AKUT

In Würde altern

In Würde altern

Hannes Kropik

Du fühlst dich alt, so entsetzlich alt? Vielleicht liegt es daran, dass du alt bist. Akzeptier es.

Text: Hannes Kropik

YouTube ist super. Da will man sich nur nebenbei einige Lieder einer bestimmten Band anhören und ein paar Stunden später läuft im Mix „Sekundenschlaf“ von Marteria feat. Peter Fox. Und plötzlich schleudert einen die Textzeile „Man ist nicht so alt wie man sich fühlt, man ist so alt wie man alt ist“ auf den Boden der Tatsachen. Weil: Es stimmt.

Es gibt ja Menschen, die sich gerne älter machen als sie in Wahrheit sind, um in angesagten Lokalen Einlass finden (oder sich Tschick oder Alkohol kaufen zu dürfen). Andere – und erfahrungsgemäß ist diese Gruppe deutlich größer – wollen sich nicht mit der Tatsache abfinden, dass sie nun eben doch schon seit einer schönen Zeitspanne die Ressourcen dieses Planeten verbrauchen. Und das äußert sich zum Beispiel im verzweifelten Versuch, mit Cremen und Wässerchen die sichtbaren Folgen des Alterns wegzuwischen. Oder sie stopfen sich mit Botox aus. Oder, noch ärger: Sie lassen sich ihr bisheriges Leben wegoperieren.

Ich werfe an dieser Stelle ein lautes „Geht´s noch?“ in den Raum. Gesichter erzählen Geschichten. Und, speziell für die Ladies da draußen: Diese kleinen Fältchen um den Augen: Die machen euch interessant. Die machen euch sexy! Wer will schon ausschauen wie Nicole Kidman oder Carla Bruni, diese eigenartigen Zombiefiguren …

Nur zwei Dinge im Leben sind unveränderlich: der Fußballverein, dem dein Herz gehört. Und dein Alter. Der Rest ist variabel. Du kannst deine Haarfarbe ändern, deine Tattoos entfernen und deine Heimatstadt verlassen. Du kannst jahrelang Coldplay gut finden und dann doch noch schamhaft erkennen, dass es sich dabei ja nur um aufgezuckerte  Fahrstuhlmusik handelt. Du kannst trotz aller Bis-dass-der-Tod-euch-scheidet-Schwüre deinen Ehepartner austauschen und bei Bedarf sogar dein Geschlecht ändern lassen. Aber du bist so alt wie du alt bist. Get over it.

Zwei Gedanken mögen trösten: Solange du lebst, wirst du immer noch älter als du gestern schon warst. Und: Solange du lebst, könntest du rein theoretisch unsterblich sein. (Okay, zugegeben, letzteres ist kein wirklicher Trost. Aber: Das sind diese Cremen und Wässerchen auch nicht.)

Was aber eher auch niemandem hilft: Anderen Menschen unaufgefordert das eigene Alter entgegenzuschleudern und damit anzugeben. Ist euch schon aufgefallen, wie oft man in öffentlichen Verkehrsmitteln, an der Supermarktkassa, im Arztwartezimmer oder in sonstigen Menschenansammlung von älteren Herrschaften spätestens im zweiten Satz auf die eigene Unerfahrenheit hingewiesen wird?  „Ich bin ja schon xx Jahre alt!“ Na und?  Das xx steht in diesem Fall übrigens für eine beliebige Zahl zwischen 63 und 97. Warum sie uns das immer wieder sagen? Keine Ahnung. Wir werden es früher oder später selbst herausfinden.