1.200 Kubik eigentlich schon Religionszugehörigkeit innehaben.








Die Workshops? Gar nicht mal so unnütz: Von „Gepäck richtig festzurren“ bis „Wie wechsle ich einen Reifen ohne YouTube“. Für die Stuntshows blieb gerade noch Zeit, bevor man mit Sonnenbrille und Grillduft im Haar ins Zelt oder Luxushotel taumelte. Denn ja: Eintritt kostenlos, Übernachtung nach Gusto. Punk trifft Wellness. Alpenidylle mit Oktanzuschlag.
Harley Road King Special – roter Ritter mit Drehmoment
Ein Highlight, zumindest für mich, war der Test mit der Harley-Davidson Road King Special. „Whiskey Fire“ heißt die Farbe und ist ein echter Hingucker. Der Rest des Bikes, tief mattschwarz, wie die Seele eines Finanzbeamten, aber mit 1000 Prozent mehr Emotion. 94 PS, 158 Newtonmeter und ein sonorer aber nicht überbordender Sound. Ich persönlich bin ja der Meinung, dass das ganze Auspuffgedöhns mit Klappen und Co. irgendwie aus der Zeit gefallen ist. Motorfeeling am Bike ok, aber dass man – speziell in einer Umgebung wie den Alpen – mit einem Gasstoß ganze Täler in Aufruhr bringen muss, hat eigentlich in der heutigen Zeit weder Sinn noch bringt es greifbar mehr Spaß. Das Design? Retro trifft Hightech – Daymaker-LED vorne, zwei Auspuffrohre hinten, alles dazwischen ist purer Stil in Matt-Schwarz.









Beim Aufstieg zum Furkapass glitten die Floorboards wie auf Butter, die Mini-Ape-Hanger sorgten für aufrechte Coolness, und die Showa-Gabel bügelt jede Bodenwelle weg wie Mama das Hemdd für denn Sonntagsgottesdienst. Sogar das analoge Tankinstrument macht einen auf Nostalgie, während das V-Twin-Brummen Erinnerungen an bessere Zeiten weckt – auch wenn du nie aufgehört hast, welche zu haben.
Ride, Eat, Party, Sleep, Repeat
Nach drei Tagen voller Kurven, Grillgut und Benzingesprächen war klar: Der Andermatt Freedom Ride ist kein Festival – es ist ein Zustand. Eine temporäre Parallelwelt, in der niemand fragt, wie viel PS du hast, sondern nur, wie viele Pässe du heute gefahren bist. Wo „Freiheit“ nicht auf dem Aufkleber steht, sondern im Gesicht klebt – zwischen Staub, Sonnencreme und Grinsen. Und last but not least, ein Biker-Fest, bei dem es nicht um Markenzwang geht, sondern um pure Freude am gemeinsamen Sein. Dieses noch vergleichsweise kleine Festival hat das Potential etwas ganz Besonderes zu werden.
2026? Kommt. Fix. Mit Helm und Vorfreude.
Ob du mit einer Yamaha, Ducati oder dem alten Vespa-Veteran vom Großvater auftauchst – in Andermatt zählt nur, dass du kommst. Denn der Freedom Ride hat bewiesen, dass Freiheit keine Frage des Modells ist, sondern des Mindsets. Und dass sich Gemeinschaft nicht in Hubraum messen lässt, sondern in Geschichten am Lagerfeuer.
Also: Save the Date. Juli 2026. Alpen. Asphalt. Abenteuer. Wir sehen uns auf der Tremola. Mit oder ohne Road King Special.