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MemoryLane: Wie Mann fremdgeht und dennoch treu bleibt

Manfred Sax

Er sagt: „Für mich gibts nur dich.“ – Sie sagt: „Du hast eine andere.“ Sie hat recht. Trotzdem weiß er, dass er nicht lügt.

Sex für Fortgeschrittene by Manfred Sax

Es gibt Dinge, die ändern sich nie. Etwa, dass alle Männer von Natur aus monogam sind. Dem Partner treu bis in den Tod. Bis auf den kleinen Tod. Den zelebrieren sie gelegentlich in der Fremde. Mit einer anderen, wie viele Frauen glauben. „Du hast eine andere“, das könnte sogar der Mutter meiner Kinder einfallen, wenn ich mal um sechs Uhr früh ramponiert nach Hause finde. Und ich kann das bestreiten, so wahrhaftig, wie es nur Männer mit reinem Gewissen können.

Theoretisch gibt es natürlich Umstände, die ein Bestreiten etwas erschweren. Für den häufigsten Umstand existiert unter Männern das Kürzel „Chanel 5“, üblicher Weise als halblustiger Sager auf halbernste Fragen („Was hat sie angehabt?“). Dann kommt der Hinweis auf das Duftwasser, so unvermeidlich wie das konspirative Gelächter danach.

Frau by Klaus Hausmann, gemeinfrei.

Der Punkt ist: Man darf nicht nach Chanel 5 riechen, wenn die Partnerin auf – z.B. – Ysatis schwört. Chanel ist ein Saft, der ein Weib zum Weibchen verputzigt, er ist safe. Ysatis ist mehr so ein „Keine-blöden-Sprüche-bitte“-Parfüm. Chanel und Ysatis sind wie Hündin und Katze, das weiß jede Frau.

Der Mann weiß wiederum, dass Trottelhaftigkeit kein Entschuldigungsgrund – und Indiskretion jedenfalls schlimm ist. Du kannst nicht in der Fremde flanieren und sie nicht abstreifen, ehe du in die vertraute Umgebung wiederkehrst. Du kannst nicht den Duft der einen Welt mit der Nase der anderen konfrontieren. Das wäre skandalös. Verrat, eigentlich.

Klar, mann sollte sich vor der Rückkehr wenigstens duschen. Nicht nur aus Gründen der Spurenvernichtung. Die Reinigung geht tiefer, katholisch gesehen ist die Wirkung wie jener Sprung in den Jordan anno Täufer Johannes. Wie Gehirnwäsche.

Der Fremdgang ist vielfach besungen, Frank Sinatra nannte es „Strangers in the night“, Lou Reed einen „walk on the wild side“, angesprochen fühlen sich alle, sogar der Jedermann, dessen zivile Welt in Ordnung ist, die Karriere okay, mit der Partnerin alles bestens. Das Leben läuft wie auf Schienen, so reibungslos in der Tat, dass dich mitunter die Unrast plagt. Eine nicht unattraktive Energie, die nicht weiter hinterfragt werden muss. Mann weiß ohnehin, was sie bedeutet. Es wird ein Weib sein.

Beim Warum fürs Tun gehen die Motive auseinander. Wenn Frauen fremdgehen, erzählen mir Frauen, suchen sie eigentlich sich selbst. Eine Bestätigung ihrer Weiblichkeit, einen wiederbelebenden Beweis. Die Umstände wollen es, dass ihr Mann für gewisse Stunden dann irgendein Hans oder Peter ist. Ein Individuum mit Gesicht und Namen und vielleicht sogar mit etwas History. Die Fremdgeherin lebt also eine alternative Beziehung im Kleinen, in ihrer Welt, der einen, und Liebe darf gern dabei sein, passt gut zum Rehab-Talk danach („Es war Liebe, was konnte ich tun?“).

Willkommen in der Kirche. Foto: adamkontor

Es wird ein Weib sein, es wird ein Leib sein.

Für solche Scherze ist der Mann natürlich viel zu monogam unterwegs. Daher läuft dasselbe bei ihm ganz anders ab, jedenfalls im Gehirn. Er verlässt seine alte Welt zwischenzeitlich zu Gunsten einer mystischen, wo er Entdecker und Huldiger ist. Wo er tut, was er seit Jahrtausenden macht – er sucht den Schöpfer. Banal nur, dass der momentane irdische Repräsentant des Schöpfers ein paar Zentimeter unterhalb seines Nabels angesiedelt ist. Und Zufall, dass es „das Weib“ ist, das ihm zeigt, wo er wohnt. Allerdings nicht irgendein Weib. Es mag heute brünett sein und morgen blond – für ihn ist es immer dasselbe Wesen. Die Frau. Sie hat keinen Namen, oft erinnert er später nicht einmal ein Gesicht, es sei denn, ihre Lippen waren unvergesslich. Aber sonst ist das Weib ganz Leib. Eine Huldigungsstätte, eine Kirche.

Und so kann ein Mann fremdgehen und dennoch treu bleiben: Es gab und gibt keine andere. Keine Simone oder Gretel oder sowas, keine Person. Ich war lediglich beten, Darling, dein Verdacht ist absurd, Zeus ist mein Zeuge.

So will es die Regel. Dumpfbacken, die den Weihrauch ihrer Kirche mit dem Chanel einer anderen beleidigen, sind nur die rücksichtslosen Ausnahmen.