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Niki Lauda – der Unsterbliche ist nicht mehr

Franz J. Sauer

Er war mit Abstand einer der bekanntesten Männer Österreichs, zuweilen der viertbekannteste Mensch der Welt (damals nach Ronald Reagan, Muhammed Ali und dem Papst). Niki Lauda war aber vor allem eines: Idol. Nicht nur für Fans der Formel Eins. Für alle Österreicher.

von Franz J. Sauer / Foto: Manfred Klimek

Seine analytischen Fähigkeiten waren allseits geschätzt, seine Schrullen gaben dem Mann mit der roten Kappe ein Profil. Und er war wohl einer der ganz wenigen auf der Welt, die aus einem Manko wie der oft belachten Geizigkeit (die übrigens Leute aus dem engeren Kreis stets dementierten) eine Menge Geld als Werbeträger scheffelften. Niki Lauda war dreimal Formel 1 Weltmeister als Fahrer und mehrere Male als Berater. Nachdem er vor 34 Jahren aus dem aktiven Sport ausstieg ist er auch heute noch aus dem Zirkus der Motorsport-Königsklasse nicht wegzudenken. Er war als Aufsichtsratschef des Mercedes-Benz Formel Eins Teams für die sensationellen Erfolge der letzten Jahre zu einem Gutteil mitverantwortlich. Und vermutlich wird einer wie Niki Lauda die Geschicke des Formel Eins-Sports in irgendeiner Art und Weise auch über seinen Tod hinaus beeinflußen – wie auch immer er das machen wird.

„Und einfach nichts tun als Alternative? Dann hänge ich mich auf.“

Der am 22.2.1949 in Wien geborene Lauda, Sohn aus gutem Industriellen-Haus zu Pötzleinsdorf kennt von frühester Jugend an nur ein Ziel: die Formel 1. Die Story mit all den Krediten, mit denen er sich von Klasse zu Klasse hochlizitierte, bis ihn schließlich Enzo Ferrari daheim in Maranello vor dem TV-Schirm entdeckte, wurde oftmals erzählt und wiedergekäut, ist also hinlänglich bekannt. Nicht minder wie die glanzvolle Sportler-Historie danach: 25 Siege, drei Weltmeistertitel ein Feuerunfall, zwei Comebacks.

Die überlieferten Bon Mots aus dieser, seiner aktiven Zeit wurdem meist von Laudas mehrfachem Biografen und Freund Herbert Völker niedergeschrieben und gaben dem Star mit dem verbrannten Gesicht – dass er mittels permanentem Kapperltragens ab 1977 kultifiz- und monetarisierte – einen sprachlichen Rahmen, den dieser bei TV-Auftritten mit räuspernder Stimme manifestierte. Wenn Lauda im Fernsehen auftrat, konnte man Bullshit-Bingo spielen: „Der erste springende Punkt“, „competitive“, „Performance“, „interessiert mich null“, „Schwachsinn“ waren nur einige der Phrasen, die Lauda in kurzen Sätzen zu punktscharfen Analysen formte und auf den Punkt brachte. Und damit zumeist recht hatte, in jedem Fall wenn es um Motorsport ging.

Der Überflieger

Und dann war da noch die zweite Karriere des Niki Lauda. Jene des Piloten und Airliners. Zuerst die Lauda Air, dann Fly Niki, die er 2011 an die Air Berlin verkaufte. Damals darauf angesprochen, ob er noch einmal ins Flugbusiness einsteigen würde, antwortete er lapidar: „Das wird schwer. Mir gehen langsam die Namen aus.“ Dennoch kam es anders, wie man weiß; „Laudamotion“ war der letzte, große Airline-Business-Coup Laudas, Verkauf an Ryanair inklusive.

Niki Lauda und der WIENER

In der nun 40jährigen Geschichte des WIENER lieferte Lauda mehrmals Stoff für Stories, zweimal jedenfalls für Titelgeschichten. Die erste derer fand in der ersten Ausgabe des Jahres 1981 statt, in einer Zeit also, als Lauda dem Formel Eins-Sport fernblieb und das zarte Pflänzchen der Lauda Air aufzuziehen versuchte. Unter dem Titel „Das Geschändete Idol“ lieferte Motorjournalist Josef Mezger einen reißerischen, in Wortwahl und Impetus an die letzte Zeit erinnerten Aufmacher:

„Am 20. November 1980 durften Österreichs Fernseher einer öffentlichen Hinrichtung beiwohnen. Der Moderator Günther Ziesel verlangte vor laufenden Kameras Auskunft über die Steuererklärung des Unternehmers Niki Lauda. Die Nachrichtensendung „10 vor 10″ war zum Volksgerichtshof umfunktioniert.“

Kurz gesagt ging es darin um die Transformation vom Rennfahrer-Idol Lauda zum Flugunternehmer und bald mal ernstzunehmenden Konkurrenten der heimischen Austrian Airlines, dessen Wechsel des Geschäftsfeldes einigen Persönlichkeiten der heimischen Wirtschaftselite nicht ganz in den Kram passte. Plötzlich waren Präsenzdienst, Steuerflucht und Airline-Lizenzen ein Thema, mit dem sich ein Mensch, der stets nach Rundenzeiten und Endabrechnungen nach der Zielflagge gelebt hatte, plötzlich herumschlagen musste. Und daran zunächst scheiterte.

Lauda kehrte 1982 in die Formel Eins zurück, fuhr für McLaren und holte schon für sein Comeback-Jahr einen bis dahin noch nie bezahlten Traumbetrag als Jahresgage heim. 1984 wurde er ein drittes Mal Weltmeister und hatte sich für sein Team wie für die Sponsoren (damals noch Zigarettenmarken, diesfalls Marlboro) bezahlt gemacht. 1985 trat er zum zweiten Mal zurück, startete mit der Lauda Air nochmals durch und hatte diesmal Erfolg. Der Rest ist Geschichte.

Der schlimmste Moment im Leben des Niki Lauda

1991 stürzte im Dschungel Thailands eine Boeing 767 der Lauda Air ab, alle Passagiere kamen dabei ums Leben. Lauda war so schnell es ging am Unglücksort, stellte sich der Presse, den Angehörigen, der Öffentlichkeit und gab erst Ruhe, als seine eigene Unschuld am Unglück restlos geklärt war. Nicht zuletzt dank seines höchstpersönlichen Einsatzes blieb die Lauda Air auch nach dem schweren Unfall in der Luft, behielt ihr tadelloses Image, das dem Slogan „Service is our Success“ nachempfunden war und wurde größer und größer. Den Vorstellungen des Visionärs Lauda vielleicht etwas zu groß; 2001 verkaufte er das schwer verschuldete Unternehmen mehr oder weniger freiwillig an die AUA und stieg als Teamchef des Jaguar Racing Teams wieder in leitender Position in der Formel Eins ein.

Aus jener Zeit, genauer aus der März-Ausgabe 2001 stammt das zweite, große Interview mit Niki Lauda, das Eberhard Lauth und der langjährige Chefredakteur Peter Mosser führten.

Er war dreimal Formel-1-Weltmeister und hat eine Fluglinie gegründet. Mit 52 hat er dort nichts mehr zu sagen und kehrt wieder dain zurück, wo er einmal angefangen hat. Als Rennsportleiter bei Jaguar. Warum? ‚Weil ich immer nur eines will: Weltmeister werden'“

Wie einige Wortmeldungen, die Lauda in diesen Tagen um den Jahreswechsel 2000/2001 abgab, war ein wenig Bitterkeit mit Österreich und dem Umgang des Landes mit dem Idol zu spüren:

Das ist leicht zu erklären. Die Freunderlwirtschaft ist festgefahren. Alles ist 08/15 und langsam. Wenns wer anders macht, etwa eine Airline aufzieht, geht das ewig so dahin. Läufts dann weniger gut, wegen steigendem Dollarkurs und Kerosinpreis – was übrigens die AUA weit mehr getroffen hat, als mich – festigt sich der Mechanismus noch mehr. Meine Devise war immer sportlich: Binnen kürzester Zeit am meisten erreichen. Nicht am langsamsten und mit viel Diskutieren irgendwas Mittelmäßiges.“

Und:

Ich habe nur jedem Politiker geantwortet, wenn er mich gefragt hat. Wadlbeißer machen daraus das Gerücht, der Lauda haut sich mit den Blauen z’samm. Ich bekam nie einen Job von einem Politiker. Kein Blauer hat mich gefragt, ob ich für die Wiener Wahlen kandidieren wollte. Ich engagierte mich vor 100.000 Jahren für Kurt Steyrer, weil der Mock sagte, er hat im Parlament verschlafen, wie der Lauda Air die Konzession abgemurkst wurde. Hab ich gesagt: Seids deppert, ihr Schwarzen? Ich seids doch für freie Marktwirtschaft? Ich bin mit dme Steyrer Straßenbahn gefahren, Waldheim wurde Präsident und meine Mutter hat mich beschimpft. Nie mehr!

Das Jaguar- Engagement lief auch nicht ganz nach Nikis Vorstellungen, also wechselte er bald zurück in die Fliegerei. 2003 übernahm er die Aero Lloyd Austria, machte daraus Fly Niki, flog die Firma sozusagen hoch und verkaufte sie 2011 an die Air Berlin. Es folgte die nächste Rückkehr in die Formel Eins, diesmal bei Mercedes, diesmal erfolgreich. Gemeinsam mit Toto Wolff gilt er als Architekt der derzeitigen Dominanz der Silberpfeile in der Formel Eins, eine Tätigkeit, die er bis zuletzt und mit viel Verve und Herblut verfolgte. Auch nach der schweren Lungenerkrankung im Sommer 2018 war es stets Laudas erklärtes Ziel, bald wieder am die Rennpiste zurück zu kehren und seinen Job zu machen.

Faulheit, Stillstand, Nichtstun kam für Niki Lauda niemals in Frage, wie er schon im WIENER Interview 2001 herausstrich:

WIENER: Und einfach mal nichts tun als Alternative? LAUDA: Dann hänge ich mich auf.

Niki Lauda verstarb am 20. Mai im Universitätskrankenhaus Zürich im Kreise seiner Familie. Inmitten der schwersten Regierungskrise der zweiten Republik durchschlug Laudas Tod sozusagen die Themenführerschaft der Polit-Misere. Neben Bundespräsident und -kanzler fanden Freunde und Wegbegleiter des Champ rührende Worte, zumeist auf ihren Social Media Auftritten:

Unser Mitgefühl gehört seiner Familie, speziell den beiden jungen Zwillingen Mia und Max, denen wir bei jeder Gelegenheit mitteilen werden, was für eine Legende ihr toller Papa war – die größeren „Kinder“ Lukas, Matthias und Christoph (allesamt zwischen 35 und 40) dürften es ja lebhaft mitbekommen haben.