Essen

Ciao, Béla!

Die Hommage an einen legendären Cafetier verpflanzt die angesagt-­würzige Levante-Küche ins gediegene Setting. Das funktioniert im „Béla Béla“ stimmig und in ­experimentierfreudiger Grundstimmung.

Text: Roland Graf / Fotos: Jürgen Hammerschmid, Gregor Titze

Innovationsgeist regierte schon vor 100 Jahren an der prominenten Innenstadt-Adresse: Im Obergeschoß sorgte Eugenie Schwarzwalds Reformschule 1911 für die erste Mädchen-Matura der k. u. k. Monarchie. Drei Jahre später ­eröffnete darunter das „Café ­Herrenhof“, ein legendärer Künstlertreff der Ersten Republik. Knapp 25 Jahre lang bewirtete Béla Waldmann hier Größen wie Adolf Loos, Oskar Kokoschka oder Arnold Schönberg. Eben jenem ­legendären Gastronomen zollt das neue „Béla Béla“ Tribut. Nicht mit einer Gedenk-Melange, sondern mit mutigem Esprit. Und der kommt derzeit von Osten.

Nichts ist sicher vor dem Verfremdungseffekt in der Fahnengasse: Beef Tatar bekommt Röstpilze an die Seite – und das knusprige Sauerteigbrot.

In Form der gemüselastigen und bunten Küche, für die als Stadt Tel Aviv steht, die aber auch von Erneuerern wie Yotam Ottolenghi (London) bekannt gemacht wurde, traut man sich einiges. Da muss selbst die „Wiener Klassik“ mit einem Eckerl in der Speisekarte auskommen. Kalbsschnitzerl gibt es in altbewährter Form (26,50 Euro), doch die Neuorientierung funktioniert sogar mit ­Vertrautem: Gießt man die Rind-­Consommé, die anderswo „Hochzeitssuppe“ heißt, in eine ultra­marine Bowl, lässt der Verfremdungseffekt Gemüsestreifen, Grießnockerl und Frittaten wie ein asiatisches Arrangement ­wirken!

Die mutigen drei hinter der levantinischen Hommage im Hotel Herrenhof: Direktorin Elisabeth Perwanger, Küchenchef Stefan Schartner und Antje de Vries.

Umgesetzt wird diese levantinische Linie von Küchenchef Stefan Schartner. Er ist ein Meister der Aromenabstimmung (in bester Erinnerung sind seine Olivenöl-­Menüs!), was sich schon beim Gedeck zeigt. Geschlagene Butter mit Za’atar bringt Einstimmung aufs Kommende. Wenige, aber klar exotische Würzungen geben den Grundprodukten eine neue Note; das zeigt auch der Sumach, mit dem sich Ofenkarotten und Saibling als Orientalen präsentieren („Bach & Karotte“, 16 Euro). Man muss diese Feinheiten aber gar nicht kennen, um Freude an Schartners farbenfrohen Kreationen zu haben. Wer Marokkos ­Küche liebt, wird zum Lamm im krossen Teig vermutlich „Pastilla“ sagen, hier heißt das aber „Kross verpackt“.

Bunt und doch kein mit der Pinzette gelegtes Tellergemälde: Die „Béla Béla“-Liaison von Wien und Mittelmeer macht optisch was her.

Ein bisschen Kreativität darf bei den Namen sein, wenn man sich auch Spaßetteln verbittet, die Wiens Adepten der neuen Levante gerne um die Gerichte aufführen (schräge Musik, generelles Duzen, bewusst hemdsärmliges Anrichten). Der Griff zur Lammkeule statt -rücken macht den Inhalt des Teigpäckchens herrlich saftig, Joghurt darf als aromatischer Klecks dienen – im Kern ist das ein Gericht für wahre Fleischfreunde.
Mit der Auswahl an Gemüse-­Vorspeisen, die von Melanzani über Kürbis bis zum berühmten Ofenkarfiol reicht, wird aber ­gerade die Fraktion „bewusste Ernährung“ gut bedient. So bleibt auch Platz für die Patisserie, die nicht nur ein eigenes „Herrenhof“-Eis auffährt, sondern auch einen herrlichen Kaiserschmarrn. Dazu stehen neun Kaffeespezialitäten zur Wahl. Man pflegt bei aller Experimentierfreude schließlich auch das Erbe Béla Waldmanns!

BÉLA BÉLA
Fahnengasse 1, A-1010 Wien, Dienstag bis Sonntag 17–22 Uhr (Küche), bit.ly/3bQcrsN

Preise: Die Consommé gibt es um 9 Euro, Ofengemüse ab 10,50 Euro, Hauptgerichte bewegen sich um die 20 Euro. Das Sharing-Menü „Béla Experience“ beginnt bei 35 Euro.

Pflichtkauf: Saftige Hühnerkeule mit Zitrus und Oliven (19 Euro), vor allem aber Lamm im knusprigen Teigmantel („Kross verpackt“, 19,50 Euro).

Ideal für: Freunde der Levante-Küche, die dabei gerne sitzen und keinen Punkrock brauchen

Leistungskoeffizient: 88
Preisband: 90